böses Weib, Bruder, ist gewiß ihrem eignen Ge- schlechte schrecklicher, als ein böser Kerl.
Jch folgte ihr hinauf. Sie huschte bey ih- rem eignen Zimmer vorbey in den Speisesaal hin- ein. Kein Schrecken kann machen, daß sie ihre Bedenklichkeit vergessen sollte.
Alles, was daselbst vorfiel, von harten Re- den, Ausrufungen, Drohungen, selbst wider ihr eignes Leben, an einer; und von Vorwürfen, flehentlichen Bitten, bisweilen auch Drohungen, an der andern Seite, würde allzu rührend seyn zu erzählen: und es läßt sich nach den genauen Be- schreibungen, die ich schon von dergleichen Aufzü- gen gegeben habe, eben so gut durch die Einbil- dungskraft vorstellen, als ausdrücken.
Jch will also nur erwähnen, daß ich endlich eine Gefälligkeit von ihr erzwang. Sie hatte Ursache (*) zu denken, daß es auf der Stelle är-
ger
(*) Die Fräulein berühret in ihrem Tagebuche, daß sie kein anderes Mittel für sich gesehen, als diese Gefälligkeit einzuräumen, da sie besorgt hätte, sie würde einer Entehrung auf der Stelle nicht ent- gehen können. Jhre einzige Hoffnung sey nun, schreibet sie, wo sie durch der Dorcas Nachsicht, welche sie gleichwohl für verdächtig hält, nicht da- von kommen kann, ein Mittel zu finden, wodurch sie sich ihres Onkels Schutz, und wenn es nöthig seyn sollte, gar den Schutz der bürgerlichen Obrig- keit am künftigen Donnerstage auswirken möge. "Er solle sehen, für so zahm und feige er sie auch "gehalten habe, was sie zu unternehmen im Stan-
"de
boͤſes Weib, Bruder, iſt gewiß ihrem eignen Ge- ſchlechte ſchrecklicher, als ein boͤſer Kerl.
Jch folgte ihr hinauf. Sie huſchte bey ih- rem eignen Zimmer vorbey in den Speiſeſaal hin- ein. Kein Schrecken kann machen, daß ſie ihre Bedenklichkeit vergeſſen ſollte.
Alles, was daſelbſt vorfiel, von harten Re- den, Ausrufungen, Drohungen, ſelbſt wider ihr eignes Leben, an einer; und von Vorwuͤrfen, flehentlichen Bitten, bisweilen auch Drohungen, an der andern Seite, wuͤrde allzu ruͤhrend ſeyn zu erzaͤhlen: und es laͤßt ſich nach den genauen Be- ſchreibungen, die ich ſchon von dergleichen Aufzuͤ- gen gegeben habe, eben ſo gut durch die Einbil- dungskraft vorſtellen, als ausdruͤcken.
Jch will alſo nur erwaͤhnen, daß ich endlich eine Gefaͤlligkeit von ihr erzwang. Sie hatte Urſache (*) zu denken, daß es auf der Stelle aͤr-
ger
(*) Die Fraͤulein beruͤhret in ihrem Tagebuche, daß ſie kein anderes Mittel fuͤr ſich geſehen, als dieſe Gefaͤlligkeit einzuraͤumen, da ſie beſorgt haͤtte, ſie wuͤrde einer Entehrung auf der Stelle nicht ent- gehen koͤnnen. Jhre einzige Hoffnung ſey nun, ſchreibet ſie, wo ſie durch der Dorcas Nachſicht, welche ſie gleichwohl fuͤr verdaͤchtig haͤlt, nicht da- von kommen kann, ein Mittel zu finden, wodurch ſie ſich ihres Onkels Schutz, und wenn es noͤthig ſeyn ſollte, gar den Schutz der buͤrgerlichen Obrig- keit am kuͤnftigen Donnerſtage auswirken moͤge. „Er ſolle ſehen, fuͤr ſo zahm und feige er ſie auch „gehalten habe, was ſie zu unternehmen im Stan-
„de
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boͤſes Weib, Bruder, iſt gewiß ihrem eignen Ge-
ſchlechte ſchrecklicher, als ein boͤſer Kerl.
Jch folgte ihr hinauf. Sie huſchte bey ih-
rem eignen Zimmer vorbey in den Speiſeſaal hin-
ein. Kein Schrecken kann machen, daß ſie ihre
Bedenklichkeit vergeſſen ſollte.
Alles, was daſelbſt vorfiel, von harten Re-
den, Ausrufungen, Drohungen, ſelbſt wider ihr
eignes Leben, an einer; und von Vorwuͤrfen,
flehentlichen Bitten, bisweilen auch Drohungen,
an der andern Seite, wuͤrde allzu ruͤhrend ſeyn zu
erzaͤhlen: und es laͤßt ſich nach den genauen Be-
ſchreibungen, die ich ſchon von dergleichen Aufzuͤ-
gen gegeben habe, eben ſo gut durch die Einbil-
dungskraft vorſtellen, als ausdruͤcken.
Jch will alſo nur erwaͤhnen, daß ich endlich
eine Gefaͤlligkeit von ihr erzwang. Sie hatte
Urſache (*) zu denken, daß es auf der Stelle aͤr-
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(*) Die Fraͤulein beruͤhret in ihrem Tagebuche, daß
ſie kein anderes Mittel fuͤr ſich geſehen, als dieſe
Gefaͤlligkeit einzuraͤumen, da ſie beſorgt haͤtte, ſie
wuͤrde einer Entehrung auf der Stelle nicht ent-
gehen koͤnnen. Jhre einzige Hoffnung ſey nun,
ſchreibet ſie, wo ſie durch der Dorcas Nachſicht,
welche ſie gleichwohl fuͤr verdaͤchtig haͤlt, nicht da-
von kommen kann, ein Mittel zu finden, wodurch
ſie ſich ihres Onkels Schutz, und wenn es noͤthig
ſeyn ſollte, gar den Schutz der buͤrgerlichen Obrig-
keit am kuͤnftigen Donnerſtage auswirken moͤge.
„Er ſolle ſehen, fuͤr ſo zahm und feige er ſie auch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 766. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/772>, abgerufen am 22.11.2024.
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