"zufahren, aus Furcht noch eher gehangen zu "werden, als es sonst zum Hangen kommt. Eben "so geht es mir auch: ich fürchte mich vor der "Bande meiner verfluchten Ränke.
"So wahr ich das Leben haben will: mir ist "itzo, da ich dieses schreibe, sehr leid, daß ich ein "so thörichter Ränkeschmieder gewesen bin, daß "ich mir selbst die Gewalt benommen habe, "wie ich besorge, ehrlich zu seyn. Jch hasse al- "len Zwang, er mag erscheinen, in welcher Ge- "stalt er will, und kann es nicht ertragen, daß ich "auch nur einmal gezwungen seyn sollte, der "Bösewicht zu seyn, welcher ich nach freyer Wahl "habe seyn wollen. - - So bin ich nun endlich, "Belford, wie du gesaget hast, eine bloße Ma- "schine und kein freyer Mensch.
"Bey meiner Seele, Bruder, es ist ein recht "närrisches Ding für einen verständigen Men- "schen, sich selbst so weit in der Bosheit getrieben "zu haben, daß er fortfahren muß, und sich selber "nicht helfen kann; und dennoch bey nahe gewiß "zu seyn, daß eben sein Sieg ihn zu Grunde rich- "ten werde.
"Was für eine Glückseligkeit muß der Mensch "empfinden, der eine löbliche Absicht auf eine re- "gelmäßige Art zu erhalten suchet, und sich in dem "Fortgange dabey nichts vorzuwerfen hat! Wie "groß und lauter muß seine Freude in dem Ge- "nusse derselben seyn: wenn er durch anständige "Mittel zu seinem Zwecke gelanget! Was für ein "glückseliger Mensch wäre ich in diesem Falle ge-
"wesen:
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„zufahren, aus Furcht noch eher gehangen zu „werden, als es ſonſt zum Hangen kommt. Eben „ſo geht es mir auch: ich fuͤrchte mich vor der „Bande meiner verfluchten Raͤnke.
„So wahr ich das Leben haben will: mir iſt „itzo, da ich dieſes ſchreibe, ſehr leid, daß ich ein „ſo thoͤrichter Raͤnkeſchmieder geweſen bin, daß „ich mir ſelbſt die Gewalt benommen habe, „wie ich beſorge, ehrlich zu ſeyn. Jch haſſe al- „len Zwang, er mag erſcheinen, in welcher Ge- „ſtalt er will, und kann es nicht ertragen, daß ich „auch nur einmal gezwungen ſeyn ſollte, der „Boͤſewicht zu ſeyn, welcher ich nach freyer Wahl „habe ſeyn wollen. ‒ ‒ So bin ich nun endlich, „Belford, wie du geſaget haſt, eine bloße Ma- „ſchine und kein freyer Menſch.
„Bey meiner Seele, Bruder, es iſt ein recht „naͤrriſches Ding fuͤr einen verſtaͤndigen Men- „ſchen, ſich ſelbſt ſo weit in der Bosheit getrieben „zu haben, daß er fortfahren muß, und ſich ſelber „nicht helfen kann; und dennoch bey nahe gewiß „zu ſeyn, daß eben ſein Sieg ihn zu Grunde rich- „ten werde.
„Was fuͤr eine Gluͤckſeligkeit muß der Menſch „empfinden, der eine loͤbliche Abſicht auf eine re- „gelmaͤßige Art zu erhalten ſuchet, und ſich in dem „Fortgange dabey nichts vorzuwerfen hat! Wie „groß und lauter muß ſeine Freude in dem Ge- „nuſſe derſelben ſeyn: wenn er durch anſtaͤndige „Mittel zu ſeinem Zwecke gelanget! Was fuͤr ein „gluͤckſeliger Menſch waͤre ich in dieſem Falle ge-
„weſen:
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„zufahren, aus Furcht noch eher gehangen zu
„werden, als es ſonſt zum Hangen kommt. Eben
„ſo geht es mir auch: ich fuͤrchte mich vor der
„Bande meiner verfluchten Raͤnke.
„So wahr ich das Leben haben will: mir iſt
„itzo, da ich dieſes ſchreibe, ſehr leid, daß ich ein
„ſo thoͤrichter Raͤnkeſchmieder geweſen bin, daß
„ich mir ſelbſt die Gewalt benommen habe,
„wie ich beſorge, ehrlich zu ſeyn. Jch haſſe al-
„len Zwang, er mag erſcheinen, in welcher Ge-
„ſtalt er will, und kann es nicht ertragen, daß ich
„auch nur einmal gezwungen ſeyn ſollte, der
„Boͤſewicht zu ſeyn, welcher ich nach freyer Wahl
„habe ſeyn wollen. ‒ ‒ So bin ich nun endlich,
„Belford, wie du geſaget haſt, eine bloße Ma-
„ſchine und kein freyer Menſch.
„Bey meiner Seele, Bruder, es iſt ein recht
„naͤrriſches Ding fuͤr einen verſtaͤndigen Men-
„ſchen, ſich ſelbſt ſo weit in der Bosheit getrieben
„zu haben, daß er fortfahren muß, und ſich ſelber
„nicht helfen kann; und dennoch bey nahe gewiß
„zu ſeyn, daß eben ſein Sieg ihn zu Grunde rich-
„ten werde.
„Was fuͤr eine Gluͤckſeligkeit muß der Menſch
„empfinden, der eine loͤbliche Abſicht auf eine re-
„gelmaͤßige Art zu erhalten ſuchet, und ſich in dem
„Fortgange dabey nichts vorzuwerfen hat! Wie
„groß und lauter muß ſeine Freude in dem Ge-
„nuſſe derſelben ſeyn: wenn er durch anſtaͤndige
„Mittel zu ſeinem Zwecke gelanget! Was fuͤr ein
„gluͤckſeliger Menſch waͤre ich in dieſem Falle ge-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/489>, abgerufen am 24.11.2024.
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