Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Die vermeynte Lady fuhr fort, und sagte,
sie hätte sich die Mühe genommen, von den Leu-
ten Erkundigung einzuziehen, da sie gehöret,
daß ich das Haus mis vergnügt verlassen hätte.
Nun wäre ihr zwar nichts sehr übels, aber doch
genug zur Nachricht geworden, daß sie sich
wundern könnte, daß er den Schluß gefaßt, sei
ne Braut, eine Person von so sehr zärtlicher Ge-
müthsart, in ein Haus zu bringen, welches, wo
nicht einen bösen, doch auch keinen guten Rus
hätte.

Sie müssen nothwendig gedenken, werthe
Freundinn, daß mir die falsche Lady Elisabeth
hierüber noch besser gefallen habe. Jch vermu-
the, daß eben diese Absicht dabey gewesen sey.

Es machte ihn bestürzt, sagte er, daß die
Lady von den Leuten etwas Böses gehört haben
sollte. Er hätte noch niemals gehört, daß sie ei-
nen solchen Ruf verdienten. Es wäre freylich
leicht zu sehen, daß sie eben nicht von sehr zärtli-
cher Gemüthsart wären: jedoch wären sie auch
nicht ganz ohne Bedenklichkeit. Die Beschaf-
fenheit der Mittel, wodurch sie ihren Unterhalt
suchen müßten, da sie Zimmer vermietheten, und
Kostgänger hielten, veranlassete sie, sich eines
freyen und gefälligen Bezeigens zu befleißigen:
und gleichwohl hätte er vernommen, daß sie sich

viel
den, damit sie sich bereden ließe, wieder dahin
zurück zu kehren, wenn es auch nur unter dem
Vorwand geschehen möchte, daß sie ihre Kleider
nach Hampstead bringen ließe.


Die vermeynte Lady fuhr fort, und ſagte,
ſie haͤtte ſich die Muͤhe genommen, von den Leu-
ten Erkundigung einzuziehen, da ſie gehoͤret,
daß ich das Haus mis vergnuͤgt verlaſſen haͤtte.
Nun waͤre ihr zwar nichts ſehr uͤbels, aber doch
genug zur Nachricht geworden, daß ſie ſich
wundern koͤnnte, daß er den Schluß gefaßt, ſei
ne Braut, eine Perſon von ſo ſehr zaͤrtlicher Ge-
muͤthsart, in ein Haus zu bringen, welches, wo
nicht einen boͤſen, doch auch keinen guten Ruſ
haͤtte.

Sie muͤſſen nothwendig gedenken, werthe
Freundinn, daß mir die falſche Lady Eliſabeth
hieruͤber noch beſſer gefallen habe. Jch vermu-
the, daß eben dieſe Abſicht dabey geweſen ſey.

Es machte ihn beſtuͤrzt, ſagte er, daß die
Lady von den Leuten etwas Boͤſes gehoͤrt haben
ſollte. Er haͤtte noch niemals gehoͤrt, daß ſie ei-
nen ſolchen Ruf verdienten. Es waͤre freylich
leicht zu ſehen, daß ſie eben nicht von ſehr zaͤrtli-
cher Gemuͤthsart waͤren: jedoch waͤren ſie auch
nicht ganz ohne Bedenklichkeit. Die Beſchaf-
fenheit der Mittel, wodurch ſie ihren Unterhalt
ſuchen muͤßten, da ſie Zimmer vermietheten, und
Koſtgaͤnger hielten, veranlaſſete ſie, ſich eines
freyen und gefaͤlligen Bezeigens zu befleißigen:
und gleichwohl haͤtte er vernommen, daß ſie ſich

viel
den, damit ſie ſich bereden ließe, wieder dahin
zuruͤck zu kehren, wenn es auch nur unter dem
Vorwand geſchehen moͤchte, daß ſie ihre Kleider
nach Hampſtead bringen ließe.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0118" n="112"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Die vermeynte Lady fuhr fort, und &#x017F;agte,<lb/>
&#x017F;ie ha&#x0364;tte &#x017F;ich die Mu&#x0364;he genommen, von den Leu-<lb/>
ten Erkundigung einzuziehen, da &#x017F;ie geho&#x0364;ret,<lb/>
daß ich das Haus mis vergnu&#x0364;gt verla&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tte.<lb/>
Nun wa&#x0364;re ihr zwar nichts &#x017F;ehr u&#x0364;bels, aber doch<lb/>
genug zur Nachricht geworden, daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
wundern ko&#x0364;nnte, daß er den Schluß gefaßt, &#x017F;ei<lb/>
ne Braut, eine Per&#x017F;on von &#x017F;o &#x017F;ehr za&#x0364;rtlicher Ge-<lb/>
mu&#x0364;thsart, in ein Haus zu bringen, welches, wo<lb/>
nicht einen <hi rendition="#fr">bo&#x0364;&#x017F;en,</hi> doch auch keinen <hi rendition="#fr">guten</hi> Ru&#x017F;<lb/>
ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en nothwendig gedenken, werthe<lb/>
Freundinn, daß mir die fal&#x017F;che Lady Eli&#x017F;abeth<lb/>
hieru&#x0364;ber noch be&#x017F;&#x017F;er gefallen habe. Jch vermu-<lb/>
the, daß eben die&#x017F;e Ab&#x017F;icht dabey gewe&#x017F;en &#x017F;ey.</p><lb/>
          <p>Es machte ihn be&#x017F;tu&#x0364;rzt, &#x017F;agte er, daß die<lb/>
Lady von den Leuten etwas Bo&#x0364;&#x017F;es geho&#x0364;rt haben<lb/>
&#x017F;ollte. Er ha&#x0364;tte noch niemals geho&#x0364;rt, daß &#x017F;ie ei-<lb/>
nen &#x017F;olchen Ruf verdienten. Es wa&#x0364;re freylich<lb/>
leicht zu &#x017F;ehen, daß &#x017F;ie eben nicht von &#x017F;ehr za&#x0364;rtli-<lb/>
cher Gemu&#x0364;thsart wa&#x0364;ren: jedoch wa&#x0364;ren &#x017F;ie auch<lb/>
nicht ganz ohne Bedenklichkeit. Die Be&#x017F;chaf-<lb/>
fenheit der Mittel, wodurch &#x017F;ie ihren Unterhalt<lb/>
&#x017F;uchen mu&#x0364;ßten, da &#x017F;ie Zimmer vermietheten, und<lb/>
Ko&#x017F;tga&#x0364;nger hielten, veranla&#x017F;&#x017F;ete &#x017F;ie, &#x017F;ich eines<lb/>
freyen und gefa&#x0364;lligen Bezeigens zu befleißigen:<lb/>
und gleichwohl ha&#x0364;tte er vernommen, daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">viel</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_2_2" prev="#seg2pn_2_1" place="foot" n="(*)">den, damit &#x017F;ie &#x017F;ich bereden ließe, wieder dahin<lb/>
zuru&#x0364;ck zu kehren, wenn es auch nur unter dem<lb/>
Vorwand ge&#x017F;chehen mo&#x0364;chte, daß &#x017F;ie ihre Kleider<lb/>
nach Hamp&#x017F;tead bringen ließe.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0118] Die vermeynte Lady fuhr fort, und ſagte, ſie haͤtte ſich die Muͤhe genommen, von den Leu- ten Erkundigung einzuziehen, da ſie gehoͤret, daß ich das Haus mis vergnuͤgt verlaſſen haͤtte. Nun waͤre ihr zwar nichts ſehr uͤbels, aber doch genug zur Nachricht geworden, daß ſie ſich wundern koͤnnte, daß er den Schluß gefaßt, ſei ne Braut, eine Perſon von ſo ſehr zaͤrtlicher Ge- muͤthsart, in ein Haus zu bringen, welches, wo nicht einen boͤſen, doch auch keinen guten Ruſ haͤtte. Sie muͤſſen nothwendig gedenken, werthe Freundinn, daß mir die falſche Lady Eliſabeth hieruͤber noch beſſer gefallen habe. Jch vermu- the, daß eben dieſe Abſicht dabey geweſen ſey. Es machte ihn beſtuͤrzt, ſagte er, daß die Lady von den Leuten etwas Boͤſes gehoͤrt haben ſollte. Er haͤtte noch niemals gehoͤrt, daß ſie ei- nen ſolchen Ruf verdienten. Es waͤre freylich leicht zu ſehen, daß ſie eben nicht von ſehr zaͤrtli- cher Gemuͤthsart waͤren: jedoch waͤren ſie auch nicht ganz ohne Bedenklichkeit. Die Beſchaf- fenheit der Mittel, wodurch ſie ihren Unterhalt ſuchen muͤßten, da ſie Zimmer vermietheten, und Koſtgaͤnger hielten, veranlaſſete ſie, ſich eines freyen und gefaͤlligen Bezeigens zu befleißigen: und gleichwohl haͤtte er vernommen, daß ſie ſich viel (*) (*) den, damit ſie ſich bereden ließe, wieder dahin zuruͤck zu kehren, wenn es auch nur unter dem Vorwand geſchehen moͤchte, daß ſie ihre Kleider nach Hampſtead bringen ließe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/118
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/118>, abgerufen am 25.11.2024.