den Fingern. Jch sprang auf, that nur drey Schritte bis an die Thür, öffnete sie und schrie: Wo? Wo? beynahe eben so erschrocken als das arme Mädchen, das unterdessen mehr als halb ausgekleidet, mit ihren Röcken in der Hand, auf die Treppen wies, weil sie nicht vernehmlich spre- chen konnte.
Jch war in einem Augenblicke da und befand, daß alles von der Nachläßigkeit der Frau Sin- clairs Köchinn herrührte. Die hatte aufgesessen, das einfältige Histörchen von Dorast und Fau- nia zu lesen, da sie im Bette seyn sollen, und dar- über ein paar alte Fenstergardinen von Coton Feuer fangen lassen.
Jn ihrem Schrecken war sie doch noch so ge- setzt gewesen, daß sie die obern halbverbrannten Vorhänge so wohl als die Gardinen niedergeris- sen, und, obgleich in vollen Flammen, schon in den Camin geworfen hatte, wie ich hinauf kam. Jch hatte also das Vergnügen, die Gefahr glück- lich abgewandt zu finden.
Mittlerweile lief Dorcas, nachdem sie mich auf die Treppe gebracht hatte, aus zärtlicher Ach- tung gegen ihre Fräulein, wofür ich das Mäd- chen beständig lieb haben werde, zu ihrer Thür. Sie wußte nicht, daß das schlimmeste vorüber wäre und vermuthete alle Augenblicke, daß das Haus in voller Flamme stehen würde. Deswe- gen klopfte sie hart an, und weil sie ihre Stim- me wieder bekommen hatte, schrie sie mit einem so durchdringenden Tone, als ihrer Liebe gemäß
war,
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den Fingern. Jch ſprang auf, that nur drey Schritte bis an die Thuͤr, oͤffnete ſie und ſchrie: Wo? Wo? beynahe eben ſo erſchrocken als das arme Maͤdchen, das unterdeſſen mehr als halb ausgekleidet, mit ihren Roͤcken in der Hand, auf die Treppen wies, weil ſie nicht vernehmlich ſpre- chen konnte.
Jch war in einem Augenblicke da und befand, daß alles von der Nachlaͤßigkeit der Frau Sin- clairs Koͤchinn herruͤhrte. Die hatte aufgeſeſſen, das einfaͤltige Hiſtoͤrchen von Doraſt und Fau- nia zu leſen, da ſie im Bette ſeyn ſollen, und dar- uͤber ein paar alte Fenſtergardinen von Coton Feuer fangen laſſen.
Jn ihrem Schrecken war ſie doch noch ſo ge- ſetzt geweſen, daß ſie die obern halbverbrannten Vorhaͤnge ſo wohl als die Gardinen niedergeriſ- ſen, und, obgleich in vollen Flammen, ſchon in den Camin geworfen hatte, wie ich hinauf kam. Jch hatte alſo das Vergnuͤgen, die Gefahr gluͤck- lich abgewandt zu finden.
Mittlerweile lief Dorcas, nachdem ſie mich auf die Treppe gebracht hatte, aus zaͤrtlicher Ach- tung gegen ihre Fraͤulein, wofuͤr ich das Maͤd- chen beſtaͤndig lieb haben werde, zu ihrer Thuͤr. Sie wußte nicht, daß das ſchlimmeſte voruͤber waͤre und vermuthete alle Augenblicke, daß das Haus in voller Flamme ſtehen wuͤrde. Deswe- gen klopfte ſie hart an, und weil ſie ihre Stim- me wieder bekommen hatte, ſchrie ſie mit einem ſo durchdringenden Tone, als ihrer Liebe gemaͤß
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den Fingern. Jch ſprang auf, that nur drey
Schritte bis an die Thuͤr, oͤffnete ſie und ſchrie:
Wo? Wo? beynahe eben ſo erſchrocken als das
arme Maͤdchen, das unterdeſſen mehr als halb
ausgekleidet, mit ihren Roͤcken in der Hand, auf
die Treppen wies, weil ſie nicht vernehmlich ſpre-
chen konnte.
Jch war in einem Augenblicke da und befand,
daß alles von der Nachlaͤßigkeit der Frau Sin-
clairs Koͤchinn herruͤhrte. Die hatte aufgeſeſſen,
das einfaͤltige Hiſtoͤrchen von Doraſt und Fau-
nia zu leſen, da ſie im Bette ſeyn ſollen, und dar-
uͤber ein paar alte Fenſtergardinen von Coton
Feuer fangen laſſen.
Jn ihrem Schrecken war ſie doch noch ſo ge-
ſetzt geweſen, daß ſie die obern halbverbrannten
Vorhaͤnge ſo wohl als die Gardinen niedergeriſ-
ſen, und, obgleich in vollen Flammen, ſchon in
den Camin geworfen hatte, wie ich hinauf kam.
Jch hatte alſo das Vergnuͤgen, die Gefahr gluͤck-
lich abgewandt zu finden.
Mittlerweile lief Dorcas, nachdem ſie mich
auf die Treppe gebracht hatte, aus zaͤrtlicher Ach-
tung gegen ihre Fraͤulein, wofuͤr ich das Maͤd-
chen beſtaͤndig lieb haben werde, zu ihrer Thuͤr.
Sie wußte nicht, daß das ſchlimmeſte voruͤber
waͤre und vermuthete alle Augenblicke, daß das
Haus in voller Flamme ſtehen wuͤrde. Deswe-
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me wieder bekommen hatte, ſchrie ſie mit einem
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/77>, abgerufen am 25.11.2024.
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