Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



würde sich mein Herz um das liebe Kind quälen,
wenn es heran wüchse; da eine Klugheit und
Vorsicht, welche in Frauenzimmern ihres glei-
chen nicht hat, in Jhnen nicht Schutz genug
für diejenige Schönheit gewesen ist, die so viele
Bewunderer nach sich gezogen hatte, als Augen
waren, welche sie gesehen! - - Wie wenig wür-
de ich mich über die Gewalt der grausamen
Krankheit, wie man sie nennet, betrüben, die oft
in den schönsten Gesichtern die größten Spuren
ihrer Wuth zurücklässet.


Jch habe eben die Frau Townsend verlas-
sen (*). Jch dachte, Sie hätten dieselbe einmal
bey mir gesehen: aber sie sagt, daß sie niemals
die Ehre gehabt hätte, Jhnen von Person be-
kannt zu werden. Sie hat ein männliches
Herze.
Sie kennet die Welt. Da ihre beyden
Brüder in der Stadt sind: so ist sie versichert,
daß sie diese bereden kann, sich einer so guten Sa-
che anzunehmen, und im Stande seyn wird,
wenn es nöthig seyn sollte, das Volk von ih-
ren beyden Schiffen
zu meiner Freundinn
Diensten zu verschaffen.

Willigen Sie darein, meine Wertheste: so
soll der scheusliche Bösewicht für alle seine
Schandthaten wenigstens mit gebrochnen Bei-
nen
bezahlet werden.

Das
(*) Von dem, was die Frau Townsend angehet, sie-
he Th. IV. S. 159. u. f.



wuͤrde ſich mein Herz um das liebe Kind quaͤlen,
wenn es heran wuͤchſe; da eine Klugheit und
Vorſicht, welche in Frauenzimmern ihres glei-
chen nicht hat, in Jhnen nicht Schutz genug
fuͤr diejenige Schoͤnheit geweſen iſt, die ſo viele
Bewunderer nach ſich gezogen hatte, als Augen
waren, welche ſie geſehen! ‒ ‒ Wie wenig wuͤr-
de ich mich uͤber die Gewalt der grauſamen
Krankheit, wie man ſie nennet, betruͤben, die oft
in den ſchoͤnſten Geſichtern die groͤßten Spuren
ihrer Wuth zuruͤcklaͤſſet.


Jch habe eben die Frau Townſend verlaſ-
ſen (*). Jch dachte, Sie haͤtten dieſelbe einmal
bey mir geſehen: aber ſie ſagt, daß ſie niemals
die Ehre gehabt haͤtte, Jhnen von Perſon be-
kannt zu werden. Sie hat ein maͤnnliches
Herze.
Sie kennet die Welt. Da ihre beyden
Bruͤder in der Stadt ſind: ſo iſt ſie verſichert,
daß ſie dieſe bereden kann, ſich einer ſo guten Sa-
che anzunehmen, und im Stande ſeyn wird,
wenn es noͤthig ſeyn ſollte, das Volk von ih-
ren beyden Schiffen
zu meiner Freundinn
Dienſten zu verſchaffen.

Willigen Sie darein, meine Wertheſte: ſo
ſoll der ſcheusliche Boͤſewicht fuͤr alle ſeine
Schandthaten wenigſtens mit gebrochnen Bei-
nen
bezahlet werden.

Das
(*) Von dem, was die Frau Townſend angehet, ſie-
he Th. IV. S. 159. u. f.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <div type="letter" n="1">
                <div n="2">
                  <p><pb facs="#f0528" n="522"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
wu&#x0364;rde &#x017F;ich mein Herz um das liebe Kind qua&#x0364;len,<lb/>
wenn es heran wu&#x0364;ch&#x017F;e; da eine Klugheit und<lb/>
Vor&#x017F;icht, welche in Frauenzimmern ihres glei-<lb/>
chen nicht hat, in Jhnen nicht Schutz genug<lb/>
fu&#x0364;r diejenige Scho&#x0364;nheit gewe&#x017F;en i&#x017F;t, die &#x017F;o viele<lb/>
Bewunderer nach &#x017F;ich gezogen hatte, als Augen<lb/>
waren, welche &#x017F;ie ge&#x017F;ehen! &#x2012; &#x2012; Wie wenig wu&#x0364;r-<lb/>
de ich mich u&#x0364;ber die Gewalt der <hi rendition="#fr">grau&#x017F;amen</hi><lb/>
Krankheit, wie man &#x017F;ie nennet, betru&#x0364;ben, die oft<lb/>
in den &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Ge&#x017F;ichtern die gro&#x0364;ßten Spuren<lb/>
ihrer Wuth zuru&#x0364;ckla&#x0364;&#x017F;&#x017F;et.</p>
                </div><lb/>
                <div n="2">
                  <dateline> <hi rendition="#et">Sonnabends, Nachmittags.</hi> </dateline><lb/>
                  <p>Jch habe eben die Frau Town&#x017F;end verla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en <note place="foot" n="(*)">Von dem, was die Frau Town&#x017F;end angehet, &#x017F;ie-<lb/>
he Th. <hi rendition="#aq">IV.</hi> S. 159. u. f.</note>. Jch dachte, Sie ha&#x0364;tten die&#x017F;elbe einmal<lb/>
bey mir ge&#x017F;ehen: aber &#x017F;ie &#x017F;agt, daß &#x017F;ie niemals<lb/>
die Ehre gehabt ha&#x0364;tte, Jhnen von Per&#x017F;on be-<lb/>
kannt zu werden. Sie hat ein <hi rendition="#fr">ma&#x0364;nnliches<lb/>
Herze.</hi> Sie kennet die Welt. Da ihre beyden<lb/>
Bru&#x0364;der in der Stadt &#x017F;ind: &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ie ver&#x017F;ichert,<lb/>
daß &#x017F;ie die&#x017F;e bereden kann, &#x017F;ich einer &#x017F;o guten Sa-<lb/>
che anzunehmen, und im Stande &#x017F;eyn wird,<lb/>
wenn es no&#x0364;thig &#x017F;eyn &#x017F;ollte, <hi rendition="#fr">das Volk von ih-<lb/>
ren beyden Schiffen</hi> zu meiner Freundinn<lb/>
Dien&#x017F;ten zu ver&#x017F;chaffen.</p><lb/>
                  <p>Willigen Sie darein, meine Werthe&#x017F;te: &#x017F;o<lb/>
&#x017F;oll der <hi rendition="#fr">&#x017F;cheusliche Bo&#x0364;&#x017F;ewicht</hi> fu&#x0364;r alle &#x017F;eine<lb/>
Schandthaten wenig&#x017F;tens mit <hi rendition="#fr">gebrochnen Bei-<lb/>
nen</hi> bezahlet werden.</p><lb/>
                  <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/>
                </div>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[522/0528] wuͤrde ſich mein Herz um das liebe Kind quaͤlen, wenn es heran wuͤchſe; da eine Klugheit und Vorſicht, welche in Frauenzimmern ihres glei- chen nicht hat, in Jhnen nicht Schutz genug fuͤr diejenige Schoͤnheit geweſen iſt, die ſo viele Bewunderer nach ſich gezogen hatte, als Augen waren, welche ſie geſehen! ‒ ‒ Wie wenig wuͤr- de ich mich uͤber die Gewalt der grauſamen Krankheit, wie man ſie nennet, betruͤben, die oft in den ſchoͤnſten Geſichtern die groͤßten Spuren ihrer Wuth zuruͤcklaͤſſet. Sonnabends, Nachmittags. Jch habe eben die Frau Townſend verlaſ- ſen (*). Jch dachte, Sie haͤtten dieſelbe einmal bey mir geſehen: aber ſie ſagt, daß ſie niemals die Ehre gehabt haͤtte, Jhnen von Perſon be- kannt zu werden. Sie hat ein maͤnnliches Herze. Sie kennet die Welt. Da ihre beyden Bruͤder in der Stadt ſind: ſo iſt ſie verſichert, daß ſie dieſe bereden kann, ſich einer ſo guten Sa- che anzunehmen, und im Stande ſeyn wird, wenn es noͤthig ſeyn ſollte, das Volk von ih- ren beyden Schiffen zu meiner Freundinn Dienſten zu verſchaffen. Willigen Sie darein, meine Wertheſte: ſo ſoll der ſcheusliche Boͤſewicht fuͤr alle ſeine Schandthaten wenigſtens mit gebrochnen Bei- nen bezahlet werden. Das (*) Von dem, was die Frau Townſend angehet, ſie- he Th. IV. S. 159. u. f.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/528
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/528>, abgerufen am 23.11.2024.