mern, das, was er tadelt, und tadelt, was er thut. Dennoch wußte dieser schlaue Hund nicht anders, als daß die arme Magd einen Liebsten in dem Brodschranke verschlossen hätte. Hätte er die Wahrheit gewußt: so könnten ihn vielleicht eini- ge rothe Milchmägde mit eben so vielem Grun- de einen verdammten Schelm nennen, als die vornehmern Frauenzimmer den Ritter Lovelace.
Der Kerl ließ sich gegen die Magd verlau- ten, daß, so viel er von dem Gesichte der jungen Frau wahrgenommen hätte, es sehr roth aussä- he, wie er dafür hielte. Er glaubte auch, daß sie ein gutes Theil fetter wäre, wie sie da gelegen, und nicht so lang.
Alle Weibsleute, Bruder, sind gebohren, Ränke zu spielen: und üben es mehr oder weni- ger aus. Davon können Väter, Ausseher und Aufseherinnen aus Erfahrung zeugen, die ihnen theuer zu stehen kommt. Jn Liebessachen sind sie von Natur erfahren, und bey ihrem Witze noch halb einmal so geschwinde als Mannspersonen. Diese fertige Magd, die doch nur aus dem grö- besten Zeuge war, gab ein Beyspiel hiervon, und machte sich den Wink, den ich von der Wasser- sucht gegeben hatte, zu Nutze. Daß die junge Frau so stark von Person schiene, das käme von den wassersüchtigen Beschwerden und von der runden Lage, in der sie sich befunden hätte. - - Sehr wahrscheinlich, in der That. Wenn sie ihm nicht so lang vorgekommen wäre: so rührte das, wie er leicht hätte bemerken können, daher,
daß
mern, das, was er tadelt, und tadelt, was er thut. Dennoch wußte dieſer ſchlaue Hund nicht anders, als daß die arme Magd einen Liebſten in dem Brodſchranke verſchloſſen haͤtte. Haͤtte er die Wahrheit gewußt: ſo koͤnnten ihn vielleicht eini- ge rothe Milchmaͤgde mit eben ſo vielem Grun- de einen verdammten Schelm nennen, als die vornehmern Frauenzimmer den Ritter Lovelace.
Der Kerl ließ ſich gegen die Magd verlau- ten, daß, ſo viel er von dem Geſichte der jungen Frau wahrgenommen haͤtte, es ſehr roth ausſaͤ- he, wie er dafuͤr hielte. Er glaubte auch, daß ſie ein gutes Theil fetter waͤre, wie ſie da gelegen, und nicht ſo lang.
Alle Weibsleute, Bruder, ſind gebohren, Raͤnke zu ſpielen: und uͤben es mehr oder weni- ger aus. Davon koͤnnen Vaͤter, Auſſeher und Aufſeherinnen aus Erfahrung zeugen, die ihnen theuer zu ſtehen kommt. Jn Liebesſachen ſind ſie von Natur erfahren, und bey ihrem Witze noch halb einmal ſo geſchwinde als Mannsperſonen. Dieſe fertige Magd, die doch nur aus dem groͤ- beſten Zeuge war, gab ein Beyſpiel hiervon, und machte ſich den Wink, den ich von der Waſſer- ſucht gegeben hatte, zu Nutze. Daß die junge Frau ſo ſtark von Perſon ſchiene, das kaͤme von den waſſerſuͤchtigen Beſchwerden und von der runden Lage, in der ſie ſich befunden haͤtte. ‒ ‒ Sehr wahrſcheinlich, in der That. Wenn ſie ihm nicht ſo lang vorgekommen waͤre: ſo ruͤhrte das, wie er leicht haͤtte bemerken koͤnnen, daher,
daß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0520"n="514"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
mern, das, was er tadelt, und tadelt, was er thut.<lb/>
Dennoch wußte dieſer ſchlaue Hund nicht anders,<lb/>
als daß die arme Magd einen Liebſten in dem<lb/>
Brodſchranke verſchloſſen haͤtte. Haͤtte er die<lb/>
Wahrheit gewußt: ſo koͤnnten ihn vielleicht eini-<lb/>
ge rothe Milchmaͤgde mit eben ſo vielem Grun-<lb/>
de einen <hirendition="#fr">verdammten Schelm</hi> nennen, als die<lb/>
vornehmern Frauenzimmer den Ritter Lovelace.</p><lb/><p>Der Kerl ließ ſich gegen die Magd verlau-<lb/>
ten, daß, ſo viel er von dem Geſichte der jungen<lb/>
Frau wahrgenommen haͤtte, es ſehr <hirendition="#fr">roth</hi> ausſaͤ-<lb/>
he, wie er dafuͤr hielte. Er glaubte auch, daß ſie<lb/>
ein gutes Theil fetter waͤre, wie ſie da gelegen,<lb/>
und nicht ſo lang.</p><lb/><p>Alle Weibsleute, Bruder, ſind gebohren,<lb/>
Raͤnke zu ſpielen: und uͤben es mehr oder weni-<lb/>
ger aus. Davon koͤnnen Vaͤter, Auſſeher und<lb/>
Aufſeherinnen aus Erfahrung zeugen, die ihnen<lb/>
theuer zu ſtehen kommt. Jn Liebesſachen ſind<lb/>ſie von Natur erfahren, und bey ihrem Witze noch<lb/>
halb einmal ſo geſchwinde als Mannsperſonen.<lb/>
Dieſe fertige Magd, die doch nur aus dem groͤ-<lb/>
beſten Zeuge war, gab ein Beyſpiel hiervon, und<lb/>
machte ſich den Wink, den ich von der Waſſer-<lb/>ſucht gegeben hatte, zu Nutze. Daß die junge<lb/>
Frau ſo ſtark von Perſon ſchiene, das kaͤme von<lb/>
den waſſerſuͤchtigen Beſchwerden und von der<lb/>
runden Lage, in der ſie ſich befunden haͤtte. ‒‒<lb/>
Sehr wahrſcheinlich, in der That. Wenn ſie<lb/>
ihm nicht ſo lang vorgekommen waͤre: ſo ruͤhrte<lb/>
das, wie er leicht haͤtte bemerken koͤnnen, daher,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">daß</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[514/0520]
mern, das, was er tadelt, und tadelt, was er thut.
Dennoch wußte dieſer ſchlaue Hund nicht anders,
als daß die arme Magd einen Liebſten in dem
Brodſchranke verſchloſſen haͤtte. Haͤtte er die
Wahrheit gewußt: ſo koͤnnten ihn vielleicht eini-
ge rothe Milchmaͤgde mit eben ſo vielem Grun-
de einen verdammten Schelm nennen, als die
vornehmern Frauenzimmer den Ritter Lovelace.
Der Kerl ließ ſich gegen die Magd verlau-
ten, daß, ſo viel er von dem Geſichte der jungen
Frau wahrgenommen haͤtte, es ſehr roth ausſaͤ-
he, wie er dafuͤr hielte. Er glaubte auch, daß ſie
ein gutes Theil fetter waͤre, wie ſie da gelegen,
und nicht ſo lang.
Alle Weibsleute, Bruder, ſind gebohren,
Raͤnke zu ſpielen: und uͤben es mehr oder weni-
ger aus. Davon koͤnnen Vaͤter, Auſſeher und
Aufſeherinnen aus Erfahrung zeugen, die ihnen
theuer zu ſtehen kommt. Jn Liebesſachen ſind
ſie von Natur erfahren, und bey ihrem Witze noch
halb einmal ſo geſchwinde als Mannsperſonen.
Dieſe fertige Magd, die doch nur aus dem groͤ-
beſten Zeuge war, gab ein Beyſpiel hiervon, und
machte ſich den Wink, den ich von der Waſſer-
ſucht gegeben hatte, zu Nutze. Daß die junge
Frau ſo ſtark von Perſon ſchiene, das kaͤme von
den waſſerſuͤchtigen Beſchwerden und von der
runden Lage, in der ſie ſich befunden haͤtte. ‒ ‒
Sehr wahrſcheinlich, in der That. Wenn ſie
ihm nicht ſo lang vorgekommen waͤre: ſo ruͤhrte
das, wie er leicht haͤtte bemerken koͤnnen, daher,
daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/520>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.