mungen geschickten Geist, wie das kalte Wasser die Hitze, dämpfet.
Dieß sind muntere Mägdchen. Sie haben Leben und Witz. Als gestern Charlotte über ei- ne erzählte Unternehmung gegen mich loszog: sagte ich ihr, daß ich einige male bey mir selbst darüber gestritten, ob sie mir zu nahe verwandt wäre, oder nicht; und daß es einmal eine Streit- frage bey mir gewesen, ob ich sie nicht auf einen Monath oder so ungefähr herzlich lieben könnte. Vielleicht, setzte ich hinzu, wäre es gut für sie gewesen, daß mir eben zu der Zeit, als ich auf Mittel und Wege zu meiner Absicht dachte, ein anderes artiges kleines Püpchen aufgestoßen und meine Gedanken auf sich gerichtet.
Alle drey schlugen hierüber zugleich ihre Hän- de und Augen in die Höhe. Jch bemerkte aber, daß die Mägdchen, ob sie gleich wider mich aus- riefen, doch über diese freye Sprache nicht so zor- nig waren, als ich meine Geliebte, selbst bey so versteckten und dunkeln Winken, daß ich mich über ihre geschwinde Einsicht gewundert, befun- den habe.
Jch bezeugte gegen Charlotte, daß, so ernst- haft sie auch in ihrem lächelnden Unwillen bey dieser Erklärung gern seyn wollte, ich dennoch versichert wäre, es würde mich nicht über zween oder drey Kunstgriffe gekostet haben; denn nie- mand bewunderte eine gute Erfindung mehr, als sie: wofern ich ihr Gewissen nur von dem be-
schwer-
mungen geſchickten Geiſt, wie das kalte Waſſer die Hitze, daͤmpfet.
Dieß ſind muntere Maͤgdchen. Sie haben Leben und Witz. Als geſtern Charlotte uͤber ei- ne erzaͤhlte Unternehmung gegen mich loszog: ſagte ich ihr, daß ich einige male bey mir ſelbſt daruͤber geſtritten, ob ſie mir zu nahe verwandt waͤre, oder nicht; und daß es einmal eine Streit- frage bey mir geweſen, ob ich ſie nicht auf einen Monath oder ſo ungefaͤhr herzlich lieben koͤnnte. Vielleicht, ſetzte ich hinzu, waͤre es gut fuͤr ſie geweſen, daß mir eben zu der Zeit, als ich auf Mittel und Wege zu meiner Abſicht dachte, ein anderes artiges kleines Puͤpchen aufgeſtoßen und meine Gedanken auf ſich gerichtet.
Alle drey ſchlugen hieruͤber zugleich ihre Haͤn- de und Augen in die Hoͤhe. Jch bemerkte aber, daß die Maͤgdchen, ob ſie gleich wider mich aus- riefen, doch uͤber dieſe freye Sprache nicht ſo zor- nig waren, als ich meine Geliebte, ſelbſt bey ſo verſteckten und dunkeln Winken, daß ich mich uͤber ihre geſchwinde Einſicht gewundert, befun- den habe.
Jch bezeugte gegen Charlotte, daß, ſo ernſt- haft ſie auch in ihrem laͤchelnden Unwillen bey dieſer Erklaͤrung gern ſeyn wollte, ich dennoch verſichert waͤre, es wuͤrde mich nicht uͤber zween oder drey Kunſtgriffe gekoſtet haben; denn nie- mand bewunderte eine gute Erfindung mehr, als ſie: wofern ich ihr Gewiſſen nur von dem be-
ſchwer-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0188"n="182"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
mungen geſchickten Geiſt, wie das kalte Waſſer<lb/>
die Hitze, daͤmpfet.</p><lb/><p>Dieß ſind muntere Maͤgdchen. Sie haben<lb/>
Leben und Witz. Als geſtern Charlotte uͤber ei-<lb/>
ne erzaͤhlte Unternehmung gegen mich loszog:<lb/>ſagte ich ihr, daß ich einige male bey mir ſelbſt<lb/>
daruͤber geſtritten, ob ſie mir zu nahe verwandt<lb/>
waͤre, oder nicht; und daß es einmal eine Streit-<lb/>
frage bey mir geweſen, ob ich ſie nicht auf einen<lb/>
Monath oder ſo ungefaͤhr herzlich lieben koͤnnte.<lb/>
Vielleicht, ſetzte ich hinzu, waͤre es gut fuͤr ſie<lb/>
geweſen, daß mir eben zu der Zeit, als ich auf<lb/>
Mittel und Wege zu meiner Abſicht dachte, ein<lb/>
anderes artiges kleines Puͤpchen aufgeſtoßen und<lb/>
meine Gedanken auf ſich gerichtet.</p><lb/><p>Alle drey ſchlugen hieruͤber zugleich ihre Haͤn-<lb/>
de und Augen in die Hoͤhe. Jch bemerkte aber,<lb/>
daß die Maͤgdchen, ob ſie gleich wider mich aus-<lb/>
riefen, doch uͤber dieſe freye Sprache nicht ſo zor-<lb/>
nig waren, als ich meine Geliebte, ſelbſt bey ſo<lb/>
verſteckten und dunkeln Winken, daß ich mich<lb/>
uͤber ihre geſchwinde Einſicht gewundert, befun-<lb/>
den habe.</p><lb/><p>Jch bezeugte gegen Charlotte, daß, ſo ernſt-<lb/>
haft ſie auch in ihrem laͤchelnden Unwillen bey<lb/>
dieſer Erklaͤrung gern ſeyn wollte, ich dennoch<lb/>
verſichert waͤre, es wuͤrde mich nicht uͤber zween<lb/>
oder drey Kunſtgriffe gekoſtet haben; denn nie-<lb/>
mand bewunderte eine gute Erfindung mehr, als<lb/>ſie: wofern ich ihr Gewiſſen nur von dem be-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchwer-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[182/0188]
mungen geſchickten Geiſt, wie das kalte Waſſer
die Hitze, daͤmpfet.
Dieß ſind muntere Maͤgdchen. Sie haben
Leben und Witz. Als geſtern Charlotte uͤber ei-
ne erzaͤhlte Unternehmung gegen mich loszog:
ſagte ich ihr, daß ich einige male bey mir ſelbſt
daruͤber geſtritten, ob ſie mir zu nahe verwandt
waͤre, oder nicht; und daß es einmal eine Streit-
frage bey mir geweſen, ob ich ſie nicht auf einen
Monath oder ſo ungefaͤhr herzlich lieben koͤnnte.
Vielleicht, ſetzte ich hinzu, waͤre es gut fuͤr ſie
geweſen, daß mir eben zu der Zeit, als ich auf
Mittel und Wege zu meiner Abſicht dachte, ein
anderes artiges kleines Puͤpchen aufgeſtoßen und
meine Gedanken auf ſich gerichtet.
Alle drey ſchlugen hieruͤber zugleich ihre Haͤn-
de und Augen in die Hoͤhe. Jch bemerkte aber,
daß die Maͤgdchen, ob ſie gleich wider mich aus-
riefen, doch uͤber dieſe freye Sprache nicht ſo zor-
nig waren, als ich meine Geliebte, ſelbſt bey ſo
verſteckten und dunkeln Winken, daß ich mich
uͤber ihre geſchwinde Einſicht gewundert, befun-
den habe.
Jch bezeugte gegen Charlotte, daß, ſo ernſt-
haft ſie auch in ihrem laͤchelnden Unwillen bey
dieſer Erklaͤrung gern ſeyn wollte, ich dennoch
verſichert waͤre, es wuͤrde mich nicht uͤber zween
oder drey Kunſtgriffe gekoſtet haben; denn nie-
mand bewunderte eine gute Erfindung mehr, als
ſie: wofern ich ihr Gewiſſen nur von dem be-
ſchwer-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/188>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.