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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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bet, sie anzugreiffen, bis meine Sinne vorher
aufgeopfert wären.

Hierauf bemühete ich mich zu reden, ob ich
gleich nicht damit fortkommen konnte, und legte
meine Feder nieder. Allein sie fuhr fort: Höre
mich aus, strafbarer Bösewicht! - - verruchter
Kerl! - - Kerl sage ich? - - Ja, was kann
ich dir wohl sonst für einen Namen geben? Das
Morden und Würgen der grimmigsten Thiere
würde weit natürlicher, und mir unaussprechlich
lieber gewesen seyn, als das, was ihr gegen mich
verübet habt; und noch dazu mit solchen vorsetzli-
chen Anschlägen und Kunstgriffen, die nur allein
dem einzigen Herzen anständig sind, das itzo, so
niederträchtig und undankbar du auch bist, in
dir zu zittern scheinet - - Du hast wohl Ursache
zu zittern; du hast wohl Ursache zu beben und
zu stocken und zu stottern, wie du thust: wenn du
bedenkest, was ich deinetwegen ausgestanden ha-
be, und wie du mir vergolten hast.

Bey meiner Seele, Belford, der ganze Bau
meines Körpers ward erschüttert. Denn nicht
allein ihre Blicke und ihr Anstand, sondern auch
ihre so nachdrückliche Stimme war unaussprech-
lich rührend. Ja mein verfluchtes Verbrechen,
und ihre Unschuld, ihre Verdienste, ihr Stand,
ihre hohen Gaben, alles fiel mir damals so fürch-
terlich in die Augen, daß die Rechenschaft, zu
welcher sie mich unerwartet forderte, mir nach
meinen damaligen Gedanken jenem allgemeinen
Gerichte ähnlich schien, zu welchem wir aufge-

fordert
S s 4



bet, ſie anzugreiffen, bis meine Sinne vorher
aufgeopfert waͤren.

Hierauf bemuͤhete ich mich zu reden, ob ich
gleich nicht damit fortkommen konnte, und legte
meine Feder nieder. Allein ſie fuhr fort: Hoͤre
mich aus, ſtrafbarer Boͤſewicht! ‒ ‒ verruchter
Kerl! ‒ ‒ Kerl ſage ich? ‒ ‒ Ja, was kann
ich dir wohl ſonſt fuͤr einen Namen geben? Das
Morden und Wuͤrgen der grimmigſten Thiere
wuͤrde weit natuͤrlicher, und mir unausſprechlich
lieber geweſen ſeyn, als das, was ihr gegen mich
veruͤbet habt; und noch dazu mit ſolchen vorſetzli-
chen Anſchlaͤgen und Kunſtgriffen, die nur allein
dem einzigen Herzen anſtaͤndig ſind, das itzo, ſo
niedertraͤchtig und undankbar du auch biſt, in
dir zu zittern ſcheinet ‒ ‒ Du haſt wohl Urſache
zu zittern; du haſt wohl Urſache zu beben und
zu ſtocken und zu ſtottern, wie du thuſt: wenn du
bedenkeſt, was ich deinetwegen ausgeſtanden ha-
be, und wie du mir vergolten haſt.

Bey meiner Seele, Belford, der ganze Bau
meines Koͤrpers ward erſchuͤttert. Denn nicht
allein ihre Blicke und ihr Anſtand, ſondern auch
ihre ſo nachdruͤckliche Stimme war unausſprech-
lich ruͤhrend. Ja mein verfluchtes Verbrechen,
und ihre Unſchuld, ihre Verdienſte, ihr Stand,
ihre hohen Gaben, alles fiel mir damals ſo fuͤrch-
terlich in die Augen, daß die Rechenſchaft, zu
welcher ſie mich unerwartet forderte, mir nach
meinen damaligen Gedanken jenem allgemeinen
Gerichte aͤhnlich ſchien, zu welchem wir aufge-

fordert
S s 4
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[647/0653] bet, ſie anzugreiffen, bis meine Sinne vorher aufgeopfert waͤren. Hierauf bemuͤhete ich mich zu reden, ob ich gleich nicht damit fortkommen konnte, und legte meine Feder nieder. Allein ſie fuhr fort: Hoͤre mich aus, ſtrafbarer Boͤſewicht! ‒ ‒ verruchter Kerl! ‒ ‒ Kerl ſage ich? ‒ ‒ Ja, was kann ich dir wohl ſonſt fuͤr einen Namen geben? Das Morden und Wuͤrgen der grimmigſten Thiere wuͤrde weit natuͤrlicher, und mir unausſprechlich lieber geweſen ſeyn, als das, was ihr gegen mich veruͤbet habt; und noch dazu mit ſolchen vorſetzli- chen Anſchlaͤgen und Kunſtgriffen, die nur allein dem einzigen Herzen anſtaͤndig ſind, das itzo, ſo niedertraͤchtig und undankbar du auch biſt, in dir zu zittern ſcheinet ‒ ‒ Du haſt wohl Urſache zu zittern; du haſt wohl Urſache zu beben und zu ſtocken und zu ſtottern, wie du thuſt: wenn du bedenkeſt, was ich deinetwegen ausgeſtanden ha- be, und wie du mir vergolten haſt. Bey meiner Seele, Belford, der ganze Bau meines Koͤrpers ward erſchuͤttert. Denn nicht allein ihre Blicke und ihr Anſtand, ſondern auch ihre ſo nachdruͤckliche Stimme war unausſprech- lich ruͤhrend. Ja mein verfluchtes Verbrechen, und ihre Unſchuld, ihre Verdienſte, ihr Stand, ihre hohen Gaben, alles fiel mir damals ſo fuͤrch- terlich in die Augen, daß die Rechenſchaft, zu welcher ſie mich unerwartet forderte, mir nach meinen damaligen Gedanken jenem allgemeinen Gerichte aͤhnlich ſchien, zu welchem wir aufge- fordert S s 4

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 647. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/653>, abgerufen am 22.11.2024.