und Mabelle, als eine Wache über sie, daß sie nicht weglaufen und sich verstecken möchte; - - alle zum voraus fest entschlossen, und aus höch- ster Noth zum voraus entschlossen, weil ich die Reise vornehmen mußte und mit ihr in einem so erbettelten Verhältnisse stand. - - Höre, wie sie die Thüre aufriegelt und aufschließet, und dann den Schlüssel, wie es nachher heraus ge- kommen ist, von außen wieder in das Schloß stecket, die Thüre verschließet, und ihn hierauf in der Tasche mit sich nimmt. Jch wußte, daß Wilhelm unten war, der mir Nachricht geben würde, wenn sie etwa unterdessen, da wir alle oben waren, den ungerechten Weg nehmen, und, an statt in den Speisesaal zu kommen, die Treppen hinunter gehen sollte. Die Thüren nach der Gasse waren auch gedop- pelt verwahret, und alle Fensterladen rund her- um am Hause zugemacht, daß man kein Ge- räusch oder Geschrey hören sollte. Dieß war die grausame Vorbereitung - - Dann höre weiter, wie sie zu uns gehet, und siehe, wie sie unter uns tritt, mit einer vollkommenen Zuver- sicht auf ihre Unschuld, und mit einer Majestät in ihrer Person und in ihrem Wesen, die ihr na- türlich ist, aber damals in aller ihrer Pracht und Herrlichkeit glänzete! - - Alle Zungen waren stille: alle Augen vor Schaam und Ehrfurcht niedergeschlagen. Alle Herzen bebeten, meines war auf eine besondere Art gesunken, ohne Be- wegung, und zweymal niedriger, als seine gewöhn-
liche
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und Mabelle, als eine Wache uͤber ſie, daß ſie nicht weglaufen und ſich verſtecken moͤchte; ‒ ‒ alle zum voraus feſt entſchloſſen, und aus hoͤch- ſter Noth zum voraus entſchloſſen, weil ich die Reiſe vornehmen mußte und mit ihr in einem ſo erbettelten Verhaͤltniſſe ſtand. ‒ ‒ Hoͤre, wie ſie die Thuͤre aufriegelt und aufſchließet, und dann den Schluͤſſel, wie es nachher heraus ge- kommen iſt, von außen wieder in das Schloß ſtecket, die Thuͤre verſchließet, und ihn hierauf in der Taſche mit ſich nimmt. Jch wußte, daß Wilhelm unten war, der mir Nachricht geben wuͤrde, wenn ſie etwa unterdeſſen, da wir alle oben waren, den ungerechten Weg nehmen, und, an ſtatt in den Speiſeſaal zu kommen, die Treppen hinunter gehen ſollte. Die Thuͤren nach der Gaſſe waren auch gedop- pelt verwahret, und alle Fenſterladen rund her- um am Hauſe zugemacht, daß man kein Ge- raͤuſch oder Geſchrey hoͤren ſollte. Dieß war die grauſame Vorbereitung ‒ ‒ Dann hoͤre weiter, wie ſie zu uns gehet, und ſiehe, wie ſie unter uns tritt, mit einer vollkommenen Zuver- ſicht auf ihre Unſchuld, und mit einer Majeſtaͤt in ihrer Perſon und in ihrem Weſen, die ihr na- tuͤrlich iſt, aber damals in aller ihrer Pracht und Herrlichkeit glaͤnzete! ‒ ‒ Alle Zungen waren ſtille: alle Augen vor Schaam und Ehrfurcht niedergeſchlagen. Alle Herzen bebeten, meines war auf eine beſondere Art geſunken, ohne Be- wegung, und zweymal niedriger, als ſeine gewoͤhn-
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und Mabelle, als eine Wache uͤber ſie, daß ſie
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ſter Noth zum voraus entſchloſſen, weil ich die
Reiſe vornehmen mußte und mit ihr in einem
ſo erbettelten Verhaͤltniſſe ſtand. ‒ ‒ Hoͤre, wie
ſie die Thuͤre aufriegelt und aufſchließet, und
dann den Schluͤſſel, wie es nachher heraus ge-
kommen iſt, von außen wieder in das Schloß
ſtecket, die Thuͤre verſchließet, und ihn hierauf in
der Taſche mit ſich nimmt. Jch wußte, daß
Wilhelm unten war, der mir Nachricht geben
wuͤrde, wenn ſie etwa unterdeſſen, da wir alle
oben waren, den ungerechten Weg nehmen,
und, an ſtatt in den Speiſeſaal zu kommen,
die Treppen hinunter gehen ſollte. Die
Thuͤren nach der Gaſſe waren auch gedop-
pelt verwahret, und alle Fenſterladen rund her-
um am Hauſe zugemacht, daß man kein Ge-
raͤuſch oder Geſchrey hoͤren ſollte. Dieß war
die grauſame Vorbereitung ‒ ‒ Dann hoͤre
weiter, wie ſie zu uns gehet, und ſiehe, wie ſie
unter uns tritt, mit einer vollkommenen Zuver-
ſicht auf ihre Unſchuld, und mit einer Majeſtaͤt
in ihrer Perſon und in ihrem Weſen, die ihr na-
tuͤrlich iſt, aber damals in aller ihrer Pracht und
Herrlichkeit glaͤnzete! ‒ ‒ Alle Zungen waren
ſtille: alle Augen vor Schaam und Ehrfurcht
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 809. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/815>, abgerufen am 24.11.2024.
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