Jch will ihr Beschützer seyn, mein liebster Engel! - - Aber sie sind in der That unfreund- lich hart gegen die arme Fr. Sinclair! Jn der That, sie sind es! - - Sie ist eine Frau von gu- tem Herkommen und die Witwe eines angeseh- nen Mannes. Ob sie gleich in solchen Umstän- den von ihm gelassen ist, daß sie genöthigt wird, Zimmer zu vermiethen: so würde sie es doch für schändlich halten, mit Wissen und Willen eine Niederträchtigkeit zu begehen.
Das hoffe ich - - es mag so seyn - - ich kann mich irren - - Aber - - Aber es ist doch kein Verbrechen, meines Crachtens, keine Verrä- therey, wenn ich sage, daß mir ihr Haus nicht gesällt.
Der alte Drache spreitzte sich inzwischen ge- gen sie und setzte ihre Hände wiederum frech in die Seite. Jhre Augenbraunen stunden in die Höhe, wie die Bürsten auf einem Schweinsrü- cken. Sie rümpfte ihre kurze Nase: und ver- steckte dadurch ihre durchforschenden Augen mehr, als auf die Hälfte. Jhr Mund war ungestaltet verzogen. Sie bließ ihre dicken Lippen auf: als wenn sie mit Blasebälgen Wind und Lerm in ihren pferdmäßigen Naselöchern machen woll- te. Jhr Kinn war lang gezogen, und ragte bey ihrer Gemüthsbewegung weiter, als sonst ordent- lich, hervor.
Sie ging mit einem zweymal wiederholten Ho! Madame, auf die erschrockne Schöne zu: und diese ergriff vor Schrecken meinen Ermel.
Jch
Jch will ihr Beſchuͤtzer ſeyn, mein liebſter Engel! ‒ ‒ Aber ſie ſind in der That unfreund- lich hart gegen die arme Fr. Sinclair! Jn der That, ſie ſind es! ‒ ‒ Sie iſt eine Frau von gu- tem Herkommen und die Witwe eines angeſeh- nen Mannes. Ob ſie gleich in ſolchen Umſtaͤn- den von ihm gelaſſen iſt, daß ſie genoͤthigt wird, Zimmer zu vermiethen: ſo wuͤrde ſie es doch fuͤr ſchaͤndlich halten, mit Wiſſen und Willen eine Niedertraͤchtigkeit zu begehen.
Das hoffe ich ‒ ‒ es mag ſo ſeyn ‒ ‒ ich kann mich irren ‒ ‒ Aber ‒ ‒ Aber es iſt doch kein Verbrechen, meines Crachtens, keine Verraͤ- therey, wenn ich ſage, daß mir ihr Haus nicht geſaͤllt.
Der alte Drache ſpreitzte ſich inzwiſchen ge- gen ſie und ſetzte ihre Haͤnde wiederum frech in die Seite. Jhre Augenbraunen ſtunden in die Hoͤhe, wie die Buͤrſten auf einem Schweinsruͤ- cken. Sie ruͤmpfte ihre kurze Naſe: und ver- ſteckte dadurch ihre durchforſchenden Augen mehr, als auf die Haͤlfte. Jhr Mund war ungeſtaltet verzogen. Sie bließ ihre dicken Lippen auf: als wenn ſie mit Blaſebaͤlgen Wind und Lerm in ihren pferdmaͤßigen Naſeloͤchern machen woll- te. Jhr Kinn war lang gezogen, und ragte bey ihrer Gemuͤthsbewegung weiter, als ſonſt ordent- lich, hervor.
Sie ging mit einem zweymal wiederholten Ho! Madame, auf die erſchrockne Schoͤne zu: und dieſe ergriff vor Schrecken meinen Ermel.
Jch
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Jch will ihr Beſchuͤtzer ſeyn, mein liebſter
Engel! ‒ ‒ Aber ſie ſind in der That unfreund-
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That, ſie ſind es! ‒ ‒ Sie iſt eine Frau von gu-
tem Herkommen und die Witwe eines angeſeh-
nen Mannes. Ob ſie gleich in ſolchen Umſtaͤn-
den von ihm gelaſſen iſt, daß ſie genoͤthigt wird,
Zimmer zu vermiethen: ſo wuͤrde ſie es doch fuͤr
ſchaͤndlich halten, mit Wiſſen und Willen eine
Niedertraͤchtigkeit zu begehen.
Das hoffe ich ‒ ‒ es mag ſo ſeyn ‒ ‒ ich
kann mich irren ‒ ‒ Aber ‒ ‒ Aber es iſt doch
kein Verbrechen, meines Crachtens, keine Verraͤ-
therey, wenn ich ſage, daß mir ihr Haus nicht
geſaͤllt.
Der alte Drache ſpreitzte ſich inzwiſchen ge-
gen ſie und ſetzte ihre Haͤnde wiederum frech in
die Seite. Jhre Augenbraunen ſtunden in die
Hoͤhe, wie die Buͤrſten auf einem Schweinsruͤ-
cken. Sie ruͤmpfte ihre kurze Naſe: und ver-
ſteckte dadurch ihre durchforſchenden Augen mehr,
als auf die Haͤlfte. Jhr Mund war ungeſtaltet
verzogen. Sie bließ ihre dicken Lippen auf:
als wenn ſie mit Blaſebaͤlgen Wind und Lerm
in ihren pferdmaͤßigen Naſeloͤchern machen woll-
te. Jhr Kinn war lang gezogen, und ragte bey
ihrer Gemuͤthsbewegung weiter, als ſonſt ordent-
lich, hervor.
Sie ging mit einem zweymal wiederholten
Ho! Madame, auf die erſchrockne Schoͤne zu:
und dieſe ergriff vor Schrecken meinen Ermel.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/600>, abgerufen am 23.11.2024.
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