Läßt sich denn wohl von einem Frauenzim- mer, das ohne jemandes Einrede so artig le- ben kann, das den ledigen Stand dem eheli- chen Leben allezeit vorgezogen hat, und noch vorziehet, das im Stande ist, alles zu thun, wor- zu sie der gemachte Plan führen wird; läßt sich von einem solchen Frauenzimmer wohl sagen, daß es unglücklich gemacht, zu Grunde gerichtet sey, und was dergleichen Zeugs mehr ist? - - Mir vergeht die Geduld bey den wunderlichen Thoren, die solche harte Worte gebrauchen, das allernichtigste Uebel, ein Uebel, welches ein bloßer Kirchengebrauch kein Uebel mehr seyn lässet, zu beschreiben.
Wenn man diese Romanensprache führen will: wie viel verblümtes Unglück der Frau- enzimmer ist dir so wohl, als mir, bewußt? Wir dürfen nur um uns sehen: so werden wir unter unserer Bekanntschaft von diesem Geschlechte bald einige der stolzesten und tadelsüchtigsten Perso- nen finden, die itzt für keusche Weiber gehalten werden, von welchen sich doch seltsame Historien erzählen ließen; und andere, die ihre Ehemänner, so wohl vor, als nach der Heyrath, durch ihre lustigen Streiche herzlich betrübet haben, da jene doch nicht halb so viel von ihnen wissen, als einer oder der andere von uns ehrlichen Brüdern den- selben erzählen könnte?
Jndem ich mich aber also in Absicht auf das ärgste, was dieser reizungsvollen Schönen widerfahren kann, befriedigt habe, und überzeugt
bin,
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Laͤßt ſich denn wohl von einem Frauenzim- mer, das ohne jemandes Einrede ſo artig le- ben kann, das den ledigen Stand dem eheli- chen Leben allezeit vorgezogen hat, und noch vorziehet, das im Stande iſt, alles zu thun, wor- zu ſie der gemachte Plan fuͤhren wird; laͤßt ſich von einem ſolchen Frauenzimmer wohl ſagen, daß es ungluͤcklich gemacht, zu Grunde gerichtet ſey, und was dergleichen Zeugs mehr iſt? ‒ ‒ Mir vergeht die Geduld bey den wunderlichen Thoren, die ſolche harte Worte gebrauchen, das allernichtigſte Uebel, ein Uebel, welches ein bloßer Kirchengebrauch kein Uebel mehr ſeyn laͤſſet, zu beſchreiben.
Wenn man dieſe Romanenſprache fuͤhren will: wie viel verbluͤmtes Ungluͤck der Frau- enzimmer iſt dir ſo wohl, als mir, bewußt? Wir duͤrfen nur um uns ſehen: ſo werden wir unter unſerer Bekanntſchaft von dieſem Geſchlechte bald einige der ſtolzeſten und tadelſuͤchtigſten Perſo- nen finden, die itzt fuͤr keuſche Weiber gehalten werden, von welchen ſich doch ſeltſame Hiſtorien erzaͤhlen ließen; und andere, die ihre Ehemaͤnner, ſo wohl vor, als nach der Heyrath, durch ihre luſtigen Streiche herzlich betruͤbet haben, da jene doch nicht halb ſo viel von ihnen wiſſen, als einer oder der andere von uns ehrlichen Bruͤdern den- ſelben erzaͤhlen koͤnnte?
Jndem ich mich aber alſo in Abſicht auf das aͤrgſte, was dieſer reizungsvollen Schoͤnen widerfahren kann, befriedigt habe, und uͤberzeugt
bin,
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Laͤßt ſich denn wohl von einem Frauenzim-
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ben kann, das den ledigen Stand dem eheli-
chen Leben allezeit vorgezogen hat, und noch
vorziehet, das im Stande iſt, alles zu thun, wor-
zu ſie der gemachte Plan fuͤhren wird; laͤßt ſich
von einem ſolchen Frauenzimmer wohl ſagen,
daß es ungluͤcklich gemacht, zu Grunde gerichtet
ſey, und was dergleichen Zeugs mehr iſt? ‒ ‒
Mir vergeht die Geduld bey den wunderlichen
Thoren, die ſolche harte Worte gebrauchen, das
allernichtigſte Uebel, ein Uebel, welches ein bloßer
Kirchengebrauch kein Uebel mehr ſeyn laͤſſet, zu
beſchreiben.
Wenn man dieſe Romanenſprache fuͤhren
will: wie viel verbluͤmtes Ungluͤck der Frau-
enzimmer iſt dir ſo wohl, als mir, bewußt? Wir
duͤrfen nur um uns ſehen: ſo werden wir unter
unſerer Bekanntſchaft von dieſem Geſchlechte bald
einige der ſtolzeſten und tadelſuͤchtigſten Perſo-
nen finden, die itzt fuͤr keuſche Weiber gehalten
werden, von welchen ſich doch ſeltſame Hiſtorien
erzaͤhlen ließen; und andere, die ihre Ehemaͤnner,
ſo wohl vor, als nach der Heyrath, durch ihre
luſtigen Streiche herzlich betruͤbet haben, da jene
doch nicht halb ſo viel von ihnen wiſſen, als einer
oder der andere von uns ehrlichen Bruͤdern den-
ſelben erzaͤhlen koͤnnte?
Jndem ich mich aber alſo in Abſicht auf das
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/557>, abgerufen am 23.11.2024.
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