Eben da sie die letzten Worte: Meynen sie es in Ehren mit mir, so lassen sie mich aus diesem verhaßten Hause gehen, ausgesprochen hatte, kam Fr. Sinclair in großer Wallung her- ein. - - Und, Madame, erlauben sie, was hat ihnen dieß Haus zuwider gethan? - - Herr Lovelace, sie haben mich schon einige Zeit gekannt. Und wenn ich gleich nicht so eigen und von so vie- ler Bedenklichkeit bin, als dieß Frauenzimmer: so hoffe ich doch nicht zu verdienen, daß man mir so begegne.
Sie setzte darauf ihre großen und groben Ar- me steif in die Seite. Ho! Madame, sie mö- gen wissen, daß ich mich ausnehmend über die Freyheiten wundere, die sie gegen meinen Stand und guten Namen gebrauchen! Und Herr Love- lace; hiebey warf sie den Kopf in die Höhe und schüttelte ihn gewaltig; wenn sie ein rechtschaffe- ner Cavallier sind, und ein Mann, der auf Ehre hält - -
Da die Fräulein an diesem Weibe vorher niemals etwas anderes, als Willfährigkeit, gese- hen hatte; so wenig sie auch von ihr hielte: so ward sie durch ihr männliches Ansehen und ihre freche Blicke in Schrecken gesetzet - - Gott hel- fe mir! rief sie. Wie wird es nun mit mir werden! Sie wandte hierauf den Kopf in einer gewissen wilden Bestürzung von einer Seite zur andern und redete weiter. Wer ist mein Be- schützer! Wie wird es nun mit mir werden!
Jch
Fünfter Theil. P p
Eben da ſie die letzten Worte: Meynen ſie es in Ehren mit mir, ſo laſſen ſie mich aus dieſem verhaßten Hauſe gehen, ausgeſprochen hatte, kam Fr. Sinclair in großer Wallung her- ein. ‒ ‒ Und, Madame, erlauben ſie, was hat ihnen dieß Haus zuwider gethan? ‒ ‒ Herr Lovelace, ſie haben mich ſchon einige Zeit gekannt. Und wenn ich gleich nicht ſo eigen und von ſo vie- ler Bedenklichkeit bin, als dieß Frauenzimmer: ſo hoffe ich doch nicht zu verdienen, daß man mir ſo begegne.
Sie ſetzte darauf ihre großen und groben Ar- me ſteif in die Seite. Ho! Madame, ſie moͤ- gen wiſſen, daß ich mich ausnehmend uͤber die Freyheiten wundere, die ſie gegen meinen Stand und guten Namen gebrauchen! Und Herr Love- lace; hiebey warf ſie den Kopf in die Hoͤhe und ſchuͤttelte ihn gewaltig; wenn ſie ein rechtſchaffe- ner Cavallier ſind, und ein Mann, der auf Ehre haͤlt ‒ ‒
Da die Fraͤulein an dieſem Weibe vorher niemals etwas anderes, als Willfaͤhrigkeit, geſe- hen hatte; ſo wenig ſie auch von ihr hielte: ſo ward ſie durch ihr maͤnnliches Anſehen und ihre freche Blicke in Schrecken geſetzet ‒ ‒ Gott hel- fe mir! rief ſie. Wie wird es nun mit mir werden! Sie wandte hierauf den Kopf in einer gewiſſen wilden Beſtuͤrzung von einer Seite zur andern und redete weiter. Wer iſt mein Be- ſchuͤtzer! Wie wird es nun mit mir werden!
Jch
Fuͤnfter Theil. P p
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0599"n="593"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Eben da ſie die letzten Worte: <hirendition="#fr">Meynen ſie<lb/>
es in Ehren mit mir, ſo laſſen ſie mich aus<lb/>
dieſem verhaßten Hauſe gehen,</hi> ausgeſprochen<lb/>
hatte, kam Fr. Sinclair in großer Wallung her-<lb/>
ein. ‒‒ Und, Madame, erlauben ſie, was hat<lb/>
ihnen <hirendition="#fr">dieß Haus</hi> zuwider gethan? ‒‒ Herr<lb/>
Lovelace, ſie haben mich ſchon einige Zeit gekannt.<lb/>
Und wenn ich gleich nicht ſo eigen und von ſo vie-<lb/>
ler Bedenklichkeit bin, als dieß Frauenzimmer:<lb/>ſo hoffe ich doch nicht zu verdienen, daß man mir<lb/>ſo begegne.</p><lb/><p>Sie ſetzte darauf ihre großen und groben Ar-<lb/>
me ſteif in die Seite. <hirendition="#fr">Ho!</hi> Madame, ſie moͤ-<lb/>
gen wiſſen, daß ich mich ausnehmend uͤber die<lb/>
Freyheiten wundere, die ſie gegen meinen Stand<lb/>
und guten Namen gebrauchen! Und Herr Love-<lb/>
lace; hiebey warf ſie den Kopf in die Hoͤhe und<lb/>ſchuͤttelte ihn gewaltig; wenn ſie ein rechtſchaffe-<lb/>
ner Cavallier ſind, und ein Mann, der auf Ehre<lb/>
haͤlt ‒‒</p><lb/><p>Da die Fraͤulein an dieſem Weibe vorher<lb/>
niemals etwas anderes, als Willfaͤhrigkeit, geſe-<lb/>
hen hatte; ſo wenig ſie auch von ihr hielte: ſo<lb/>
ward ſie durch ihr maͤnnliches Anſehen und ihre<lb/>
freche Blicke in Schrecken geſetzet ‒‒ Gott hel-<lb/>
fe mir! rief ſie. Wie wird es nun mit mir<lb/>
werden! Sie wandte hierauf den Kopf in einer<lb/>
gewiſſen wilden Beſtuͤrzung von einer Seite zur<lb/>
andern und redete weiter. Wer iſt mein Be-<lb/>ſchuͤtzer! Wie wird es nun mit mir werden!</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Fuͤnfter Theil.</hi> P p</fw><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[593/0599]
Eben da ſie die letzten Worte: Meynen ſie
es in Ehren mit mir, ſo laſſen ſie mich aus
dieſem verhaßten Hauſe gehen, ausgeſprochen
hatte, kam Fr. Sinclair in großer Wallung her-
ein. ‒ ‒ Und, Madame, erlauben ſie, was hat
ihnen dieß Haus zuwider gethan? ‒ ‒ Herr
Lovelace, ſie haben mich ſchon einige Zeit gekannt.
Und wenn ich gleich nicht ſo eigen und von ſo vie-
ler Bedenklichkeit bin, als dieß Frauenzimmer:
ſo hoffe ich doch nicht zu verdienen, daß man mir
ſo begegne.
Sie ſetzte darauf ihre großen und groben Ar-
me ſteif in die Seite. Ho! Madame, ſie moͤ-
gen wiſſen, daß ich mich ausnehmend uͤber die
Freyheiten wundere, die ſie gegen meinen Stand
und guten Namen gebrauchen! Und Herr Love-
lace; hiebey warf ſie den Kopf in die Hoͤhe und
ſchuͤttelte ihn gewaltig; wenn ſie ein rechtſchaffe-
ner Cavallier ſind, und ein Mann, der auf Ehre
haͤlt ‒ ‒
Da die Fraͤulein an dieſem Weibe vorher
niemals etwas anderes, als Willfaͤhrigkeit, geſe-
hen hatte; ſo wenig ſie auch von ihr hielte: ſo
ward ſie durch ihr maͤnnliches Anſehen und ihre
freche Blicke in Schrecken geſetzet ‒ ‒ Gott hel-
fe mir! rief ſie. Wie wird es nun mit mir
werden! Sie wandte hierauf den Kopf in einer
gewiſſen wilden Beſtuͤrzung von einer Seite zur
andern und redete weiter. Wer iſt mein Be-
ſchuͤtzer! Wie wird es nun mit mir werden!
Jch
Fuͤnfter Theil. P p
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/599>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.