sie würden es nicht thun: wenn sie wüßten, was es ausgestanden hat, seit der unglücklichen - - Und will niemand für ihr armes geplagtes Mägdchen eine Fürbitte thun? - - Nicht eine gute Seele? - - Wohlan denn, Werthester Herr Vater, lassen sie es ein Werk ihrer eignen angebohrnen Gütigkeit seyn, die ich so viel erfah- ren und so viel gemisbrauchet habe. - - Jch lasse mir nicht die hohen Gedanken in den Kopf kommen, daß sie mich wieder annehmen sollten - - Nein, in der That nicht - - Mein Name ist - - Jch weiß nicht, wie ich heiße - - Jch darf nimmermehr wünschen, wieder in ihre Fa- milie zu kommen. - - Nur ihr schwerer Fluch, Herr Vater - - Ja, ich will sie Vater nennen: sie mögen selbst thun, was sie wollen - - Denn sie sind mein eigner lieber Vater, sie mögen wol- len oder nicht - - Und bin ich gleich ein unwür- diges Kind - - so bin ich doch ihr Kind - -
Das III Blatt.
Ein Mägdchen warf ihre Neigung auf einen jungen Löwen oder Bär, ich weiß nicht, was es von beyden war - - aber ein Bär oder ein Tiger, glaube ich, war es. Das Thier ward ihr geschenkt, da es noch ganz klein war. Sie füt- terte es mit ihrer eignen Hand. Sie zog die bö- se Bruth mit großer Zärtlichkeit auf und wollte damit ohne Furcht, oder ohne einige Gefahr zu besorgen, spielen. Das Thier gehorchte ihr in
allem
ſie wuͤrden es nicht thun: wenn ſie wuͤßten, was es ausgeſtanden hat, ſeit der ungluͤcklichen ‒ ‒ Und will niemand fuͤr ihr armes geplagtes Maͤgdchen eine Fuͤrbitte thun? ‒ ‒ Nicht eine gute Seele? ‒ ‒ Wohlan denn, Wertheſter Herr Vater, laſſen ſie es ein Werk ihrer eignen angebohrnen Guͤtigkeit ſeyn, die ich ſo viel erfah- ren und ſo viel gemisbrauchet habe. ‒ ‒ Jch laſſe mir nicht die hohen Gedanken in den Kopf kommen, daß ſie mich wieder annehmen ſollten ‒ ‒ Nein, in der That nicht ‒ ‒ Mein Name iſt ‒ ‒ Jch weiß nicht, wie ich heiße ‒ ‒ Jch darf nimmermehr wuͤnſchen, wieder in ihre Fa- milie zu kommen. ‒ ‒ Nur ihr ſchwerer Fluch, Herr Vater ‒ ‒ Ja, ich will ſie Vater nennen: ſie moͤgen ſelbſt thun, was ſie wollen ‒ ‒ Denn ſie ſind mein eigner lieber Vater, ſie moͤgen wol- len oder nicht ‒ ‒ Und bin ich gleich ein unwuͤr- diges Kind ‒ ‒ ſo bin ich doch ihr Kind ‒ ‒
Das III Blatt.
Ein Maͤgdchen warf ihre Neigung auf einen jungen Loͤwen oder Baͤr, ich weiß nicht, was es von beyden war ‒ ‒ aber ein Baͤr oder ein Tiger, glaube ich, war es. Das Thier ward ihr geſchenkt, da es noch ganz klein war. Sie fuͤt- terte es mit ihrer eignen Hand. Sie zog die boͤ- ſe Bruth mit großer Zaͤrtlichkeit auf und wollte damit ohne Furcht, oder ohne einige Gefahr zu beſorgen, ſpielen. Das Thier gehorchte ihr in
allem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><floatingText><body><divtype="letter"n="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0625"n="619"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>ſie wuͤrden es nicht thun: wenn ſie wuͤßten, was<lb/>
es ausgeſtanden hat, ſeit der ungluͤcklichen ‒‒<lb/>
Und will niemand fuͤr ihr armes geplagtes<lb/>
Maͤgdchen eine Fuͤrbitte thun? ‒‒ Nicht eine<lb/>
gute Seele? ‒‒ Wohlan denn, Wertheſter<lb/>
Herr Vater, laſſen ſie es ein Werk ihrer eignen<lb/>
angebohrnen Guͤtigkeit ſeyn, die ich ſo viel erfah-<lb/>
ren und ſo viel gemisbrauchet habe. ‒‒ Jch<lb/>
laſſe mir nicht die hohen Gedanken in den Kopf<lb/>
kommen, daß ſie mich wieder annehmen ſollten<lb/>‒‒ Nein, in der That nicht ‒‒ Mein Name<lb/>
iſt ‒‒ Jch weiß nicht, wie ich heiße ‒‒ Jch<lb/>
darf nimmermehr wuͤnſchen, wieder in ihre Fa-<lb/>
milie zu kommen. ‒‒ Nur ihr ſchwerer Fluch,<lb/>
Herr Vater ‒‒ Ja, ich <hirendition="#fr">will</hi>ſie Vater nennen:<lb/>ſie moͤgen ſelbſt thun, was ſie wollen ‒‒ Denn<lb/>ſie ſind mein eigner lieber Vater, ſie moͤgen wol-<lb/>
len oder nicht ‒‒ Und bin ich gleich ein unwuͤr-<lb/>
diges Kind ‒‒ſo <hirendition="#fr">bin</hi> ich doch ihr Kind ‒‒</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Das <hirendition="#aq">III</hi> Blatt.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>in Maͤgdchen warf ihre Neigung auf einen<lb/>
jungen Loͤwen oder Baͤr, ich weiß nicht, was<lb/>
es von beyden war ‒‒ aber ein Baͤr oder ein<lb/>
Tiger, glaube ich, war es. Das Thier ward ihr<lb/>
geſchenkt, da es noch ganz klein war. Sie fuͤt-<lb/>
terte es mit ihrer eignen Hand. Sie zog die boͤ-<lb/>ſe Bruth mit großer Zaͤrtlichkeit auf und wollte<lb/>
damit ohne Furcht, oder ohne einige Gefahr zu<lb/>
beſorgen, ſpielen. Das Thier gehorchte ihr in<lb/><fwplace="bottom"type="catch">allem</fw><lb/></p></div></div></body></floatingText></div></div></div></body></text></TEI>
[619/0625]
ſie wuͤrden es nicht thun: wenn ſie wuͤßten, was
es ausgeſtanden hat, ſeit der ungluͤcklichen ‒ ‒
Und will niemand fuͤr ihr armes geplagtes
Maͤgdchen eine Fuͤrbitte thun? ‒ ‒ Nicht eine
gute Seele? ‒ ‒ Wohlan denn, Wertheſter
Herr Vater, laſſen ſie es ein Werk ihrer eignen
angebohrnen Guͤtigkeit ſeyn, die ich ſo viel erfah-
ren und ſo viel gemisbrauchet habe. ‒ ‒ Jch
laſſe mir nicht die hohen Gedanken in den Kopf
kommen, daß ſie mich wieder annehmen ſollten
‒ ‒ Nein, in der That nicht ‒ ‒ Mein Name
iſt ‒ ‒ Jch weiß nicht, wie ich heiße ‒ ‒ Jch
darf nimmermehr wuͤnſchen, wieder in ihre Fa-
milie zu kommen. ‒ ‒ Nur ihr ſchwerer Fluch,
Herr Vater ‒ ‒ Ja, ich will ſie Vater nennen:
ſie moͤgen ſelbſt thun, was ſie wollen ‒ ‒ Denn
ſie ſind mein eigner lieber Vater, ſie moͤgen wol-
len oder nicht ‒ ‒ Und bin ich gleich ein unwuͤr-
diges Kind ‒ ‒ ſo bin ich doch ihr Kind ‒ ‒
Das III Blatt.
Ein Maͤgdchen warf ihre Neigung auf einen
jungen Loͤwen oder Baͤr, ich weiß nicht, was
es von beyden war ‒ ‒ aber ein Baͤr oder ein
Tiger, glaube ich, war es. Das Thier ward ihr
geſchenkt, da es noch ganz klein war. Sie fuͤt-
terte es mit ihrer eignen Hand. Sie zog die boͤ-
ſe Bruth mit großer Zaͤrtlichkeit auf und wollte
damit ohne Furcht, oder ohne einige Gefahr zu
beſorgen, ſpielen. Das Thier gehorchte ihr in
allem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 619. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/625>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.