Der drey und zwanzigste Brief von Fräulein Howe an Fräulein Clarissa Harlowe.
Sonntags, den 9ten Jul.
Odaß der Himmel doch seine Rache über den verruchtesten und verderbtesten Kerl auf die merklichste Art, vor den Augen aller Welt, se- hen lassen möchte! - - Jch zweifle nicht, er wird es zu seiner Zeit thun - - Und wir müs- sen, zur Belohnung unsers Leidens, auf eine Welt nach dieser hinausschauen! -
Noch eine ärgerliche Entdeckung! - - Wie sind Sie hinter das Licht geführet worden! - - Jch habe Sie für recht wachsam, für recht scharf- sichtig gehalten: - - aber, leyder! für den scheus- lichen Betrüger, mit dem Sie zu thun gehabt haben, sind Sie nicht wachsam, nicht scharfsich- tig genug gewesen! - -
Der Brief, den Sie, als den meinigen vom 7ten Jun. an mich eingeschlossen übersandt haben, ist betrüglich geschmiedet und untergeschoben (*). Die Hand, in der That, ist der meinigen bis zum Erstaunen ähnlich; und der Umschlag, sehe ich, ist wirklich mein Umschlag: dennoch ist die Nach- ahmung in dem Briefe nicht so genau und voll- kommen, daß Sie, die meine Hand so wohl ken-
nen,
(*) Siehe den V. Th. S. 358. u. f.
Der drey und zwanzigſte Brief von Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Sonntags, den 9ten Jul.
Odaß der Himmel doch ſeine Rache uͤber den verruchteſten und verderbteſten Kerl auf die merklichſte Art, vor den Augen aller Welt, ſe- hen laſſen moͤchte! ‒ ‒ Jch zweifle nicht, er wird es zu ſeiner Zeit thun ‒ ‒ Und wir muͤſ- ſen, zur Belohnung unſers Leidens, auf eine Welt nach dieſer hinausſchauen! ‒
Noch eine aͤrgerliche Entdeckung! ‒ ‒ Wie ſind Sie hinter das Licht gefuͤhret worden! ‒ ‒ Jch habe Sie fuͤr recht wachſam, fuͤr recht ſcharf- ſichtig gehalten: ‒ ‒ aber, leyder! fuͤr den ſcheus- lichen Betruͤger, mit dem Sie zu thun gehabt haben, ſind Sie nicht wachſam, nicht ſcharfſich- tig genug geweſen! ‒ ‒
Der Brief, den Sie, als den meinigen vom 7ten Jun. an mich eingeſchloſſen uͤberſandt haben, iſt betruͤglich geſchmiedet und untergeſchoben (*). Die Hand, in der That, iſt der meinigen bis zum Erſtaunen aͤhnlich; und der Umſchlag, ſehe ich, iſt wirklich mein Umſchlag: dennoch iſt die Nach- ahmung in dem Briefe nicht ſo genau und voll- kommen, daß Sie, die meine Hand ſo wohl ken-
nen,
(*) Siehe den V. Th. S. 358. u. f.
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Der drey und zwanzigſte Brief
von
Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa
Harlowe.
Sonntags, den 9ten Jul.
Odaß der Himmel doch ſeine Rache uͤber den
verruchteſten und verderbteſten Kerl auf die
merklichſte Art, vor den Augen aller Welt, ſe-
hen laſſen moͤchte! ‒ ‒ Jch zweifle nicht, er
wird es zu ſeiner Zeit thun ‒ ‒ Und wir muͤſ-
ſen, zur Belohnung unſers Leidens, auf eine Welt
nach dieſer hinausſchauen! ‒
Noch eine aͤrgerliche Entdeckung! ‒ ‒ Wie
ſind Sie hinter das Licht gefuͤhret worden! ‒ ‒
Jch habe Sie fuͤr recht wachſam, fuͤr recht ſcharf-
ſichtig gehalten: ‒ ‒ aber, leyder! fuͤr den ſcheus-
lichen Betruͤger, mit dem Sie zu thun gehabt
haben, ſind Sie nicht wachſam, nicht ſcharfſich-
tig genug geweſen! ‒ ‒
Der Brief, den Sie, als den meinigen vom
7ten Jun. an mich eingeſchloſſen uͤberſandt haben,
iſt betruͤglich geſchmiedet und untergeſchoben (*).
Die Hand, in der That, iſt der meinigen bis zum
Erſtaunen aͤhnlich; und der Umſchlag, ſehe ich,
iſt wirklich mein Umſchlag: dennoch iſt die Nach-
ahmung in dem Briefe nicht ſo genau und voll-
kommen, daß Sie, die meine Hand ſo wohl ken-
nen,
(*) Siehe den V. Th. S. 358. u. f.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/154>, abgerufen am 24.11.2024.
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