Der drey und sechzigste Brief von Hrn. Lovelace an Fräulein Clarissa Harlowe. Mit der Aufschrift: An Frau Lovelacen.
M. Hall Sonnabends Abends, den 24ten Jun.
Mein allerliebstes Leben.
Wo Sie die elende Person, welche ich gestern Abends vor Jhnen spielte, nicht der Liebe und dem Schrecken, das die Liebe erweckte, zu- schreiben, so werden Sie mir nicht Gerechtigkeit widerfahren lassen. Jch dachte, ich wollte bis auf den letzten Augenblick versuchen, ob ich Sie nicht gewinnen könnte, wenn ich Jhnen in allen Stücken gefällig wäre, mir zu versprechen, daß Sie künftigen Donnerstag die Meinige seyn woll- ten: da Sie mir doch den Tag nicht eher bestim- men wollten. Hätte ich so glücklich seyn können: so würde Jhnen keine Hinderniß geleget seyn, nach Hampstead, oder wohin Jhnen sonst belieb- te, zu gehen. Da ich Sie aber nicht bewegen konnte, mir diese Versicherung zu geben: was hatte ich denn wohl für Grund übrig, bey meiner so großen Unwürdigkeit zu glauben, daß ich Jh-
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Der drey und ſechzigſte Brief von Hrn. Lovelace an Fraͤulein Clariſſa Harlowe. Mit der Aufſchrift: An Frau Lovelacen.
M. Hall Sonnabends Abends, den 24ten Jun.
Mein allerliebſtes Leben.
Wo Sie die elende Perſon, welche ich geſtern Abends vor Jhnen ſpielte, nicht der Liebe und dem Schrecken, das die Liebe erweckte, zu- ſchreiben, ſo werden Sie mir nicht Gerechtigkeit widerfahren laſſen. Jch dachte, ich wollte bis auf den letzten Augenblick verſuchen, ob ich Sie nicht gewinnen koͤnnte, wenn ich Jhnen in allen Stuͤcken gefaͤllig waͤre, mir zu verſprechen, daß Sie kuͤnftigen Donnerſtag die Meinige ſeyn woll- ten: da Sie mir doch den Tag nicht eher beſtim- men wollten. Haͤtte ich ſo gluͤcklich ſeyn koͤnnen: ſo wuͤrde Jhnen keine Hinderniß geleget ſeyn, nach Hampſtead, oder wohin Jhnen ſonſt belieb- te, zu gehen. Da ich Sie aber nicht bewegen konnte, mir dieſe Verſicherung zu geben: was hatte ich denn wohl fuͤr Grund uͤbrig, bey meiner ſo großen Unwuͤrdigkeit zu glauben, daß ich Jh-
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Der drey und ſechzigſte Brief
von
Hrn. Lovelace an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Mit der Aufſchrift:
An Frau Lovelacen.
M. Hall Sonnabends Abends,
den 24ten Jun.
Mein allerliebſtes Leben.
Wo Sie die elende Perſon, welche ich geſtern
Abends vor Jhnen ſpielte, nicht der Liebe
und dem Schrecken, das die Liebe erweckte, zu-
ſchreiben, ſo werden Sie mir nicht Gerechtigkeit
widerfahren laſſen. Jch dachte, ich wollte bis
auf den letzten Augenblick verſuchen, ob ich Sie
nicht gewinnen koͤnnte, wenn ich Jhnen in allen
Stuͤcken gefaͤllig waͤre, mir zu verſprechen, daß
Sie kuͤnftigen Donnerſtag die Meinige ſeyn woll-
ten: da Sie mir doch den Tag nicht eher beſtim-
men wollten. Haͤtte ich ſo gluͤcklich ſeyn koͤnnen:
ſo wuͤrde Jhnen keine Hinderniß geleget ſeyn,
nach Hampſtead, oder wohin Jhnen ſonſt belieb-
te, zu gehen. Da ich Sie aber nicht bewegen
konnte, mir dieſe Verſicherung zu geben: was
hatte ich denn wohl fuͤr Grund uͤbrig, bey meiner
ſo großen Unwuͤrdigkeit zu glauben, daß ich Jh-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 823. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/829>, abgerufen am 24.11.2024.
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