Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



überwunden hat: so herrschet in ihrem lieblichen
Gesichte eine gewisse ängstliche Freundlichkeit! -
- Aber wie wird auch diese selbst in wenigen
Stunden verwandelt seyn!

Mich deucht, ich fange an, mit dieser halb
furchtsamen Schönheit Mitleiden zu haben! - -
Allein, fort ungebetener Gast, ung elegnes Mit-
leiden! Du hast es schon mehr als einmal bey-
nahe mit mir ausgemacht - - Gute Nacht Ue-
berlegung! Weg Achtung und Erbarmen! Jch
gebe euch allen euren Abschied wenigstens auf
eine ganze künftige Woche! - - Es erwecke sich
in mir das Angedenken ihrer Untreue, womit sie
ihr Wort gebrochen hat! Das Angedenken ihrer
Flucht zu der Zeit, da meine für sie eingenom-
mene Seele ihr Barmherzigkeit zu thun gedachte!
Das Angedenken der Härte, womit sie mir in
ihrem Briefe bey der Flucht nach Hampstead
begegnet! Des Giftes, das sie zu Hampstead
über mich ausgegossen hat! - - Was ist wohl,
das sie von einem aus seinen Ketten gelassenen
Beelzebub, von einem ehrenlosen Ränkeschmieder
nicht erwarten wüßte?

Es erwecke sich auch das Angedenken des
Vorzugs, den sie dem ledigen Stande vor mir
giebet! - - Daß sie mich verachtet! - - Daß
sie sich so gar weigert, mein Weib zu seyn! - -
Ein stolzer Lovelace sollte sich ein Weib abschla-
gen lassen! - - Sollte noch stolzer von einer
Harlowischen Tochter abgewiesen werden! - -
Da die vornehmen Frauenzimmer aus meiner

Familie;
O o 2



uͤberwunden hat: ſo herrſchet in ihrem lieblichen
Geſichte eine gewiſſe aͤngſtliche Freundlichkeit! ‒
‒ Aber wie wird auch dieſe ſelbſt in wenigen
Stunden verwandelt ſeyn!

Mich deucht, ich fange an, mit dieſer halb
furchtſamen Schoͤnheit Mitleiden zu haben! ‒ ‒
Allein, fort ungebetener Gaſt, ung elegnes Mit-
leiden! Du haſt es ſchon mehr als einmal bey-
nahe mit mir ausgemacht ‒ ‒ Gute Nacht Ue-
berlegung! Weg Achtung und Erbarmen! Jch
gebe euch allen euren Abſchied wenigſtens auf
eine ganze kuͤnftige Woche! ‒ ‒ Es erwecke ſich
in mir das Angedenken ihrer Untreue, womit ſie
ihr Wort gebrochen hat! Das Angedenken ihrer
Flucht zu der Zeit, da meine fuͤr ſie eingenom-
mene Seele ihr Barmherzigkeit zu thun gedachte!
Das Angedenken der Haͤrte, womit ſie mir in
ihrem Briefe bey der Flucht nach Hampſtead
begegnet! Des Giftes, das ſie zu Hampſtead
uͤber mich ausgegoſſen hat! ‒ ‒ Was iſt wohl,
das ſie von einem aus ſeinen Ketten gelaſſenen
Beelzebub, von einem ehrenloſen Raͤnkeſchmieder
nicht erwarten wuͤßte?

Es erwecke ſich auch das Angedenken des
Vorzugs, den ſie dem ledigen Stande vor mir
giebet! ‒ ‒ Daß ſie mich verachtet! ‒ ‒ Daß
ſie ſich ſo gar weigert, mein Weib zu ſeyn! ‒ ‒
Ein ſtolzer Lovelace ſollte ſich ein Weib abſchla-
gen laſſen! ‒ ‒ Sollte noch ſtolzer von einer
Harlowiſchen Tochter abgewieſen werden! ‒ ‒
Da die vornehmen Frauenzimmer aus meiner

Familie;
O o 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0585" n="579"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
u&#x0364;berwunden hat: &#x017F;o herr&#x017F;chet in ihrem lieblichen<lb/>
Ge&#x017F;ichte eine gewi&#x017F;&#x017F;e a&#x0364;ng&#x017F;tliche Freundlichkeit! &#x2012;<lb/>
&#x2012; Aber wie wird auch die&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t in wenigen<lb/>
Stunden verwandelt &#x017F;eyn!</p><lb/>
          <p>Mich deucht, ich fange an, mit die&#x017F;er halb<lb/>
furcht&#x017F;amen Scho&#x0364;nheit Mitleiden zu haben! &#x2012; &#x2012;<lb/>
Allein, fort ungebetener Ga&#x017F;t, ung elegnes Mit-<lb/>
leiden! Du ha&#x017F;t es &#x017F;chon mehr als einmal bey-<lb/>
nahe mit mir ausgemacht &#x2012; &#x2012; Gute Nacht Ue-<lb/>
berlegung! Weg Achtung und Erbarmen! Jch<lb/>
gebe euch allen euren Ab&#x017F;chied wenig&#x017F;tens auf<lb/>
eine ganze ku&#x0364;nftige Woche! &#x2012; &#x2012; Es erwecke &#x017F;ich<lb/>
in mir das Angedenken ihrer Untreue, womit &#x017F;ie<lb/>
ihr Wort gebrochen hat! Das Angedenken ihrer<lb/>
Flucht zu der Zeit, da meine fu&#x0364;r &#x017F;ie eingenom-<lb/>
mene Seele ihr Barmherzigkeit zu thun gedachte!<lb/>
Das Angedenken der Ha&#x0364;rte, womit &#x017F;ie mir in<lb/>
ihrem Briefe bey der Flucht nach Hamp&#x017F;tead<lb/>
begegnet! Des Giftes, das &#x017F;ie zu Hamp&#x017F;tead<lb/>
u&#x0364;ber mich ausgego&#x017F;&#x017F;en hat! &#x2012; &#x2012; Was i&#x017F;t wohl,<lb/>
das &#x017F;ie von einem aus &#x017F;einen Ketten gela&#x017F;&#x017F;enen<lb/>
Beelzebub, von einem ehrenlo&#x017F;en Ra&#x0364;nke&#x017F;chmieder<lb/>
nicht erwarten wu&#x0364;ßte?</p><lb/>
          <p>Es erwecke &#x017F;ich auch das Angedenken des<lb/>
Vorzugs, den &#x017F;ie dem ledigen Stande vor <hi rendition="#fr">mir</hi><lb/>
giebet! &#x2012; &#x2012; Daß &#x017F;ie mich verachtet! &#x2012; &#x2012; Daß<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;o gar weigert, mein <hi rendition="#fr">Weib</hi> zu &#x017F;eyn! &#x2012; &#x2012;<lb/>
Ein &#x017F;tolzer Lovelace &#x017F;ollte &#x017F;ich ein <hi rendition="#fr">Weib</hi> ab&#x017F;chla-<lb/>
gen la&#x017F;&#x017F;en! &#x2012; &#x2012; Sollte noch &#x017F;tolzer von einer<lb/><hi rendition="#fr">Harlowi&#x017F;chen</hi> Tochter abgewie&#x017F;en werden! &#x2012; &#x2012;<lb/>
Da die vornehmen Frauenzimmer aus meiner<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O o 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Familie;</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[579/0585] uͤberwunden hat: ſo herrſchet in ihrem lieblichen Geſichte eine gewiſſe aͤngſtliche Freundlichkeit! ‒ ‒ Aber wie wird auch dieſe ſelbſt in wenigen Stunden verwandelt ſeyn! Mich deucht, ich fange an, mit dieſer halb furchtſamen Schoͤnheit Mitleiden zu haben! ‒ ‒ Allein, fort ungebetener Gaſt, ung elegnes Mit- leiden! Du haſt es ſchon mehr als einmal bey- nahe mit mir ausgemacht ‒ ‒ Gute Nacht Ue- berlegung! Weg Achtung und Erbarmen! Jch gebe euch allen euren Abſchied wenigſtens auf eine ganze kuͤnftige Woche! ‒ ‒ Es erwecke ſich in mir das Angedenken ihrer Untreue, womit ſie ihr Wort gebrochen hat! Das Angedenken ihrer Flucht zu der Zeit, da meine fuͤr ſie eingenom- mene Seele ihr Barmherzigkeit zu thun gedachte! Das Angedenken der Haͤrte, womit ſie mir in ihrem Briefe bey der Flucht nach Hampſtead begegnet! Des Giftes, das ſie zu Hampſtead uͤber mich ausgegoſſen hat! ‒ ‒ Was iſt wohl, das ſie von einem aus ſeinen Ketten gelaſſenen Beelzebub, von einem ehrenloſen Raͤnkeſchmieder nicht erwarten wuͤßte? Es erwecke ſich auch das Angedenken des Vorzugs, den ſie dem ledigen Stande vor mir giebet! ‒ ‒ Daß ſie mich verachtet! ‒ ‒ Daß ſie ſich ſo gar weigert, mein Weib zu ſeyn! ‒ ‒ Ein ſtolzer Lovelace ſollte ſich ein Weib abſchla- gen laſſen! ‒ ‒ Sollte noch ſtolzer von einer Harlowiſchen Tochter abgewieſen werden! ‒ ‒ Da die vornehmen Frauenzimmer aus meiner Familie; O o 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/585
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/585>, abgerufen am 23.11.2024.