Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



und sie hatten bequeme Zeit, sich einander wider
mich in Harnisch zu jagen.

Simon Parsons gab mir hievon einen Wink:
wie ich vor der Hofmeisterstube vorbey gieng.
Denn es schien, als wenn sie laut geredet hätten;
und er hatte einige Rechnungen mit dem alten
Pritchard zur Richtigkeit zu bringen gehabt.

Dennoch eilte ich, ihnen meine Schuldigkeit
zu bezeigen. Wenn andere gleich ihre Pflicht
nicht beobachten, weißt du wohl, ist das doch
keine Entschuldigung für unsere Nachläßigkeit.

Nun trete ich hinein zu meinem Verhör.

Mit schrecklich ernsthaften Gesichtern ward
ich empfangen. Die beyden Ueberbleibsel des Al-
terthums nickten nur ihre altfränkischen Köpfe und
verzogen ihre Gesichter, daß sie länger, als ge-
wöhnlich wurden. Alle alte Züge an ihren runz-
lichten Stirnen und verfallenen Wangen, ließen
sich stark sehen. Wasmachen sie gutes, Vetter?
und was machen sie, Herr Lovelace? Dabey sa-
hen sie sich rund herum einander an, als wenn sie
sagen wollten: Reden sie zuerst, und Reden sie.
Denn sie schienen sich entschlossen zu haben, keine
Zeit zu verlieren.

Jch machte mir nichts weiter daraus, als
daß ich ihnen dafür ein eben so männliches We-
sen zeigte, als ihr Wesen weibisch war. Jhr
Diener, gnädige Frau, sagte ich zu der Lady Eli-
sabeth, und, Jhr Diener, gnädige Frau - - Es
ist mir lieb, daß ich sie im Stande sehe, von Hau-
se zu seyn, zu der Lady Sarah.

Jch



und ſie hatten bequeme Zeit, ſich einander wider
mich in Harniſch zu jagen.

Simon Parſons gab mir hievon einen Wink:
wie ich vor der Hofmeiſterſtube vorbey gieng.
Denn es ſchien, als wenn ſie laut geredet haͤtten;
und er hatte einige Rechnungen mit dem alten
Pritchard zur Richtigkeit zu bringen gehabt.

Dennoch eilte ich, ihnen meine Schuldigkeit
zu bezeigen. Wenn andere gleich ihre Pflicht
nicht beobachten, weißt du wohl, iſt das doch
keine Entſchuldigung fuͤr unſere Nachlaͤßigkeit.

Nun trete ich hinein zu meinem Verhoͤr.

Mit ſchrecklich ernſthaften Geſichtern ward
ich empfangen. Die beyden Ueberbleibſel des Al-
terthums nickten nur ihre altfraͤnkiſchen Koͤpfe und
verzogen ihre Geſichter, daß ſie laͤnger, als ge-
woͤhnlich wurden. Alle alte Zuͤge an ihren runz-
lichten Stirnen und verfallenen Wangen, ließen
ſich ſtark ſehen. Wasmachen ſie gutes, Vetter?
und was machen ſie, Herr Lovelace? Dabey ſa-
hen ſie ſich rund herum einander an, als wenn ſie
ſagen wollten: Reden ſie zuerſt, und Reden ſie.
Denn ſie ſchienen ſich entſchloſſen zu haben, keine
Zeit zu verlieren.

Jch machte mir nichts weiter daraus, als
daß ich ihnen dafuͤr ein eben ſo maͤnnliches We-
ſen zeigte, als ihr Weſen weibiſch war. Jhr
Diener, gnaͤdige Frau, ſagte ich zu der Lady Eli-
ſabeth, und, Jhr Diener, gnaͤdige Frau ‒ ‒ Es
iſt mir lieb, daß ich ſie im Stande ſehe, von Hau-
ſe zu ſeyn, zu der Lady Sarah.

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0196" n="190"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
und &#x017F;ie hatten bequeme Zeit, &#x017F;ich einander wider<lb/>
mich in Harni&#x017F;ch zu jagen.</p><lb/>
          <p>Simon Par&#x017F;ons gab mir hievon einen Wink:<lb/>
wie ich vor der Hofmei&#x017F;ter&#x017F;tube vorbey gieng.<lb/>
Denn es &#x017F;chien, als wenn &#x017F;ie laut geredet ha&#x0364;tten;<lb/>
und er hatte einige Rechnungen mit dem alten<lb/>
Pritchard zur Richtigkeit zu bringen gehabt.</p><lb/>
          <p>Dennoch eilte ich, ihnen meine Schuldigkeit<lb/>
zu bezeigen. Wenn andere gleich ihre Pflicht<lb/>
nicht beobachten, weißt du wohl, i&#x017F;t das doch<lb/>
keine Ent&#x017F;chuldigung fu&#x0364;r un&#x017F;ere Nachla&#x0364;ßigkeit.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Nun trete ich hinein zu meinem Verho&#x0364;r.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p>Mit &#x017F;chrecklich ern&#x017F;thaften Ge&#x017F;ichtern ward<lb/>
ich empfangen. Die beyden Ueberbleib&#x017F;el des Al-<lb/>
terthums nickten nur ihre altfra&#x0364;nki&#x017F;chen Ko&#x0364;pfe und<lb/>
verzogen ihre Ge&#x017F;ichter, daß &#x017F;ie la&#x0364;nger, als ge-<lb/>
wo&#x0364;hnlich wurden. Alle alte Zu&#x0364;ge an ihren runz-<lb/>
lichten Stirnen und verfallenen Wangen, ließen<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;tark &#x017F;ehen. Wasmachen &#x017F;ie gutes, Vetter?<lb/>
und was machen &#x017F;ie, Herr Lovelace? Dabey &#x017F;a-<lb/>
hen &#x017F;ie &#x017F;ich rund herum einander an, als wenn &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;agen wollten: Reden &#x017F;ie zuer&#x017F;t, und Reden &#x017F;ie.<lb/>
Denn &#x017F;ie &#x017F;chienen &#x017F;ich ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en zu haben, keine<lb/>
Zeit zu verlieren.</p><lb/>
          <p>Jch machte mir nichts weiter daraus, als<lb/>
daß ich ihnen dafu&#x0364;r ein eben &#x017F;o ma&#x0364;nnliches We-<lb/>
&#x017F;en zeigte, als ihr We&#x017F;en weibi&#x017F;ch war. Jhr<lb/>
Diener, gna&#x0364;dige Frau, &#x017F;agte ich zu der Lady Eli-<lb/>
&#x017F;abeth, und, Jhr Diener, gna&#x0364;dige Frau &#x2012; &#x2012; Es<lb/>
i&#x017F;t mir lieb, daß ich &#x017F;ie im Stande &#x017F;ehe, von Hau-<lb/>
&#x017F;e zu &#x017F;eyn, zu der Lady Sarah.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0196] und ſie hatten bequeme Zeit, ſich einander wider mich in Harniſch zu jagen. Simon Parſons gab mir hievon einen Wink: wie ich vor der Hofmeiſterſtube vorbey gieng. Denn es ſchien, als wenn ſie laut geredet haͤtten; und er hatte einige Rechnungen mit dem alten Pritchard zur Richtigkeit zu bringen gehabt. Dennoch eilte ich, ihnen meine Schuldigkeit zu bezeigen. Wenn andere gleich ihre Pflicht nicht beobachten, weißt du wohl, iſt das doch keine Entſchuldigung fuͤr unſere Nachlaͤßigkeit. Nun trete ich hinein zu meinem Verhoͤr. Mit ſchrecklich ernſthaften Geſichtern ward ich empfangen. Die beyden Ueberbleibſel des Al- terthums nickten nur ihre altfraͤnkiſchen Koͤpfe und verzogen ihre Geſichter, daß ſie laͤnger, als ge- woͤhnlich wurden. Alle alte Zuͤge an ihren runz- lichten Stirnen und verfallenen Wangen, ließen ſich ſtark ſehen. Wasmachen ſie gutes, Vetter? und was machen ſie, Herr Lovelace? Dabey ſa- hen ſie ſich rund herum einander an, als wenn ſie ſagen wollten: Reden ſie zuerſt, und Reden ſie. Denn ſie ſchienen ſich entſchloſſen zu haben, keine Zeit zu verlieren. Jch machte mir nichts weiter daraus, als daß ich ihnen dafuͤr ein eben ſo maͤnnliches We- ſen zeigte, als ihr Weſen weibiſch war. Jhr Diener, gnaͤdige Frau, ſagte ich zu der Lady Eli- ſabeth, und, Jhr Diener, gnaͤdige Frau ‒ ‒ Es iſt mir lieb, daß ich ſie im Stande ſehe, von Hau- ſe zu ſeyn, zu der Lady Sarah. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/196
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/196>, abgerufen am 25.11.2024.