"so bemüht er sich, sie dahin zu bringen, daß sie "mit ihm das Leben der Ehre eingehe, wie er "es nennet; und gewinnet zuletzt durch Ränke, "Künste und listige Anschläge.
"Er entschließet sich, niemals ein anderes "Frauenzimmer zu heyrathen, macht sich eine "Ehre daraus, ihr seinen Namen gegeben zu "haben, da zwischen ihnen nichts als ein Kir- "chengebrauch fehlet, und begegnet ihr mit ver- "dienter Zärtlichkeit. Kein Mensch zweifelt an "ihrer Verheyrathung, als nur ihre stolzen An- "verwandten, bey denen er den Zweifel wünschet. "Alle Jahr ein artiges Knäbchen. Vermögen "genug, die anwachsende Familie mit anständi- "ger Pracht zu unterhalten - - Ein zärtlicher "Vater. Allezeit ein warmer Freund, ein güti- "ger Hausherr und ein richtiger Bezahler - - "Doch bisweilen vielleicht von so vieler Nachsicht "gegen sich selbst, daß er einen neuen Gegenstand "wählet, um ihn mit desto größerm Vergnügen "zu seiner reizenden Clarissa zurück zubringen - - "Sein einziger Fehler ist die Liebe zu dem an- "dern Geschlechte - - Der sich gleichwohl, wie die "Frauenzimmer sagen, von selbst bessern wird - - Jn "so fern ist er zu vertheidigen, daß er bey seinen "Streifereyen keinen Bündnissen Eingriff thut" - -
Was ist denn bey dem gewöhnlichen Laufe der Welt so gar arges in dem allen?
Jch versichere, daß es tausend und abermal tausend giebt, die ärgere Historien zu erzählen haben, als diese scheinen würde, wenn ich dich
nicht
„ſo bemuͤht er ſich, ſie dahin zu bringen, daß ſie „mit ihm das Leben der Ehre eingehe, wie er „es nennet; und gewinnet zuletzt durch Raͤnke, „Kuͤnſte und liſtige Anſchlaͤge.
„Er entſchließet ſich, niemals ein anderes „Frauenzimmer zu heyrathen, macht ſich eine „Ehre daraus, ihr ſeinen Namen gegeben zu „haben, da zwiſchen ihnen nichts als ein Kir- „chengebrauch fehlet, und begegnet ihr mit ver- „dienter Zaͤrtlichkeit. Kein Menſch zweifelt an „ihrer Verheyrathung, als nur ihre ſtolzen An- „verwandten, bey denen er den Zweifel wuͤnſchet. „Alle Jahr ein artiges Knaͤbchen. Vermoͤgen „genug, die anwachſende Familie mit anſtaͤndi- „ger Pracht zu unterhalten ‒ ‒ Ein zaͤrtlicher „Vater. Allezeit ein warmer Freund, ein guͤti- „ger Hausherr und ein richtiger Bezahler ‒ ‒ „Doch bisweilen vielleicht von ſo vieler Nachſicht „gegen ſich ſelbſt, daß er einen neuen Gegenſtand „waͤhlet, um ihn mit deſto groͤßerm Vergnuͤgen „zu ſeiner reizenden Clariſſa zuruͤck zubringen ‒ ‒ „Sein einziger Fehler iſt die Liebe zu dem an- „dern Geſchlechte ‒ ‒ Der ſich gleichwohl, wie die „Frauenzimmer ſagen, von ſelbſt beſſern wird ‒ ‒ Jn „ſo fern iſt er zu vertheidigen, daß er bey ſeinen „Streifereyen keinen Buͤndniſſen Eingriff thut“ ‒ ‒
Was iſt denn bey dem gewoͤhnlichen Laufe der Welt ſo gar arges in dem allen?
Jch verſichere, daß es tauſend und abermal tauſend giebt, die aͤrgere Hiſtorien zu erzaͤhlen haben, als dieſe ſcheinen wuͤrde, wenn ich dich
nicht
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„ſo bemuͤht er ſich, ſie dahin zu bringen, daß ſie
„mit ihm das Leben der Ehre eingehe, wie er
„es nennet; und gewinnet zuletzt durch Raͤnke,
„Kuͤnſte und liſtige Anſchlaͤge.
„Er entſchließet ſich, niemals ein anderes
„Frauenzimmer zu heyrathen, macht ſich eine
„Ehre daraus, ihr ſeinen Namen gegeben zu
„haben, da zwiſchen ihnen nichts als ein Kir-
„chengebrauch fehlet, und begegnet ihr mit ver-
„dienter Zaͤrtlichkeit. Kein Menſch zweifelt an
„ihrer Verheyrathung, als nur ihre ſtolzen An-
„verwandten, bey denen er den Zweifel wuͤnſchet.
„Alle Jahr ein artiges Knaͤbchen. Vermoͤgen
„genug, die anwachſende Familie mit anſtaͤndi-
„ger Pracht zu unterhalten ‒ ‒ Ein zaͤrtlicher
„Vater. Allezeit ein warmer Freund, ein guͤti-
„ger Hausherr und ein richtiger Bezahler ‒ ‒
„Doch bisweilen vielleicht von ſo vieler Nachſicht
„gegen ſich ſelbſt, daß er einen neuen Gegenſtand
„waͤhlet, um ihn mit deſto groͤßerm Vergnuͤgen
„zu ſeiner reizenden Clariſſa zuruͤck zubringen ‒ ‒
„Sein einziger Fehler iſt die Liebe zu dem an-
„dern Geſchlechte ‒ ‒ Der ſich gleichwohl, wie die
„Frauenzimmer ſagen, von ſelbſt beſſern wird ‒ ‒ Jn
„ſo fern iſt er zu vertheidigen, daß er bey ſeinen
„Streifereyen keinen Buͤndniſſen Eingriff thut“ ‒ ‒
Was iſt denn bey dem gewoͤhnlichen Laufe
der Welt ſo gar arges in dem allen?
Jch verſichere, daß es tauſend und abermal
tauſend giebt, die aͤrgere Hiſtorien zu erzaͤhlen
haben, als dieſe ſcheinen wuͤrde, wenn ich dich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/68>, abgerufen am 24.11.2024.
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