Sie zerriß mir die Manschetten und entzog sich mit erstaunlicher Gewalt und Biegsamkeit meiner glücklichen Hand: da ich sie eben mit mei- nem andern Arm umfassen wollte.
Wahrlich sie sind es! - der ärgste unter den Betrügern - - Helfet! lieben Leute! Sie schrie ach und wehe - - Keine Hülfe für ein armes Frauenzimmer! - -
Bin ich denn ein Betrieger, Fräulein? - - Bin ich denn ein Betrieger, sagen sie? - - Und so schlug ich meine beyden Arme um sie herum. Jch erbot mich, sie zu meinem klopfenden Herzen aufzuheben - -
Ach nein! - Und doch sind sie einer! - - Bald war ich wieder ihr lieber Lovelace! - Jhre Hände waren wiederum über ihre schöne Brust geschlagen. - - Tödten sie mich! tödten sie mich! wenn ich in ihren Augen verhaßt genug bin, diese Begegnung zu verdienen; und ich wer- de es ihnen danken. - - Zu lange, viel zu lan- ge ist mein Leben mir schon eine Last gewesen! - - Oder geben sie mir nur die Mittel, dabey sahe sie wild um sich herum, so will ich sie den Augenblick überzeugen, daß meine Ehre mir lieber ist, als mein Leben.
Dann hieß ich, noch mit gefaltenen Händen und immer neuüberfließenden Augen, ihr herzlie- ber Lovelace. Und sie wollte es mir mit ihrem letzten Odem danken, wenn ich ihr diese Wahl lassen oder sie von fernerer Schmach befreyen wollte.
Jch
Sie zerriß mir die Manſchetten und entzog ſich mit erſtaunlicher Gewalt und Biegſamkeit meiner gluͤcklichen Hand: da ich ſie eben mit mei- nem andern Arm umfaſſen wollte.
Wahrlich ſie ſind es! ‒ der aͤrgſte unter den Betruͤgern ‒ ‒ Helfet! lieben Leute! Sie ſchrie ach und wehe ‒ ‒ Keine Huͤlfe fuͤr ein armes Frauenzimmer! ‒ ‒
Bin ich denn ein Betrieger, Fraͤulein? ‒ ‒ Bin ich denn ein Betrieger, ſagen ſie? ‒ ‒ Und ſo ſchlug ich meine beyden Arme um ſie herum. Jch erbot mich, ſie zu meinem klopfenden Herzen aufzuheben ‒ ‒
Ach nein! ‒ Und doch ſind ſie einer! ‒ ‒ Bald war ich wieder ihr lieber Lovelace! ‒ Jhre Haͤnde waren wiederum uͤber ihre ſchoͤne Bruſt geſchlagen. ‒ ‒ Toͤdten ſie mich! toͤdten ſie mich! wenn ich in ihren Augen verhaßt genug bin, dieſe Begegnung zu verdienen; und ich wer- de es ihnen danken. ‒ ‒ Zu lange, viel zu lan- ge iſt mein Leben mir ſchon eine Laſt geweſen! ‒ ‒ Oder geben ſie mir nur die Mittel, dabey ſahe ſie wild um ſich herum, ſo will ich ſie den Augenblick uͤberzeugen, daß meine Ehre mir lieber iſt, als mein Leben.
Dann hieß ich, noch mit gefaltenen Haͤnden und immer neuuͤberfließenden Augen, ihr herzlie- ber Lovelace. Und ſie wollte es mir mit ihrem letzten Odem danken, wenn ich ihr dieſe Wahl laſſen oder ſie von fernerer Schmach befreyen wollte.
Jch
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Sie zerriß mir die Manſchetten und entzog
ſich mit erſtaunlicher Gewalt und Biegſamkeit
meiner gluͤcklichen Hand: da ich ſie eben mit mei-
nem andern Arm umfaſſen wollte.
Wahrlich ſie ſind es! ‒ der aͤrgſte unter den
Betruͤgern ‒ ‒ Helfet! lieben Leute! Sie ſchrie
ach und wehe ‒ ‒ Keine Huͤlfe fuͤr ein armes
Frauenzimmer! ‒ ‒
Bin ich denn ein Betrieger, Fraͤulein? ‒ ‒
Bin ich denn ein Betrieger, ſagen ſie? ‒ ‒ Und
ſo ſchlug ich meine beyden Arme um ſie herum.
Jch erbot mich, ſie zu meinem klopfenden Herzen
aufzuheben ‒ ‒
Ach nein! ‒ Und doch ſind ſie einer! ‒ ‒
Bald war ich wieder ihr lieber Lovelace! ‒ Jhre
Haͤnde waren wiederum uͤber ihre ſchoͤne Bruſt
geſchlagen. ‒ ‒ Toͤdten ſie mich! toͤdten ſie
mich! wenn ich in ihren Augen verhaßt genug
bin, dieſe Begegnung zu verdienen; und ich wer-
de es ihnen danken. ‒ ‒ Zu lange, viel zu lan-
ge iſt mein Leben mir ſchon eine Laſt geweſen! ‒ ‒
Oder geben ſie mir nur die Mittel, dabey ſahe ſie
wild um ſich herum, ſo will ich ſie den Augenblick
uͤberzeugen, daß meine Ehre mir lieber iſt, als
mein Leben.
Dann hieß ich, noch mit gefaltenen Haͤnden
und immer neuuͤberfließenden Augen, ihr herzlie-
ber Lovelace. Und ſie wollte es mir mit ihrem
letzten Odem danken, wenn ich ihr dieſe Wahl
laſſen oder ſie von fernerer Schmach befreyen
wollte.
Jch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/85>, abgerufen am 26.11.2024.
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