Frauenzimmer nicht so, das Schutz, nicht Be- schimpfung, fordern kann.
Gut, meine Fräulein, ich sehe, wie sie mir ihr Wort halten. Wenn ein plötzlicher Trieb, die Wirkung eines unerwarteten Zufalls, nicht vergeben werden kann - -
O! wie schwer drücket eines Vaters Fluch, der so genau nach dem Buchstaben, so augen- scheinlich erfüllt werden soll!
Hiemit verlohr sich die Sprache und ward ein unvernehmlich Gemurmel. Jch sahe durch das Schlüsselloch und sahe sie auf ihren Knien, ihr Gesicht, ob gleich von mir weggewandt, so wohl als ihre Hände aufgehoben, und diese ge- falten. Wie ich vermuthe, betete sie, daß der Fluch dieses finstern Tyrannen abgewandt werden möchte.
Jch konnte nicht anders als gerühret werden.
Mein werthestes Leben, lassen sie mich doch nur auf zwo Minuten vor sich, und bestätigen die zugesagte Vergebung. Der Blitz mag mich auf der Stelle rühren: wofern ich etwas anders, als meine Reue, zu einem so geheiligten Gefäße bringe! Jch will sie hiernächst den ganzen Tag und bis morgen frühe alleine lassen. Alsdenn will ich ihnen mit den Schriften, die alle zur Unterzeichnung fertig sind, mit einem ausgewirk- ten Trauschein, oder wenn ich das nicht kann, mit einem Prediger ohne denselben, meine Auf- wartung machen. Dieß glauben sie mir nur ein-
mal
Frauenzimmer nicht ſo, das Schutz, nicht Be- ſchimpfung, fordern kann.
Gut, meine Fraͤulein, ich ſehe, wie ſie mir ihr Wort halten. Wenn ein ploͤtzlicher Trieb, die Wirkung eines unerwarteten Zufalls, nicht vergeben werden kann ‒ ‒
O! wie ſchwer druͤcket eines Vaters Fluch, der ſo genau nach dem Buchſtaben, ſo augen- ſcheinlich erfuͤllt werden ſoll!
Hiemit verlohr ſich die Sprache und ward ein unvernehmlich Gemurmel. Jch ſahe durch das Schluͤſſelloch und ſahe ſie auf ihren Knien, ihr Geſicht, ob gleich von mir weggewandt, ſo wohl als ihre Haͤnde aufgehoben, und dieſe ge- falten. Wie ich vermuthe, betete ſie, daß der Fluch dieſes finſtern Tyrannen abgewandt werden moͤchte.
Jch konnte nicht anders als geruͤhret werden.
Mein wertheſtes Leben, laſſen ſie mich doch nur auf zwo Minuten vor ſich, und beſtaͤtigen die zugeſagte Vergebung. Der Blitz mag mich auf der Stelle ruͤhren: wofern ich etwas anders, als meine Reue, zu einem ſo geheiligten Gefaͤße bringe! Jch will ſie hiernaͤchſt den ganzen Tag und bis morgen fruͤhe alleine laſſen. Alsdenn will ich ihnen mit den Schriften, die alle zur Unterzeichnung fertig ſind, mit einem ausgewirk- ten Trauſchein, oder wenn ich das nicht kann, mit einem Prediger ohne denſelben, meine Auf- wartung machen. Dieß glauben ſie mir nur ein-
mal
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Frauenzimmer nicht ſo, das Schutz, nicht Be-
ſchimpfung, fordern kann.
Gut, meine Fraͤulein, ich ſehe, wie ſie mir
ihr Wort halten. Wenn ein ploͤtzlicher Trieb,
die Wirkung eines unerwarteten Zufalls, nicht
vergeben werden kann ‒ ‒
O! wie ſchwer druͤcket eines Vaters Fluch,
der ſo genau nach dem Buchſtaben, ſo augen-
ſcheinlich erfuͤllt werden ſoll!
Hiemit verlohr ſich die Sprache und ward
ein unvernehmlich Gemurmel. Jch ſahe durch
das Schluͤſſelloch und ſahe ſie auf ihren Knien,
ihr Geſicht, ob gleich von mir weggewandt, ſo
wohl als ihre Haͤnde aufgehoben, und dieſe ge-
falten. Wie ich vermuthe, betete ſie, daß der
Fluch dieſes finſtern Tyrannen abgewandt werden
moͤchte.
Jch konnte nicht anders als geruͤhret
werden.
Mein wertheſtes Leben, laſſen ſie mich doch
nur auf zwo Minuten vor ſich, und beſtaͤtigen
die zugeſagte Vergebung. Der Blitz mag mich
auf der Stelle ruͤhren: wofern ich etwas anders,
als meine Reue, zu einem ſo geheiligten Gefaͤße
bringe! Jch will ſie hiernaͤchſt den ganzen Tag
und bis morgen fruͤhe alleine laſſen. Alsdenn
will ich ihnen mit den Schriften, die alle zur
Unterzeichnung fertig ſind, mit einem ausgewirk-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/98>, abgerufen am 04.12.2024.
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