für elenden Vorwendungen sie sich befriedigen lassen müssen: wenn sie sich einmal der Gewalt eines von Anschlägen schwangeren Kopfes über- lassen haben.
Hättest du bloß die Absicht, sie auf die Probe zu stellen; wie du einstens vorgabest (*): so hast du wahrlich dieses Muster der Tugend und Wach- samkeit genug geprüfet. Aber ich kannte dich zu gut, daß ich mir damals hätte vorstellen sollen, du würdest dabey stehen bleiben. Wenn Leute von unserm Schlage erst einmal auf irgend eine Person von dem schönen Geschlechte ihr Absehen richten: so setzen sie ihren Absichten keine andre Grenzen, als die ihnen der Mangel an Vermö- gen vorschreibet. Jch wußte schon voraus, daß wenn du erst einen Vortheil gewonnen hättest, du immer weiter gehen und einen neuen suchen würdest. Jch kannte deinen schon eingewurzel- ten Abscheu vor dem Heyrathen nur gar zu gut. Und du gestehest ja in eben dem Briefe, in wel- chem du vorgiebst, deine Hauptabsicht sey nur sie auf die Probe zu stellen, daß du dir Hoffnung ma- chest, sie zum Beyschlafe zu bewegen.
Allein überzeugen dich nicht so gar deine eigne öftern Gewissensbisse, die dich wider deinen Wil- len überfallen, selbst wenn Zeit, Ort, Gesellschaft und alle andre Umstände dir zu deinem bösen Vorhaben günstig sind, daß eine so eingebildete Hoffnung hier nicht Platz finden könne? - - Warum willst du denn, da du sie doch lieber hey-
rathen
(*) S. Th. III. Brief XVII.
fuͤr elenden Vorwendungen ſie ſich befriedigen laſſen muͤſſen: wenn ſie ſich einmal der Gewalt eines von Anſchlaͤgen ſchwangeren Kopfes uͤber- laſſen haben.
Haͤtteſt du bloß die Abſicht, ſie auf die Probe zu ſtellen; wie du einſtens vorgabeſt (*): ſo haſt du wahrlich dieſes Muſter der Tugend und Wach- ſamkeit genug gepruͤfet. Aber ich kannte dich zu gut, daß ich mir damals haͤtte vorſtellen ſollen, du wuͤrdeſt dabey ſtehen bleiben. Wenn Leute von unſerm Schlage erſt einmal auf irgend eine Perſon von dem ſchoͤnen Geſchlechte ihr Abſehen richten: ſo ſetzen ſie ihren Abſichten keine andre Grenzen, als die ihnen der Mangel an Vermoͤ- gen vorſchreibet. Jch wußte ſchon voraus, daß wenn du erſt einen Vortheil gewonnen haͤtteſt, du immer weiter gehen und einen neuen ſuchen wuͤrdeſt. Jch kannte deinen ſchon eingewurzel- ten Abſcheu vor dem Heyrathen nur gar zu gut. Und du geſteheſt ja in eben dem Briefe, in wel- chem du vorgiebſt, deine Hauptabſicht ſey nur ſie auf die Probe zu ſtellen, daß du dir Hoffnung ma- cheſt, ſie zum Beyſchlafe zu bewegen.
Allein uͤberzeugen dich nicht ſo gar deine eigne oͤftern Gewiſſensbiſſe, die dich wider deinen Wil- len uͤberfallen, ſelbſt wenn Zeit, Ort, Geſellſchaft und alle andre Umſtaͤnde dir zu deinem boͤſen Vorhaben guͤnſtig ſind, daß eine ſo eingebildete Hoffnung hier nicht Platz finden koͤnne? ‒ ‒ Warum willſt du denn, da du ſie doch lieber hey-
rathen
(*) S. Th. III. Brief XVII.
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fuͤr elenden Vorwendungen ſie ſich befriedigen
laſſen muͤſſen: wenn ſie ſich einmal der Gewalt
eines von Anſchlaͤgen ſchwangeren Kopfes uͤber-
laſſen haben.
Haͤtteſt du bloß die Abſicht, ſie auf die Probe
zu ſtellen; wie du einſtens vorgabeſt (*): ſo haſt
du wahrlich dieſes Muſter der Tugend und Wach-
ſamkeit genug gepruͤfet. Aber ich kannte dich zu
gut, daß ich mir damals haͤtte vorſtellen ſollen,
du wuͤrdeſt dabey ſtehen bleiben. Wenn Leute
von unſerm Schlage erſt einmal auf irgend eine
Perſon von dem ſchoͤnen Geſchlechte ihr Abſehen
richten: ſo ſetzen ſie ihren Abſichten keine andre
Grenzen, als die ihnen der Mangel an Vermoͤ-
gen vorſchreibet. Jch wußte ſchon voraus, daß
wenn du erſt einen Vortheil gewonnen haͤtteſt,
du immer weiter gehen und einen neuen ſuchen
wuͤrdeſt. Jch kannte deinen ſchon eingewurzel-
ten Abſcheu vor dem Heyrathen nur gar zu gut.
Und du geſteheſt ja in eben dem Briefe, in wel-
chem du vorgiebſt, deine Hauptabſicht ſey nur ſie
auf die Probe zu ſtellen, daß du dir Hoffnung ma-
cheſt, ſie zum Beyſchlafe zu bewegen.
Allein uͤberzeugen dich nicht ſo gar deine eigne
oͤftern Gewiſſensbiſſe, die dich wider deinen Wil-
len uͤberfallen, ſelbſt wenn Zeit, Ort, Geſellſchaft
und alle andre Umſtaͤnde dir zu deinem boͤſen
Vorhaben guͤnſtig ſind, daß eine ſo eingebildete
Hoffnung hier nicht Platz finden koͤnne? ‒ ‒
Warum willſt du denn, da du ſie doch lieber hey-
rathen
(*) S. Th. III. Brief XVII.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/48>, abgerufen am 02.02.2025.
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