Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


So stehen sie denn auf, mein Engel, und blei-
ben, was sie sind, und alles was sie zu seyn wün-
schen! Nur sprechen sie mich los und verzeihen
mir alles, was vorgegangen ist; sagen sie mir
nur, daß sie mich ferner mit eben dem günstigen
und freundlichen Auge ansehen wollen, womit ich
einige Tage her beglückt gewesen bin: so will ich
mich meiner geliebten Siegerinn unterwerfen, de-
ren Gewalt niemals so stark, als eben itzo, über
mich gewesen ist, und in mein Zimmer zurück-
gehen.

Gott der Allmächtige, sprach sie, erhöre ihr
Gebet in ihren härtesten Stunden, wie sie meine
Bitte erhöret haben. Und nun überlassen sie
mich, diesen Augenblick überlassen sie mich mei-
ner Betrachtung, daß ich wieder zu mir selbst
komme. Sie werden mich dabey einem Elende
überlassen, das groß genug und weit größer ist,
als sie ihren bittersten Feinden wünschen dürften.

Schreiben sie, meine Allerliebste, nicht alles
einem Vorsatze zu: denn es ist kein Vorsatz ge-
wesen. - -

O Herr Lovelace! - -

Bey meiner Seele, Fräulein, das Feuer war
nicht erdichtet - Und das ist auch wahr, Bru-
der! - Das Haus hätte leicht davon in Rauch
aufgehen können, wie sie morgen vor Augen sehen
und überzeugt seyn werden.

O Herr Lovelace! -

Lassen sie meine große Liebe zu ihnen, Fräu-
lein, und den unerwarteten Anblick von ihnen bey

ihrer
Fünfter Theil. F


So ſtehen ſie denn auf, mein Engel, und blei-
ben, was ſie ſind, und alles was ſie zu ſeyn wuͤn-
ſchen! Nur ſprechen ſie mich los und verzeihen
mir alles, was vorgegangen iſt; ſagen ſie mir
nur, daß ſie mich ferner mit eben dem guͤnſtigen
und freundlichen Auge anſehen wollen, womit ich
einige Tage her begluͤckt geweſen bin: ſo will ich
mich meiner geliebten Siegerinn unterwerfen, de-
ren Gewalt niemals ſo ſtark, als eben itzo, uͤber
mich geweſen iſt, und in mein Zimmer zuruͤck-
gehen.

Gott der Allmaͤchtige, ſprach ſie, erhoͤre ihr
Gebet in ihren haͤrteſten Stunden, wie ſie meine
Bitte erhoͤret haben. Und nun uͤberlaſſen ſie
mich, dieſen Augenblick uͤberlaſſen ſie mich mei-
ner Betrachtung, daß ich wieder zu mir ſelbſt
komme. Sie werden mich dabey einem Elende
uͤberlaſſen, das groß genug und weit groͤßer iſt,
als ſie ihren bitterſten Feinden wuͤnſchen duͤrften.

Schreiben ſie, meine Allerliebſte, nicht alles
einem Vorſatze zu: denn es iſt kein Vorſatz ge-
weſen. ‒ ‒

O Herr Lovelace! ‒ ‒

Bey meiner Seele, Fraͤulein, das Feuer war
nicht erdichtet ‒ Und das iſt auch wahr, Bru-
der! ‒ Das Haus haͤtte leicht davon in Rauch
aufgehen koͤnnen, wie ſie morgen vor Augen ſehen
und uͤberzeugt ſeyn werden.

O Herr Lovelace! ‒

Laſſen ſie meine große Liebe zu ihnen, Fraͤu-
lein, und den unerwarteten Anblick von ihnen bey

ihrer
Fuͤnfter Theil. F
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0087" n="81"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>So &#x017F;tehen &#x017F;ie denn auf, mein Engel, und blei-<lb/>
ben, was &#x017F;ie &#x017F;ind, und alles was &#x017F;ie zu &#x017F;eyn wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;chen! Nur &#x017F;prechen &#x017F;ie mich los und verzeihen<lb/>
mir alles, was vorgegangen i&#x017F;t; &#x017F;agen &#x017F;ie mir<lb/>
nur, daß &#x017F;ie mich ferner mit eben dem gu&#x0364;n&#x017F;tigen<lb/>
und freundlichen Auge an&#x017F;ehen wollen, womit ich<lb/>
einige Tage her beglu&#x0364;ckt gewe&#x017F;en bin: &#x017F;o will ich<lb/>
mich meiner geliebten Siegerinn unterwerfen, de-<lb/>
ren Gewalt niemals &#x017F;o &#x017F;tark, als eben itzo, u&#x0364;ber<lb/>
mich gewe&#x017F;en i&#x017F;t, und in mein Zimmer zuru&#x0364;ck-<lb/>
gehen.</p><lb/>
          <p>Gott der Allma&#x0364;chtige, &#x017F;prach &#x017F;ie, erho&#x0364;re ihr<lb/>
Gebet in ihren ha&#x0364;rte&#x017F;ten Stunden, wie &#x017F;ie meine<lb/>
Bitte erho&#x0364;ret haben. Und nun u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie<lb/>
mich, die&#x017F;en Augenblick u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie mich mei-<lb/>
ner Betrachtung, daß ich wieder zu mir &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
komme. Sie werden mich dabey einem Elende<lb/>
u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, das groß genug und weit gro&#x0364;ßer i&#x017F;t,<lb/>
als &#x017F;ie ihren bitter&#x017F;ten Feinden wu&#x0364;n&#x017F;chen du&#x0364;rften.</p><lb/>
          <p>Schreiben &#x017F;ie, meine Allerlieb&#x017F;te, nicht alles<lb/>
einem Vor&#x017F;atze zu: denn es i&#x017F;t kein Vor&#x017F;atz ge-<lb/>
we&#x017F;en. &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>O Herr Lovelace! &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Bey meiner Seele, Fra&#x0364;ulein, das Feuer war<lb/>
nicht erdichtet &#x2012; Und das i&#x017F;t auch wahr, Bru-<lb/>
der! &#x2012; Das Haus ha&#x0364;tte leicht davon in Rauch<lb/>
aufgehen ko&#x0364;nnen, wie &#x017F;ie morgen vor Augen &#x017F;ehen<lb/>
und u&#x0364;berzeugt &#x017F;eyn werden.</p><lb/>
          <p>O Herr Lovelace! &#x2012;</p><lb/>
          <p>La&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie meine große Liebe zu ihnen, Fra&#x0364;u-<lb/>
lein, und den unerwarteten Anblick von ihnen bey<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Fu&#x0364;nfter Theil.</hi> F</fw><fw place="bottom" type="catch">ihrer</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0087] So ſtehen ſie denn auf, mein Engel, und blei- ben, was ſie ſind, und alles was ſie zu ſeyn wuͤn- ſchen! Nur ſprechen ſie mich los und verzeihen mir alles, was vorgegangen iſt; ſagen ſie mir nur, daß ſie mich ferner mit eben dem guͤnſtigen und freundlichen Auge anſehen wollen, womit ich einige Tage her begluͤckt geweſen bin: ſo will ich mich meiner geliebten Siegerinn unterwerfen, de- ren Gewalt niemals ſo ſtark, als eben itzo, uͤber mich geweſen iſt, und in mein Zimmer zuruͤck- gehen. Gott der Allmaͤchtige, ſprach ſie, erhoͤre ihr Gebet in ihren haͤrteſten Stunden, wie ſie meine Bitte erhoͤret haben. Und nun uͤberlaſſen ſie mich, dieſen Augenblick uͤberlaſſen ſie mich mei- ner Betrachtung, daß ich wieder zu mir ſelbſt komme. Sie werden mich dabey einem Elende uͤberlaſſen, das groß genug und weit groͤßer iſt, als ſie ihren bitterſten Feinden wuͤnſchen duͤrften. Schreiben ſie, meine Allerliebſte, nicht alles einem Vorſatze zu: denn es iſt kein Vorſatz ge- weſen. ‒ ‒ O Herr Lovelace! ‒ ‒ Bey meiner Seele, Fraͤulein, das Feuer war nicht erdichtet ‒ Und das iſt auch wahr, Bru- der! ‒ Das Haus haͤtte leicht davon in Rauch aufgehen koͤnnen, wie ſie morgen vor Augen ſehen und uͤberzeugt ſeyn werden. O Herr Lovelace! ‒ Laſſen ſie meine große Liebe zu ihnen, Fraͤu- lein, und den unerwarteten Anblick von ihnen bey ihrer Fuͤnfter Theil. F

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/87
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/87>, abgerufen am 26.11.2024.