be es. Denn; daß wir uns auch einmal einen ernsthaften Gedanken gestatten, da wir doch nicht Gottesverleugner sind, ausgenommen in der Le- bensart; braucht Gott, das höchste Wesen unter allen, irgend etwas von uns für Sich selbst? Und befiehlet er uns nicht Werke der Barmherzigkeit gegen einander, als die Mittel, Seine Barmherzigkeit zu erlangen? Eine er- habene Vorschrift, und die dem höchsten Ober- aufseher und Vater aller Dinge vollkommen anständig ist! - - Aber wenn wir nach dieser edlen Vorschrift gerichtet werden sollen: wie groß muß, in Wahrheit, deine Verdammniß, nur allein in Absicht auf diese Fräulein, seyn! Wie groß die Meinige, und wie groß die Verdamm- niß unserer ganzen Brüderschaft in Absicht auf andere Weibspersonen: ob gleich keiner von uns halb so arg ist, als du bist; so wohl weil es uns an Neigung dazu, wie ich hoffe, als weil es uns an Gelegenheit fehlet!
Jch muß noch dieses beyfügen, daß ich, nicht nur um der Fräulein, sondern auch um dein selbst willen, wünsche, ihr möchtet noch mit ein- ander verheyrathet werden. Dieß ist das einzi- ge Mittel, welches man finden kann, euer beyder Ehre zu retten. Alles, was vorgegangen ist, kann noch vor der Welt und ihren Anverwandten ver- borgen bleiben: und du kannst ihr alles Leiden ersetzen, wenn du dich entschließest, ein zärtlicher und gütiger Mann gegen sie zu seyn.
Wo
be es. Denn; daß wir uns auch einmal einen ernſthaften Gedanken geſtatten, da wir doch nicht Gottesverleugner ſind, ausgenommen in der Le- bensart; braucht Gott, das hoͤchſte Weſen unter allen, irgend etwas von uns fuͤr Sich ſelbſt? Und befiehlet er uns nicht Werke der Barmherzigkeit gegen einander, als die Mittel, Seine Barmherzigkeit zu erlangen? Eine er- habene Vorſchrift, und die dem hoͤchſten Ober- aufſeher und Vater aller Dinge vollkommen anſtaͤndig iſt! ‒ ‒ Aber wenn wir nach dieſer edlen Vorſchrift gerichtet werden ſollen: wie groß muß, in Wahrheit, deine Verdammniß, nur allein in Abſicht auf dieſe Fraͤulein, ſeyn! Wie groß die Meinige, und wie groß die Verdamm- niß unſerer ganzen Bruͤderſchaft in Abſicht auf andere Weibsperſonen: ob gleich keiner von uns halb ſo arg iſt, als du biſt; ſo wohl weil es uns an Neigung dazu, wie ich hoffe, als weil es uns an Gelegenheit fehlet!
Jch muß noch dieſes beyfuͤgen, daß ich, nicht nur um der Fraͤulein, ſondern auch um dein ſelbſt willen, wuͤnſche, ihr moͤchtet noch mit ein- ander verheyrathet werden. Dieß iſt das einzi- ge Mittel, welches man finden kann, euer beyder Ehre zu retten. Alles, was vorgegangen iſt, kann noch vor der Welt und ihren Anverwandten ver- borgen bleiben: und du kannſt ihr alles Leiden erſetzen, wenn du dich entſchließeſt, ein zaͤrtlicher und guͤtiger Mann gegen ſie zu ſeyn.
Wo
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be es. Denn; daß wir uns auch einmal einen
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Gottesverleugner ſind, ausgenommen in der Le-
bensart; braucht Gott, das hoͤchſte Weſen
unter allen, irgend etwas von uns fuͤr Sich
ſelbſt? Und befiehlet er uns nicht Werke der
Barmherzigkeit gegen einander, als die Mittel,
Seine Barmherzigkeit zu erlangen? Eine er-
habene Vorſchrift, und die dem hoͤchſten Ober-
aufſeher und Vater aller Dinge vollkommen
anſtaͤndig iſt! ‒ ‒ Aber wenn wir nach dieſer
edlen Vorſchrift gerichtet werden ſollen: wie groß
muß, in Wahrheit, deine Verdammniß, nur
allein in Abſicht auf dieſe Fraͤulein, ſeyn! Wie
groß die Meinige, und wie groß die Verdamm-
niß unſerer ganzen Bruͤderſchaft in Abſicht auf
andere Weibsperſonen: ob gleich keiner von uns
halb ſo arg iſt, als du biſt; ſo wohl weil es uns
an Neigung dazu, wie ich hoffe, als weil es uns
an Gelegenheit fehlet!
Jch muß noch dieſes beyfuͤgen, daß ich, nicht
nur um der Fraͤulein, ſondern auch um dein
ſelbſt willen, wuͤnſche, ihr moͤchtet noch mit ein-
ander verheyrathet werden. Dieß iſt das einzi-
ge Mittel, welches man finden kann, euer beyder
Ehre zu retten. Alles, was vorgegangen iſt, kann
noch vor der Welt und ihren Anverwandten ver-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 877. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/883>, abgerufen am 22.11.2024.
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