vorbey fliegen gesehen. Und gleichwohl kann der Blitz nicht geschwinder seyn, als ich war.
Jch brachte sie wieder, mit unsäglichem Wi- derstreben an ihrer Seite, in den Speisesaal hin- auf; und befahl vor ihren Ohren einem Bedien- ten, daß er in Zukunft beständig unten an der Treppe stehen sollte.
Die Betrübniß und das Misvergnügen, sich in ihrer Absicht betrogen zu sehen, schienen sie bey- nahe zu erwürgen.
Dorcas bewies sich ausnehmend geschäfftig um sie, und sagte ganz dreist, als ihre eigne Mey- nung, heraus, daß ihre theureste Fräulein billig die Freyheit haben sollte, sich einen andern Auf- enthalt zu machen, da dieß Haus ihr so zuwi- der wäre: wenn sie auch todt darüber geschlagen würde, wollte sie es doch sagen. Dafür hieß sie auch hernach die gute Dorcas.
Eine Zeitlang war das liebe Kind lauter Feuer und Flamme.
Jch sehe, ich sehe, sprach sie, nachdem ich sie wieder herauf gebracht hatte, was ich von euren neuen Betheurungen zu gewarten habe, o nieder- trächtigster Kerl! - -
Habe ich das geringste gegen sie unternom- men, meine Geliebte, das diese Ungedult nach ei- ner mehr hoffnungsvollen Beruhigung rechtfer- tigen könne?
Sie rang ihre Hände. Sie verschob ihr Kopfzeug. Sie zerriß ihre Manschetten. Sie war vollkommen außer sich.
Mir
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vorbey fliegen geſehen. Und gleichwohl kann der Blitz nicht geſchwinder ſeyn, als ich war.
Jch brachte ſie wieder, mit unſaͤglichem Wi- derſtreben an ihrer Seite, in den Speiſeſaal hin- auf; und befahl vor ihren Ohren einem Bedien- ten, daß er in Zukunft beſtaͤndig unten an der Treppe ſtehen ſollte.
Die Betruͤbniß und das Misvergnuͤgen, ſich in ihrer Abſicht betrogen zu ſehen, ſchienen ſie bey- nahe zu erwuͤrgen.
Dorcas bewies ſich ausnehmend geſchaͤfftig um ſie, und ſagte ganz dreiſt, als ihre eigne Mey- nung, heraus, daß ihre theureſte Fraͤulein billig die Freyheit haben ſollte, ſich einen andern Auf- enthalt zu machen, da dieß Haus ihr ſo zuwi- der waͤre: wenn ſie auch todt daruͤber geſchlagen wuͤrde, wollte ſie es doch ſagen. Dafuͤr hieß ſie auch hernach die gute Dorcas.
Eine Zeitlang war das liebe Kind lauter Feuer und Flamme.
Jch ſehe, ich ſehe, ſprach ſie, nachdem ich ſie wieder herauf gebracht hatte, was ich von euren neuen Betheurungen zu gewarten habe, o nieder- traͤchtigſter Kerl! ‒ ‒
Habe ich das geringſte gegen ſie unternom- men, meine Geliebte, das dieſe Ungedult nach ei- ner mehr hoffnungsvollen Beruhigung rechtfer- tigen koͤnne?
Sie rang ihre Haͤnde. Sie verſchob ihr Kopfzeug. Sie zerriß ihre Manſchetten. Sie war vollkommen außer ſich.
Mir
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vorbey fliegen geſehen. Und gleichwohl kann der
Blitz nicht geſchwinder ſeyn, als ich war.
Jch brachte ſie wieder, mit unſaͤglichem Wi-
derſtreben an ihrer Seite, in den Speiſeſaal hin-
auf; und befahl vor ihren Ohren einem Bedien-
ten, daß er in Zukunft beſtaͤndig unten an der
Treppe ſtehen ſollte.
Die Betruͤbniß und das Misvergnuͤgen, ſich
in ihrer Abſicht betrogen zu ſehen, ſchienen ſie bey-
nahe zu erwuͤrgen.
Dorcas bewies ſich ausnehmend geſchaͤfftig
um ſie, und ſagte ganz dreiſt, als ihre eigne Mey-
nung, heraus, daß ihre theureſte Fraͤulein billig
die Freyheit haben ſollte, ſich einen andern Auf-
enthalt zu machen, da dieß Haus ihr ſo zuwi-
der waͤre: wenn ſie auch todt daruͤber geſchlagen
wuͤrde, wollte ſie es doch ſagen. Dafuͤr hieß ſie
auch hernach die gute Dorcas.
Eine Zeitlang war das liebe Kind lauter
Feuer und Flamme.
Jch ſehe, ich ſehe, ſprach ſie, nachdem ich ſie
wieder herauf gebracht hatte, was ich von euren
neuen Betheurungen zu gewarten habe, o nieder-
traͤchtigſter Kerl! ‒ ‒
Habe ich das geringſte gegen ſie unternom-
men, meine Geliebte, das dieſe Ungedult nach ei-
ner mehr hoffnungsvollen Beruhigung rechtfer-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 693. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/699>, abgerufen am 24.11.2024.
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