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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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er mir eben den Entschluß, welchen sie gesehen,
bey eben dem Vorfall wieder verleihen werde.
Aber um etwas geringern willen, wünsche ich
ihn nicht zu haben. Nur wisset, Weibsbilder,
daß ich keine Frau von diesem Kerl bin. So
niederträchtig er auch mit mir umgegangen ist:
so bin ich doch seine Frau nicht. Er hat keine
Macht über mich. Wenn er einmal von hier
gehet, es sey, wann es wolle; und ihr nach der
von ihm gegebenen Vollmacht handelt, mich auf-
zuhalten: so sehet wohl zu.

Hierauf nahm sie eines von den Lichtern,
wandte sich von uns und ging unbelästiget fort
- - Keine Seele war im Stande, sie zu belä-
stigen.

Mabelle sahe, wie sie, mit Zittern, und in
größter Eil, den Schlüssel zu ihrer Kammer-
thüre aus der Tasche zog, und aufschloß: und
hörte, so bald sie hineingegangen war, wie sie die
Thüre zweymal zuschloß und verriegelte.

Weil sie ihren Schlüssel auszog; da sie aus
ihrer Kammer zu uns kam: so muß sie sonder
Zweifel von meiner Absicht aus Verdacht einige
Vermuthung gehabt haben. Es war wirklich
mein Vorsatz, wenn sie mich nöthigte, Gewalt zu
gebrauchen, sie erst zu schrecken, hernach in mei-
nen Armen dahin zu tragen, und ihr die Nacht
über Gesellschaft zu leisten.

Sie sollte verschiedne Kammerweiber gehabt
haben, die ihr Handreichung gethan haben wür-
den, sie bey Gelegenheit auszukleiden. Aber

von
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er mir eben den Entſchluß, welchen ſie geſehen,
bey eben dem Vorfall wieder verleihen werde.
Aber um etwas geringern willen, wuͤnſche ich
ihn nicht zu haben. Nur wiſſet, Weibsbilder,
daß ich keine Frau von dieſem Kerl bin. So
niedertraͤchtig er auch mit mir umgegangen iſt:
ſo bin ich doch ſeine Frau nicht. Er hat keine
Macht uͤber mich. Wenn er einmal von hier
gehet, es ſey, wann es wolle; und ihr nach der
von ihm gegebenen Vollmacht handelt, mich auf-
zuhalten: ſo ſehet wohl zu.

Hierauf nahm ſie eines von den Lichtern,
wandte ſich von uns und ging unbelaͤſtiget fort
‒ ‒ Keine Seele war im Stande, ſie zu belaͤ-
ſtigen.

Mabelle ſahe, wie ſie, mit Zittern, und in
groͤßter Eil, den Schluͤſſel zu ihrer Kammer-
thuͤre aus der Taſche zog, und aufſchloß: und
hoͤrte, ſo bald ſie hineingegangen war, wie ſie die
Thuͤre zweymal zuſchloß und verriegelte.

Weil ſie ihren Schluͤſſel auszog; da ſie aus
ihrer Kammer zu uns kam: ſo muß ſie ſonder
Zweifel von meiner Abſicht aus Verdacht einige
Vermuthung gehabt haben. Es war wirklich
mein Vorſatz, wenn ſie mich noͤthigte, Gewalt zu
gebrauchen, ſie erſt zu ſchrecken, hernach in mei-
nen Armen dahin zu tragen, und ihr die Nacht
uͤber Geſellſchaft zu leiſten.

Sie ſollte verſchiedne Kammerweiber gehabt
haben, die ihr Handreichung gethan haben wuͤr-
den, ſie bey Gelegenheit auszukleiden. Aber

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[819/0825] er mir eben den Entſchluß, welchen ſie geſehen, bey eben dem Vorfall wieder verleihen werde. Aber um etwas geringern willen, wuͤnſche ich ihn nicht zu haben. Nur wiſſet, Weibsbilder, daß ich keine Frau von dieſem Kerl bin. So niedertraͤchtig er auch mit mir umgegangen iſt: ſo bin ich doch ſeine Frau nicht. Er hat keine Macht uͤber mich. Wenn er einmal von hier gehet, es ſey, wann es wolle; und ihr nach der von ihm gegebenen Vollmacht handelt, mich auf- zuhalten: ſo ſehet wohl zu. Hierauf nahm ſie eines von den Lichtern, wandte ſich von uns und ging unbelaͤſtiget fort ‒ ‒ Keine Seele war im Stande, ſie zu belaͤ- ſtigen. Mabelle ſahe, wie ſie, mit Zittern, und in groͤßter Eil, den Schluͤſſel zu ihrer Kammer- thuͤre aus der Taſche zog, und aufſchloß: und hoͤrte, ſo bald ſie hineingegangen war, wie ſie die Thuͤre zweymal zuſchloß und verriegelte. Weil ſie ihren Schluͤſſel auszog; da ſie aus ihrer Kammer zu uns kam: ſo muß ſie ſonder Zweifel von meiner Abſicht aus Verdacht einige Vermuthung gehabt haben. Es war wirklich mein Vorſatz, wenn ſie mich noͤthigte, Gewalt zu gebrauchen, ſie erſt zu ſchrecken, hernach in mei- nen Armen dahin zu tragen, und ihr die Nacht uͤber Geſellſchaft zu leiſten. Sie ſollte verſchiedne Kammerweiber gehabt haben, die ihr Handreichung gethan haben wuͤr- den, ſie bey Gelegenheit auszukleiden. Aber von F f f 2

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 819. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/825>, abgerufen am 24.11.2024.