Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


"gen, alle Fürsorge meiner Freunde habe vergeblich
"seyn lassen: so muß ich nicht auf Wunder zu mei-
"nem Besten hoffen.
"Gehe ich davon: was kann aus mir werden;
"einem armen, hülflosen, verlassenen Frauenzimmer!
"- - Das hülflos ist in Ansehung ihres Geschlech-
"tes! - - Hülflos in Ansehung ihrer Umstände! - -
"und aller Gefahr ausgesetzet! - - Gott schütze
"mich!
"Sein schändlicher Kerl ist nicht mit ihm ge-
"gangen! - - Er laurt hier sonder Zweifel auf,
"und soll auf alle meine Schritte und Tritte Achtung
"geben! - - Es sey wie es wolle: ich will mit dem
"Wagen nicht fortgehen.


"Der Wagen sollte so gelegen hierher kommen!
"- - Das sieht so manchen gar zu bequemen Ge-
"legenheiten von seiner Erfindung
allzu ahnlich! - -
"Dorcas sollte plötzlich auf den Gedanken gefallen
"seyn! - - Sollte das Herz bey dem Gedanken ge-
"habt haben, ein vornehmes Frauenzimmer zum Be-
"sten einer ganz fremden Person in Ansehung dessel-
"ben anzusprechen! - - Das Frauenzimmer sollte so
"willig dazu seyn! - - Und doch sollte die Unter-
"handlung zwischen ihnen so viele Zeit wegnehmen,
"wenn man ihren Unterschied von Stande bedenket!
"- - So vielen Schwierigkeiten die Sache auch un-
"terworfen war; so kostbar auch die Zeit: so blieb
"Dorcas doch über eine halbe Stunde weg. Und
"gleichwohl sollte die Kutsche bey einem Gewürzla-
"den, wenige Häuser von hier, bereit stehen!
"Es ist wohl wahr, einige alte Frauensleute
"sind schwatzhaft: und es giebt auch ohne Zweifel
"einige gute Leute in der Welt - -
"Aber es sollte sich eben so fügen, daß es eine
"adliche Witwe wäre, die ihre völlige Freyheit h ätte,
zu


„gen, alle Fuͤrſorge meiner Freunde habe vergeblich
„ſeyn laſſen: ſo muß ich nicht auf Wunder zu mei-
„nem Beſten hoffen.
„Gehe ich davon: was kann aus mir werden;
„einem armen, huͤlfloſen, verlaſſenen Frauenzimmer!
„‒ ‒ Das huͤlflos iſt in Anſehung ihres Geſchlech-
„tes! ‒ ‒ Huͤlflos in Anſehung ihrer Umſtaͤnde! ‒ ‒
„und aller Gefahr ausgeſetzet! ‒ ‒ Gott ſchuͤtze
„mich!
„Sein ſchaͤndlicher Kerl iſt nicht mit ihm ge-
„gangen! ‒ ‒ Er laurt hier ſonder Zweifel auf,
„und ſoll auf alle meine Schritte und Tritte Achtung
„geben! ‒ ‒ Es ſey wie es wolle: ich will mit dem
„Wagen nicht fortgehen.


„Der Wagen ſollte ſo gelegen hierher kommen!
„‒ ‒ Das ſieht ſo manchen gar zu bequemen Ge-
„legenheiten von ſeiner Erfindung
allzu ahnlich! ‒ ‒
„Dorcas ſollte ploͤtzlich auf den Gedanken gefallen
„ſeyn! ‒ ‒ Sollte das Herz bey dem Gedanken ge-
„habt haben, ein vornehmes Frauenzimmer zum Be-
„ſten einer ganz fremden Perſon in Anſehung deſſel-
„ben anzuſprechen! ‒ ‒ Das Frauenzimmer ſollte ſo
„willig dazu ſeyn! ‒ ‒ Und doch ſollte die Unter-
„handlung zwiſchen ihnen ſo viele Zeit wegnehmen,
„wenn man ihren Unterſchied von Stande bedenket!
„‒ ‒ So vielen Schwierigkeiten die Sache auch un-
„terworfen war; ſo koſtbar auch die Zeit: ſo blieb
„Dorcas doch uͤber eine halbe Stunde weg. Und
„gleichwohl ſollte die Kutſche bey einem Gewuͤrzla-
„den, wenige Haͤuſer von hier, bereit ſtehen!
„Es iſt wohl wahr, einige alte Frauensleute
„ſind ſchwatzhaft: und es giebt auch ohne Zweifel
„einige gute Leute in der Welt ‒ ‒
„Aber es ſollte ſich eben ſo fuͤgen, daß es eine
„adliche Witwe waͤre, die ihre voͤllige Freyheit h aͤtte,
zu
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0744" n="738"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <note next="#a10" xml:id="a09" prev="#a08" place="foot" n="(*)">&#x201E;gen, alle Fu&#x0364;r&#x017F;orge meiner Freunde habe vergeblich<lb/>
&#x201E;&#x017F;eyn la&#x017F;&#x017F;en: &#x017F;o muß ich nicht auf Wunder zu mei-<lb/>
&#x201E;nem Be&#x017F;ten hoffen.<lb/>
&#x201E;Gehe ich davon: was kann aus mir werden;<lb/>
&#x201E;einem armen, hu&#x0364;lflo&#x017F;en, verla&#x017F;&#x017F;enen Frauenzimmer!<lb/>
&#x201E;&#x2012; &#x2012; Das hu&#x0364;lflos i&#x017F;t in An&#x017F;ehung ihres Ge&#x017F;chlech-<lb/>
&#x201E;tes! &#x2012; &#x2012; Hu&#x0364;lflos in An&#x017F;ehung ihrer Um&#x017F;ta&#x0364;nde! &#x2012; &#x2012;<lb/>
&#x201E;und aller Gefahr ausge&#x017F;etzet! &#x2012; &#x2012; Gott &#x017F;chu&#x0364;tze<lb/>
&#x201E;mich!<lb/>
&#x201E;Sein &#x017F;cha&#x0364;ndlicher Kerl i&#x017F;t nicht mit ihm ge-<lb/>
&#x201E;gangen! &#x2012; &#x2012; Er laurt hier &#x017F;onder Zweifel auf,<lb/>
&#x201E;und &#x017F;oll auf alle meine Schritte und Tritte Achtung<lb/>
&#x201E;geben! &#x2012; &#x2012; Es &#x017F;ey wie es wolle: ich <hi rendition="#fr">will</hi> mit dem<lb/>
&#x201E;Wagen nicht fortgehen.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x201E;Der Wagen &#x017F;ollte &#x017F;o gelegen hierher kommen!<lb/>
&#x201E;&#x2012; &#x2012; Das &#x017F;ieht &#x017F;o manchen gar zu <hi rendition="#fr">bequemen Ge-<lb/>
&#x201E;legenheiten von &#x017F;einer Erfindung</hi> allzu ahnlich! &#x2012; &#x2012;<lb/>
&#x201E;Dorcas &#x017F;ollte plo&#x0364;tzlich auf den Gedanken gefallen<lb/>
&#x201E;&#x017F;eyn! &#x2012; &#x2012; Sollte das <hi rendition="#fr">Herz</hi> bey dem Gedanken ge-<lb/>
&#x201E;habt haben, ein vornehmes Frauenzimmer zum Be-<lb/>
&#x201E;&#x017F;ten einer ganz fremden Per&#x017F;on in An&#x017F;ehung de&#x017F;&#x017F;el-<lb/>
&#x201E;ben anzu&#x017F;prechen! &#x2012; &#x2012; Das Frauenzimmer &#x017F;ollte &#x017F;o<lb/>
&#x201E;willig dazu &#x017F;eyn! &#x2012; &#x2012; Und doch &#x017F;ollte die Unter-<lb/>
&#x201E;handlung zwi&#x017F;chen ihnen &#x017F;o viele Zeit wegnehmen,<lb/>
&#x201E;wenn man ihren Unter&#x017F;chied von Stande bedenket!<lb/>
&#x201E;&#x2012; &#x2012; So vielen Schwierigkeiten die Sache auch un-<lb/>
&#x201E;terworfen war; &#x017F;o ko&#x017F;tbar auch die Zeit: &#x017F;o blieb<lb/>
&#x201E;Dorcas doch u&#x0364;ber eine halbe Stunde weg. Und<lb/>
&#x201E;gleichwohl &#x017F;ollte die Kut&#x017F;che bey einem Gewu&#x0364;rzla-<lb/>
&#x201E;den, wenige Ha&#x0364;u&#x017F;er von hier, bereit &#x017F;tehen!<lb/>
&#x201E;Es i&#x017F;t wohl wahr, einige alte Frauensleute<lb/>
&#x201E;&#x017F;ind &#x017F;chwatzhaft: und es giebt auch ohne Zweifel<lb/>
&#x201E;einige gute Leute in der Welt &#x2012; &#x2012;<lb/>
&#x201E;Aber es &#x017F;ollte &#x017F;ich eben &#x017F;o fu&#x0364;gen, daß es eine<lb/>
&#x201E;adliche Witwe wa&#x0364;re, die ihre vo&#x0364;llige Freyheit h a&#x0364;tte,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw></note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[738/0744] (*) (*) „gen, alle Fuͤrſorge meiner Freunde habe vergeblich „ſeyn laſſen: ſo muß ich nicht auf Wunder zu mei- „nem Beſten hoffen. „Gehe ich davon: was kann aus mir werden; „einem armen, huͤlfloſen, verlaſſenen Frauenzimmer! „‒ ‒ Das huͤlflos iſt in Anſehung ihres Geſchlech- „tes! ‒ ‒ Huͤlflos in Anſehung ihrer Umſtaͤnde! ‒ ‒ „und aller Gefahr ausgeſetzet! ‒ ‒ Gott ſchuͤtze „mich! „Sein ſchaͤndlicher Kerl iſt nicht mit ihm ge- „gangen! ‒ ‒ Er laurt hier ſonder Zweifel auf, „und ſoll auf alle meine Schritte und Tritte Achtung „geben! ‒ ‒ Es ſey wie es wolle: ich will mit dem „Wagen nicht fortgehen. „Der Wagen ſollte ſo gelegen hierher kommen! „‒ ‒ Das ſieht ſo manchen gar zu bequemen Ge- „legenheiten von ſeiner Erfindung allzu ahnlich! ‒ ‒ „Dorcas ſollte ploͤtzlich auf den Gedanken gefallen „ſeyn! ‒ ‒ Sollte das Herz bey dem Gedanken ge- „habt haben, ein vornehmes Frauenzimmer zum Be- „ſten einer ganz fremden Perſon in Anſehung deſſel- „ben anzuſprechen! ‒ ‒ Das Frauenzimmer ſollte ſo „willig dazu ſeyn! ‒ ‒ Und doch ſollte die Unter- „handlung zwiſchen ihnen ſo viele Zeit wegnehmen, „wenn man ihren Unterſchied von Stande bedenket! „‒ ‒ So vielen Schwierigkeiten die Sache auch un- „terworfen war; ſo koſtbar auch die Zeit: ſo blieb „Dorcas doch uͤber eine halbe Stunde weg. Und „gleichwohl ſollte die Kutſche bey einem Gewuͤrzla- „den, wenige Haͤuſer von hier, bereit ſtehen! „Es iſt wohl wahr, einige alte Frauensleute „ſind ſchwatzhaft: und es giebt auch ohne Zweifel „einige gute Leute in der Welt ‒ ‒ „Aber es ſollte ſich eben ſo fuͤgen, daß es eine „adliche Witwe waͤre, die ihre voͤllige Freyheit h aͤtte, zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/744
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 738. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/744>, abgerufen am 24.11.2024.