Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Es ist das gewöhnliche Schicksal bey un-
gleichen Ehen, daß dadurch oft ganz leidliche
Personen in Vorwürfe gerathen, die sonst,
wenn sie glücklicher geheyrathet hätten, sich wür-
den Ruhm erworben haben. Soll ich denn nicht
billig ein Bündniß mit einem Manne fliehen, der
ein Frauenzimmer zu Fehlern verleiten könnte,
das sich schmeichelt, mit einer Neigung zum Gu-
ten beglückt zu seyn, und das einen jeden, mit
dem sie einige Verbindung hat, bis auf ihre
Bedienten selbst, glücklich zu machen wünschet?

Sie ruhete wiederum aus und ging einmal
im Zimmer herum. Der alberne Kerl, hohl
ihn der Teufel, war alle diese Zeit über ein
todter Hund. Die Fräulein setzte die Unterre-
dung wieder fort.

Es ist wahr, ehemals habe ich mir Hoff-
nung gemacht, ein geringes Werkzeug zu seiner
Bekehrung zu werden. Da ich aber keine sol-
che Hoffnung weiter habe: ist es denn wohl recht;
sie sind ja ein aufrichtiger Mann, mein Herr; et-
was zu wagen, wodurch meine eigenen Grund-
sätze in der Sittenlehre
Gefahr leiden dürf-
ten?

Noch immer schwieg der elende Kerl stille.
Hatte mein Fürsprecher nichts für mich zu sa-
gen: was blieb mir denn für Hoffnung übrig,
meine Sache zu treiben?

Was kommt nun aus dem allen heraus,
mein Herr? - Es ist dieses. Wo sie den Ein-
fluß über ihn haben, den ein Mann von ihrem

Ver-


Es iſt das gewoͤhnliche Schickſal bey un-
gleichen Ehen, daß dadurch oft ganz leidliche
Perſonen in Vorwuͤrfe gerathen, die ſonſt,
wenn ſie gluͤcklicher geheyrathet haͤtten, ſich wuͤr-
den Ruhm erworben haben. Soll ich denn nicht
billig ein Buͤndniß mit einem Manne fliehen, der
ein Frauenzimmer zu Fehlern verleiten koͤnnte,
das ſich ſchmeichelt, mit einer Neigung zum Gu-
ten begluͤckt zu ſeyn, und das einen jeden, mit
dem ſie einige Verbindung hat, bis auf ihre
Bedienten ſelbſt, gluͤcklich zu machen wuͤnſchet?

Sie ruhete wiederum aus und ging einmal
im Zimmer herum. Der alberne Kerl, hohl
ihn der Teufel, war alle dieſe Zeit uͤber ein
todter Hund. Die Fraͤulein ſetzte die Unterre-
dung wieder fort.

Es iſt wahr, ehemals habe ich mir Hoff-
nung gemacht, ein geringes Werkzeug zu ſeiner
Bekehrung zu werden. Da ich aber keine ſol-
che Hoffnung weiter habe: iſt es denn wohl recht;
ſie ſind ja ein aufrichtiger Mann, mein Herr; et-
was zu wagen, wodurch meine eigenen Grund-
ſaͤtze in der Sittenlehre
Gefahr leiden duͤrf-
ten?

Noch immer ſchwieg der elende Kerl ſtille.
Hatte mein Fuͤrſprecher nichts fuͤr mich zu ſa-
gen: was blieb mir denn fuͤr Hoffnung uͤbrig,
meine Sache zu treiben?

Was kommt nun aus dem allen heraus,
mein Herr? ‒ Es iſt dieſes. Wo ſie den Ein-
fluß uͤber ihn haben, den ein Mann von ihrem

Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0472" n="466"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t das gewo&#x0364;hnliche Schick&#x017F;al bey un-<lb/>
gleichen Ehen, daß dadurch oft ganz leidliche<lb/>
Per&#x017F;onen in Vorwu&#x0364;rfe gerathen, die &#x017F;on&#x017F;t,<lb/>
wenn &#x017F;ie glu&#x0364;cklicher geheyrathet ha&#x0364;tten, &#x017F;ich wu&#x0364;r-<lb/>
den Ruhm erworben haben. Soll ich denn nicht<lb/>
billig ein Bu&#x0364;ndniß mit einem Manne fliehen, der<lb/>
ein Frauenzimmer zu Fehlern verleiten ko&#x0364;nnte,<lb/>
das &#x017F;ich &#x017F;chmeichelt, mit einer Neigung zum Gu-<lb/>
ten beglu&#x0364;ckt zu &#x017F;eyn, und das einen jeden, mit<lb/>
dem &#x017F;ie einige Verbindung hat, bis auf ihre<lb/>
Bedienten &#x017F;elb&#x017F;t, glu&#x0364;cklich zu machen wu&#x0364;n&#x017F;chet?</p><lb/>
          <p>Sie ruhete wiederum aus und ging einmal<lb/>
im Zimmer herum. Der alberne Kerl, hohl<lb/>
ihn der Teufel, war alle die&#x017F;e Zeit u&#x0364;ber ein<lb/>
todter Hund. Die Fra&#x0364;ulein &#x017F;etzte die Unterre-<lb/>
dung wieder fort.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t wahr, ehemals habe ich mir Hoff-<lb/>
nung gemacht, ein geringes Werkzeug zu &#x017F;einer<lb/>
Bekehrung zu werden. Da ich aber keine &#x017F;ol-<lb/>
che Hoffnung weiter habe: i&#x017F;t es denn wohl recht;<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ind ja ein aufrichtiger Mann, mein Herr; et-<lb/>
was zu wagen, wodurch meine <hi rendition="#fr">eigenen Grund-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tze in der Sittenlehre</hi> Gefahr leiden du&#x0364;rf-<lb/>
ten?</p><lb/>
          <p>Noch immer &#x017F;chwieg der elende Kerl &#x017F;tille.<lb/>
Hatte mein Fu&#x0364;r&#x017F;precher nichts fu&#x0364;r mich zu &#x017F;a-<lb/>
gen: was blieb mir denn fu&#x0364;r Hoffnung u&#x0364;brig,<lb/>
meine Sache zu treiben?</p><lb/>
          <p>Was kommt nun aus dem allen heraus,<lb/>
mein Herr? &#x2012; Es i&#x017F;t die&#x017F;es. Wo &#x017F;ie den Ein-<lb/>
fluß u&#x0364;ber ihn haben, den ein Mann von ihrem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[466/0472] Es iſt das gewoͤhnliche Schickſal bey un- gleichen Ehen, daß dadurch oft ganz leidliche Perſonen in Vorwuͤrfe gerathen, die ſonſt, wenn ſie gluͤcklicher geheyrathet haͤtten, ſich wuͤr- den Ruhm erworben haben. Soll ich denn nicht billig ein Buͤndniß mit einem Manne fliehen, der ein Frauenzimmer zu Fehlern verleiten koͤnnte, das ſich ſchmeichelt, mit einer Neigung zum Gu- ten begluͤckt zu ſeyn, und das einen jeden, mit dem ſie einige Verbindung hat, bis auf ihre Bedienten ſelbſt, gluͤcklich zu machen wuͤnſchet? Sie ruhete wiederum aus und ging einmal im Zimmer herum. Der alberne Kerl, hohl ihn der Teufel, war alle dieſe Zeit uͤber ein todter Hund. Die Fraͤulein ſetzte die Unterre- dung wieder fort. Es iſt wahr, ehemals habe ich mir Hoff- nung gemacht, ein geringes Werkzeug zu ſeiner Bekehrung zu werden. Da ich aber keine ſol- che Hoffnung weiter habe: iſt es denn wohl recht; ſie ſind ja ein aufrichtiger Mann, mein Herr; et- was zu wagen, wodurch meine eigenen Grund- ſaͤtze in der Sittenlehre Gefahr leiden duͤrf- ten? Noch immer ſchwieg der elende Kerl ſtille. Hatte mein Fuͤrſprecher nichts fuͤr mich zu ſa- gen: was blieb mir denn fuͤr Hoffnung uͤbrig, meine Sache zu treiben? Was kommt nun aus dem allen heraus, mein Herr? ‒ Es iſt dieſes. Wo ſie den Ein- fluß uͤber ihn haben, den ein Mann von ihrem Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/472
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/472>, abgerufen am 23.11.2024.