Die vermeynte Lady fuhr fort, und sagte, sie hätte sich die Mühe genommen, von den Leu- ten Erkundigung einzuziehen, da sie gehöret, daß ich das Haus mis vergnügt verlassen hätte. Nun wäre ihr zwar nichts sehr übels, aber doch genug zur Nachricht geworden, daß sie sich wundern könnte, daß er den Schluß gefaßt, sei ne Braut, eine Person von so sehr zärtlicher Ge- müthsart, in ein Haus zu bringen, welches, wo nicht einen bösen, doch auch keinen guten Rus hätte.
Sie müssen nothwendig gedenken, werthe Freundinn, daß mir die falsche Lady Elisabeth hierüber noch besser gefallen habe. Jch vermu- the, daß eben diese Absicht dabey gewesen sey.
Es machte ihn bestürzt, sagte er, daß die Lady von den Leuten etwas Böses gehört haben sollte. Er hätte noch niemals gehört, daß sie ei- nen solchen Ruf verdienten. Es wäre freylich leicht zu sehen, daß sie eben nicht von sehr zärtli- cher Gemüthsart wären: jedoch wären sie auch nicht ganz ohne Bedenklichkeit. Die Beschaf- fenheit der Mittel, wodurch sie ihren Unterhalt suchen müßten, da sie Zimmer vermietheten, und Kostgänger hielten, veranlassete sie, sich eines freyen und gefälligen Bezeigens zu befleißigen: und gleichwohl hätte er vernommen, daß sie sich
viel
den, damit sie sich bereden ließe, wieder dahin zurück zu kehren, wenn es auch nur unter dem Vorwand geschehen möchte, daß sie ihre Kleider nach Hampstead bringen ließe.
Die vermeynte Lady fuhr fort, und ſagte, ſie haͤtte ſich die Muͤhe genommen, von den Leu- ten Erkundigung einzuziehen, da ſie gehoͤret, daß ich das Haus mis vergnuͤgt verlaſſen haͤtte. Nun waͤre ihr zwar nichts ſehr uͤbels, aber doch genug zur Nachricht geworden, daß ſie ſich wundern koͤnnte, daß er den Schluß gefaßt, ſei ne Braut, eine Perſon von ſo ſehr zaͤrtlicher Ge- muͤthsart, in ein Haus zu bringen, welches, wo nicht einen boͤſen, doch auch keinen guten Ruſ haͤtte.
Sie muͤſſen nothwendig gedenken, werthe Freundinn, daß mir die falſche Lady Eliſabeth hieruͤber noch beſſer gefallen habe. Jch vermu- the, daß eben dieſe Abſicht dabey geweſen ſey.
Es machte ihn beſtuͤrzt, ſagte er, daß die Lady von den Leuten etwas Boͤſes gehoͤrt haben ſollte. Er haͤtte noch niemals gehoͤrt, daß ſie ei- nen ſolchen Ruf verdienten. Es waͤre freylich leicht zu ſehen, daß ſie eben nicht von ſehr zaͤrtli- cher Gemuͤthsart waͤren: jedoch waͤren ſie auch nicht ganz ohne Bedenklichkeit. Die Beſchaf- fenheit der Mittel, wodurch ſie ihren Unterhalt ſuchen muͤßten, da ſie Zimmer vermietheten, und Koſtgaͤnger hielten, veranlaſſete ſie, ſich eines freyen und gefaͤlligen Bezeigens zu befleißigen: und gleichwohl haͤtte er vernommen, daß ſie ſich
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den, damit ſie ſich bereden ließe, wieder dahin zuruͤck zu kehren, wenn es auch nur unter dem Vorwand geſchehen moͤchte, daß ſie ihre Kleider nach Hampſtead bringen ließe.
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Die vermeynte Lady fuhr fort, und ſagte,
ſie haͤtte ſich die Muͤhe genommen, von den Leu-
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daß ich das Haus mis vergnuͤgt verlaſſen haͤtte.
Nun waͤre ihr zwar nichts ſehr uͤbels, aber doch
genug zur Nachricht geworden, daß ſie ſich
wundern koͤnnte, daß er den Schluß gefaßt, ſei
ne Braut, eine Perſon von ſo ſehr zaͤrtlicher Ge-
muͤthsart, in ein Haus zu bringen, welches, wo
nicht einen boͤſen, doch auch keinen guten Ruſ
haͤtte.
Sie muͤſſen nothwendig gedenken, werthe
Freundinn, daß mir die falſche Lady Eliſabeth
hieruͤber noch beſſer gefallen habe. Jch vermu-
the, daß eben dieſe Abſicht dabey geweſen ſey.
Es machte ihn beſtuͤrzt, ſagte er, daß die
Lady von den Leuten etwas Boͤſes gehoͤrt haben
ſollte. Er haͤtte noch niemals gehoͤrt, daß ſie ei-
nen ſolchen Ruf verdienten. Es waͤre freylich
leicht zu ſehen, daß ſie eben nicht von ſehr zaͤrtli-
cher Gemuͤthsart waͤren: jedoch waͤren ſie auch
nicht ganz ohne Bedenklichkeit. Die Beſchaf-
fenheit der Mittel, wodurch ſie ihren Unterhalt
ſuchen muͤßten, da ſie Zimmer vermietheten, und
Koſtgaͤnger hielten, veranlaſſete ſie, ſich eines
freyen und gefaͤlligen Bezeigens zu befleißigen:
und gleichwohl haͤtte er vernommen, daß ſie ſich
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(*) den, damit ſie ſich bereden ließe, wieder dahin
zuruͤck zu kehren, wenn es auch nur unter dem
Vorwand geſchehen moͤchte, daß ſie ihre Kleider
nach Hampſtead bringen ließe.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/118>, abgerufen am 25.11.2024.
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