Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Das Höchste, was ich erhalten konnte, war,
daß sie zu meinem Vortheile keinen Schluß eher
fassen wollte, als bis sie den ersten Brief von der
Fräulein Howe bekäme.

Jch will die Gründe nicht wiederholen, die
ich gebrauchte: ich will dir nur das Vornehmste
von ihrer Antwort mittheilen.

Sie hätte alles überleget, sagte sie zu mir.
Meine ganze Aufsührung stünde ihr vor Augen.
Das Haus, wohin ich sie gebracht hätte, müßte
ein schändliches Haus seyn. Die Leute in dem-
selben hätten durch den ernstlichen Versuch, ihr
die Jungfer Partington, wie sie gar nicht zwei-
felte mit meiner Genehmhaltung, anzuhängen,
schon frühe gezeiget, wie weit sie gehen könnten.
- - Gewiß, dachte ich, sie hat doch keine Abschrift
von dem Briefe der Fräulein Howe bekommen,
worinn solche Entdeckungen gemacht sind. - -
Das Herz sage es ihr zu. Meine schimpfliche
Begegnung gegen sie wäre unstreitig mit Vor-
satz geschehen. Wenn sie sich meines ganzen
vorläufigen Bezeigens erinnerte: so müßte es
nothwendig so seyn. Jch hätte die schändlichsten
Absichten geheget: daran sey gar kein Zweifel;
und meine Aufführung gegen sie setzte es außer
allem Streit.

Sie ist nichts als Seele, Belford! Sie
scheinet über kleine Freyheiten empfindlich, bey
denen mich die Liebe unempfindlich macht, daß ich
sie mir genommen habe.

Sie


Das Hoͤchſte, was ich erhalten konnte, war,
daß ſie zu meinem Vortheile keinen Schluß eher
faſſen wollte, als bis ſie den erſten Brief von der
Fraͤulein Howe bekaͤme.

Jch will die Gruͤnde nicht wiederholen, die
ich gebrauchte: ich will dir nur das Vornehmſte
von ihrer Antwort mittheilen.

Sie haͤtte alles uͤberleget, ſagte ſie zu mir.
Meine ganze Aufſuͤhrung ſtuͤnde ihr vor Augen.
Das Haus, wohin ich ſie gebracht haͤtte, muͤßte
ein ſchaͤndliches Haus ſeyn. Die Leute in dem-
ſelben haͤtten durch den ernſtlichen Verſuch, ihr
die Jungfer Partington, wie ſie gar nicht zwei-
felte mit meiner Genehmhaltung, anzuhaͤngen,
ſchon fruͤhe gezeiget, wie weit ſie gehen koͤnnten.
‒ ‒ Gewiß, dachte ich, ſie hat doch keine Abſchrift
von dem Briefe der Fraͤulein Howe bekommen,
worinn ſolche Entdeckungen gemacht ſind. ‒ ‒
Das Herz ſage es ihr zu. Meine ſchimpfliche
Begegnung gegen ſie waͤre unſtreitig mit Vor-
ſatz geſchehen. Wenn ſie ſich meines ganzen
vorlaͤufigen Bezeigens erinnerte: ſo muͤßte es
nothwendig ſo ſeyn. Jch haͤtte die ſchaͤndlichſten
Abſichten geheget: daran ſey gar kein Zweifel;
und meine Auffuͤhrung gegen ſie ſetzte es außer
allem Streit.

Sie iſt nichts als Seele, Belford! Sie
ſcheinet uͤber kleine Freyheiten empfindlich, bey
denen mich die Liebe unempfindlich macht, daß ich
ſie mir genommen habe.

Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0496" n="490"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Das Ho&#x0364;ch&#x017F;te, was ich erhalten konnte, war,<lb/>
daß &#x017F;ie zu meinem Vortheile keinen Schluß eher<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en wollte, als bis &#x017F;ie den er&#x017F;ten Brief von der<lb/>
Fra&#x0364;ulein Howe beka&#x0364;me.</p><lb/>
          <p>Jch will die Gru&#x0364;nde nicht wiederholen, die<lb/>
ich gebrauchte: ich will dir nur das Vornehm&#x017F;te<lb/>
von ihrer Antwort mittheilen.</p><lb/>
          <p>Sie ha&#x0364;tte alles u&#x0364;berleget, &#x017F;agte &#x017F;ie zu mir.<lb/>
Meine ganze Auf&#x017F;u&#x0364;hrung &#x017F;tu&#x0364;nde ihr vor Augen.<lb/>
Das Haus, wohin ich &#x017F;ie gebracht ha&#x0364;tte, mu&#x0364;ßte<lb/>
ein &#x017F;cha&#x0364;ndliches Haus &#x017F;eyn. Die Leute in dem-<lb/>
&#x017F;elben ha&#x0364;tten durch den ern&#x017F;tlichen Ver&#x017F;uch, ihr<lb/>
die Jungfer Partington, wie &#x017F;ie gar nicht zwei-<lb/>
felte mit meiner Genehmhaltung, anzuha&#x0364;ngen,<lb/>
&#x017F;chon fru&#x0364;he gezeiget, wie weit &#x017F;ie gehen ko&#x0364;nnten.<lb/>
&#x2012; &#x2012; Gewiß, dachte ich, &#x017F;ie hat doch keine Ab&#x017F;chrift<lb/>
von dem Briefe der Fra&#x0364;ulein Howe bekommen,<lb/>
worinn &#x017F;olche Entdeckungen gemacht &#x017F;ind. &#x2012; &#x2012;<lb/>
Das Herz &#x017F;age es ihr zu. Meine &#x017F;chimpfliche<lb/>
Begegnung gegen &#x017F;ie wa&#x0364;re un&#x017F;treitig mit Vor-<lb/>
&#x017F;atz ge&#x017F;chehen. Wenn &#x017F;ie &#x017F;ich meines ganzen<lb/>
vorla&#x0364;ufigen Bezeigens erinnerte: &#x017F;o mu&#x0364;ßte es<lb/>
nothwendig &#x017F;o &#x017F;eyn. Jch ha&#x0364;tte die &#x017F;cha&#x0364;ndlich&#x017F;ten<lb/>
Ab&#x017F;ichten geheget: daran &#x017F;ey gar kein Zweifel;<lb/>
und meine Auffu&#x0364;hrung gegen &#x017F;ie &#x017F;etzte es außer<lb/>
allem Streit.</p><lb/>
          <p>Sie i&#x017F;t nichts als Seele, Belford! Sie<lb/>
&#x017F;cheinet u&#x0364;ber kleine Freyheiten empfindlich, bey<lb/>
denen mich die Liebe unempfindlich macht, daß ich<lb/>
&#x017F;ie mir genommen habe.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[490/0496] Das Hoͤchſte, was ich erhalten konnte, war, daß ſie zu meinem Vortheile keinen Schluß eher faſſen wollte, als bis ſie den erſten Brief von der Fraͤulein Howe bekaͤme. Jch will die Gruͤnde nicht wiederholen, die ich gebrauchte: ich will dir nur das Vornehmſte von ihrer Antwort mittheilen. Sie haͤtte alles uͤberleget, ſagte ſie zu mir. Meine ganze Aufſuͤhrung ſtuͤnde ihr vor Augen. Das Haus, wohin ich ſie gebracht haͤtte, muͤßte ein ſchaͤndliches Haus ſeyn. Die Leute in dem- ſelben haͤtten durch den ernſtlichen Verſuch, ihr die Jungfer Partington, wie ſie gar nicht zwei- felte mit meiner Genehmhaltung, anzuhaͤngen, ſchon fruͤhe gezeiget, wie weit ſie gehen koͤnnten. ‒ ‒ Gewiß, dachte ich, ſie hat doch keine Abſchrift von dem Briefe der Fraͤulein Howe bekommen, worinn ſolche Entdeckungen gemacht ſind. ‒ ‒ Das Herz ſage es ihr zu. Meine ſchimpfliche Begegnung gegen ſie waͤre unſtreitig mit Vor- ſatz geſchehen. Wenn ſie ſich meines ganzen vorlaͤufigen Bezeigens erinnerte: ſo muͤßte es nothwendig ſo ſeyn. Jch haͤtte die ſchaͤndlichſten Abſichten geheget: daran ſey gar kein Zweifel; und meine Auffuͤhrung gegen ſie ſetzte es außer allem Streit. Sie iſt nichts als Seele, Belford! Sie ſcheinet uͤber kleine Freyheiten empfindlich, bey denen mich die Liebe unempfindlich macht, daß ich ſie mir genommen habe. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/496
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/496>, abgerufen am 23.11.2024.