Herr Hickmann sollte Jhnen aufwarten: al- lein ich besorge, daß alle seine Bewegungen, und auch meine eigne, von dem verfluchten Böse- wicht bewachet werden; wie ich in der That des- selben Bewegungen von einem meiner Unterhänd- ler bewachen lasse. Denn ich gestehe, ich fürch- te mich, da ich nunmehr weiß, daß er meine heftigen Briefe gegen ihn aufgefangen hat, so sehr vor seinen Ränken und vor seiner Rache, daß er mir so wohl in allen Träumen vorkommt, als beym Wachen die Ursache aller meiner Furcht ist.
Meine Mutter hat mir eben, auf mein ernst- liches und kühnes Anhalten, die Erlaubniß ge- geben, an Sie zu schreiben und Jhre Briefe anzunehmen. - - Aber sie hat die Erlaubniß an diese Bedingung gebunden, daß Jhre Briefe unter einem Umschlag an Herr Hickmann gehen müssen; vermuthlich mit einer Absicht, ihn bey mir geltend zu machen: und an diese fernere Be- dingung, daß sie alles sehen soll, was wir schrei- ben - - "Wenn die Mägdchen", hat sie gegen jemand gesagt, der es mir wieder erzählet hat, "sich etwas in den Kopf gesetzet haben: so ist es "besser für eine Mutter, wo möglich, selbst von "ihrer Partey zu seyn, als sich ihnen zu widerse- "tzen; indem alsdenn Hoffnung seyn wird, daß "sie noch den Zaum in ihren eignen Händen be- "halten werde".
Haben Sie die Gewogenheit, mir zu mel- den, was es für Leute sind, bey denen Sie woh-
nen
Herr Hickmann ſollte Jhnen aufwarten: al- lein ich beſorge, daß alle ſeine Bewegungen, und auch meine eigne, von dem verfluchten Boͤſe- wicht bewachet werden; wie ich in der That deſ- ſelben Bewegungen von einem meiner Unterhaͤnd- ler bewachen laſſe. Denn ich geſtehe, ich fuͤrch- te mich, da ich nunmehr weiß, daß er meine heftigen Briefe gegen ihn aufgefangen hat, ſo ſehr vor ſeinen Raͤnken und vor ſeiner Rache, daß er mir ſo wohl in allen Traͤumen vorkommt, als beym Wachen die Urſache aller meiner Furcht iſt.
Meine Mutter hat mir eben, auf mein ernſt- liches und kuͤhnes Anhalten, die Erlaubniß ge- geben, an Sie zu ſchreiben und Jhre Briefe anzunehmen. ‒ ‒ Aber ſie hat die Erlaubniß an dieſe Bedingung gebunden, daß Jhre Briefe unter einem Umſchlag an Herr Hickmann gehen muͤſſen; vermuthlich mit einer Abſicht, ihn bey mir geltend zu machen: und an dieſe fernere Be- dingung, daß ſie alles ſehen ſoll, was wir ſchrei- ben ‒ ‒ „Wenn die Maͤgdchen“, hat ſie gegen jemand geſagt, der es mir wieder erzaͤhlet hat, „ſich etwas in den Kopf geſetzet haben: ſo iſt es „beſſer fuͤr eine Mutter, wo moͤglich, ſelbſt von „ihrer Partey zu ſeyn, als ſich ihnen zu widerſe- „tzen; indem alsdenn Hoffnung ſeyn wird, daß „ſie noch den Zaum in ihren eignen Haͤnden be- „halten werde“.
Haben Sie die Gewogenheit, mir zu mel- den, was es fuͤr Leute ſind, bey denen Sie woh-
nen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0177"n="171"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Herr Hickmann ſollte Jhnen aufwarten: al-<lb/>
lein ich beſorge, daß alle ſeine Bewegungen, und<lb/>
auch meine eigne, von dem verfluchten Boͤſe-<lb/>
wicht bewachet werden; wie ich in der That deſ-<lb/>ſelben Bewegungen von einem meiner Unterhaͤnd-<lb/>
ler bewachen laſſe. Denn ich geſtehe, ich fuͤrch-<lb/>
te mich, da ich nunmehr weiß, daß er meine<lb/>
heftigen Briefe gegen ihn aufgefangen hat, ſo ſehr<lb/>
vor ſeinen Raͤnken und vor ſeiner Rache, daß<lb/>
er mir ſo wohl in allen Traͤumen vorkommt, als<lb/>
beym Wachen die Urſache aller meiner Furcht iſt.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Meine Mutter hat mir eben, auf mein ernſt-<lb/>
liches und kuͤhnes Anhalten, die Erlaubniß ge-<lb/>
geben, an Sie zu ſchreiben und Jhre Briefe<lb/>
anzunehmen. ‒‒ Aber ſie hat die Erlaubniß an<lb/>
dieſe Bedingung gebunden, daß Jhre Briefe<lb/>
unter einem Umſchlag an Herr Hickmann gehen<lb/>
muͤſſen; vermuthlich mit einer Abſicht, ihn bey<lb/>
mir geltend zu machen: und an dieſe fernere Be-<lb/>
dingung, daß ſie alles ſehen ſoll, was wir ſchrei-<lb/>
ben ‒‒„Wenn die Maͤgdchen“, hat ſie gegen<lb/>
jemand geſagt, der es mir wieder erzaͤhlet hat,<lb/>„ſich etwas in den Kopf geſetzet haben: ſo iſt es<lb/>„beſſer fuͤr eine Mutter, wo moͤglich, ſelbſt von<lb/>„ihrer Partey zu ſeyn, als ſich ihnen zu widerſe-<lb/>„tzen; indem alsdenn Hoffnung ſeyn wird, daß<lb/>„ſie noch den Zaum in ihren eignen Haͤnden be-<lb/>„halten werde“.</p><lb/><p>Haben Sie die Gewogenheit, mir zu mel-<lb/>
den, was es fuͤr Leute ſind, bey denen Sie woh-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[171/0177]
Herr Hickmann ſollte Jhnen aufwarten: al-
lein ich beſorge, daß alle ſeine Bewegungen, und
auch meine eigne, von dem verfluchten Boͤſe-
wicht bewachet werden; wie ich in der That deſ-
ſelben Bewegungen von einem meiner Unterhaͤnd-
ler bewachen laſſe. Denn ich geſtehe, ich fuͤrch-
te mich, da ich nunmehr weiß, daß er meine
heftigen Briefe gegen ihn aufgefangen hat, ſo ſehr
vor ſeinen Raͤnken und vor ſeiner Rache, daß
er mir ſo wohl in allen Traͤumen vorkommt, als
beym Wachen die Urſache aller meiner Furcht iſt.
Meine Mutter hat mir eben, auf mein ernſt-
liches und kuͤhnes Anhalten, die Erlaubniß ge-
geben, an Sie zu ſchreiben und Jhre Briefe
anzunehmen. ‒ ‒ Aber ſie hat die Erlaubniß an
dieſe Bedingung gebunden, daß Jhre Briefe
unter einem Umſchlag an Herr Hickmann gehen
muͤſſen; vermuthlich mit einer Abſicht, ihn bey
mir geltend zu machen: und an dieſe fernere Be-
dingung, daß ſie alles ſehen ſoll, was wir ſchrei-
ben ‒ ‒ „Wenn die Maͤgdchen“, hat ſie gegen
jemand geſagt, der es mir wieder erzaͤhlet hat,
„ſich etwas in den Kopf geſetzet haben: ſo iſt es
„beſſer fuͤr eine Mutter, wo moͤglich, ſelbſt von
„ihrer Partey zu ſeyn, als ſich ihnen zu widerſe-
„tzen; indem alsdenn Hoffnung ſeyn wird, daß
„ſie noch den Zaum in ihren eignen Haͤnden be-
„halten werde“.
Haben Sie die Gewogenheit, mir zu mel-
den, was es fuͤr Leute ſind, bey denen Sie woh-
nen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/177>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.