zu deinem mitleidigen Gemüthe und deinem Ge- schlechte ein Vertrauen haben möchte.
Jch habe sie oft und vielfältig bedauret, gnä- dige Fräulein: aber sie waren allezeit mistrauisch gegen mich, wie es mir vorkam. Und dann zweifelte ich nicht, sie würden verheyrathet seyn, und glaubte, sie begegneten dem gnädigen Herrn unfreundlich. Daher hielte ich es für meine Schuldigkeit, vielmehr dem gnädigen Herrn, als ihrem wunderlichen Sinne, wie ich es ansahe, gnädige Fräulein, wohlzuwollen. Hätte ich doch nur eher gewußt, daß sie nicht verheyrathet wären! - - Solch eine Fräulein! - - von sol- chem Stande und Vermögen! - - soll auf ei- ne so betrübte auf eine so verrätherische Weise be- rückt seyn! - -
Ach Dorcas! ich bin auf eine schändliche Art ins Garn gezogen worden! Meine Jugend! Meine wenige Kenntniß der Welt! - - Und ich habe mir selbst eines und das andere vorzu- werfen: wenn ich zurückgedenke!
O Himmel, gnädige Fräulein, was für be- trügerische Creaturen sind diese Mannsleute! - - Weder Eidschwüre, noch Gelübde! - - Jch weiß es nur allzu wohl! Jch weiß es nur allzu wohl! - - Und hiebey rieb sie ein halb Dutzent male rechtschaffen ihre Augen mit der Schürze - - Jch mag die Zeit wohl verfluchen, da ich in dieß Haus gekommen bin!
Dieses war der Deckmantel für ihre unver- schämten Augen! Wäre es nicht besser gewesen,
daß
zu deinem mitleidigen Gemuͤthe und deinem Ge- ſchlechte ein Vertrauen haben moͤchte.
Jch habe ſie oft und vielfaͤltig bedauret, gnaͤ- dige Fraͤulein: aber ſie waren allezeit mistrauiſch gegen mich, wie es mir vorkam. Und dann zweifelte ich nicht, ſie wuͤrden verheyrathet ſeyn, und glaubte, ſie begegneten dem gnaͤdigen Herrn unfreundlich. Daher hielte ich es fuͤr meine Schuldigkeit, vielmehr dem gnaͤdigen Herrn, als ihrem wunderlichen Sinne, wie ich es anſahe, gnaͤdige Fraͤulein, wohlzuwollen. Haͤtte ich doch nur eher gewußt, daß ſie nicht verheyrathet waͤren! ‒ ‒ Solch eine Fraͤulein! ‒ ‒ von ſol- chem Stande und Vermoͤgen! ‒ ‒ ſoll auf ei- ne ſo betruͤbte auf eine ſo verraͤtheriſche Weiſe be- ruͤckt ſeyn! ‒ ‒
Ach Dorcas! ich bin auf eine ſchaͤndliche Art ins Garn gezogen worden! Meine Jugend! Meine wenige Kenntniß der Welt! ‒ ‒ Und ich habe mir ſelbſt eines und das andere vorzu- werfen: wenn ich zuruͤckgedenke!
O Himmel, gnaͤdige Fraͤulein, was fuͤr be- truͤgeriſche Creaturen ſind dieſe Mannsleute! ‒ ‒ Weder Eidſchwuͤre, noch Geluͤbde! ‒ ‒ Jch weiß es nur allzu wohl! Jch weiß es nur allzu wohl! ‒ ‒ Und hiebey rieb ſie ein halb Dutzent male rechtſchaffen ihre Augen mit der Schuͤrze ‒ ‒ Jch mag die Zeit wohl verfluchen, da ich in dieß Haus gekommen bin!
Dieſes war der Deckmantel fuͤr ihre unver- ſchaͤmten Augen! Waͤre es nicht beſſer geweſen,
daß
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zu deinem mitleidigen Gemuͤthe und deinem Ge-
ſchlechte ein Vertrauen haben moͤchte.
Jch habe ſie oft und vielfaͤltig bedauret, gnaͤ-
dige Fraͤulein: aber ſie waren allezeit mistrauiſch
gegen mich, wie es mir vorkam. Und dann
zweifelte ich nicht, ſie wuͤrden verheyrathet ſeyn,
und glaubte, ſie begegneten dem gnaͤdigen Herrn
unfreundlich. Daher hielte ich es fuͤr meine
Schuldigkeit, vielmehr dem gnaͤdigen Herrn, als
ihrem wunderlichen Sinne, wie ich es anſahe,
gnaͤdige Fraͤulein, wohlzuwollen. Haͤtte ich
doch nur eher gewußt, daß ſie nicht verheyrathet
waͤren! ‒ ‒ Solch eine Fraͤulein! ‒ ‒ von ſol-
chem Stande und Vermoͤgen! ‒ ‒ ſoll auf ei-
ne ſo betruͤbte auf eine ſo verraͤtheriſche Weiſe be-
ruͤckt ſeyn! ‒ ‒
Ach Dorcas! ich bin auf eine ſchaͤndliche Art
ins Garn gezogen worden! Meine Jugend!
Meine wenige Kenntniß der Welt! ‒ ‒ Und
ich habe mir ſelbſt eines und das andere vorzu-
werfen: wenn ich zuruͤckgedenke!
O Himmel, gnaͤdige Fraͤulein, was fuͤr be-
truͤgeriſche Creaturen ſind dieſe Mannsleute! ‒ ‒
Weder Eidſchwuͤre, noch Geluͤbde! ‒ ‒ Jch
weiß es nur allzu wohl! Jch weiß es nur allzu
wohl! ‒ ‒ Und hiebey rieb ſie ein halb Dutzent
male rechtſchaffen ihre Augen mit der Schuͤrze
‒ ‒ Jch mag die Zeit wohl verfluchen, da ich in
dieß Haus gekommen bin!
Dieſes war der Deckmantel fuͤr ihre unver-
ſchaͤmten Augen! Waͤre es nicht beſſer geweſen,
daß
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 712. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/718>, abgerufen am 24.11.2024.
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