Er wäre versichert, hieß die Antwort, daß ich dazu keine Hoffnung hätte.
Stehn sie denn wirklich in den Gedanken, daß die Lady Elisabeth mich besuchen will?
Daran habe ich gar keinen Zweifel.
Aber, mein Herr! aber, Herr Capitain Tom- linson - - Sie wandte sich voll Ungeduld von ihm und wieder zu ihm - - Jch weiß nicht, was ich thun soll - - Allein wenn ich ihre Tochter wäre, mein Herr - - Wenn sie mein Vater wären - - Ach, mein Herr, ich habe weder Vater noch Mutter!
Der Capitain kehrte sich um und wischte die Augen ab.
O mein Herr! sie haben noch ein menschli- ches Herz - - Sie weinte so gar - - Es sind doch noch Leute in der Welt, dem Himmel sey Dank, die gerühret werden können. O mein Herr, ich habe mit steinernen Herzen und zwar selbst in meiner eignen Familie zu thun gehabt - - Sonnst könnte ich nicht so unglücklich seyn, als ich bin - - Jch mache noch dazu einen jeden unglücklich!
Jch vermuthe, daß ihm hierbey die Augen überliefen.
Theureste! Göttliche Fräulein! - - wer kann - - wer kann - - - so stotterte der Hund mit aufgeblasenen Wangen, vor Weinen, wie er mir selbst gestanden hat. Jch hörte auch in der That eines und das andere, das vorkam: ob sie gleich beyde leiser redeten, als ich wünschte.
Denn
Er waͤre verſichert, hieß die Antwort, daß ich dazu keine Hoffnung haͤtte.
Stehn ſie denn wirklich in den Gedanken, daß die Lady Eliſabeth mich beſuchen will?
Daran habe ich gar keinen Zweifel.
Aber, mein Herr! aber, Herr Capitain Tom- linſon ‒ ‒ Sie wandte ſich voll Ungeduld von ihm und wieder zu ihm ‒ ‒ Jch weiß nicht, was ich thun ſoll ‒ ‒ Allein wenn ich ihre Tochter waͤre, mein Herr ‒ ‒ Wenn ſie mein Vater waͤren ‒ ‒ Ach, mein Herr, ich habe weder Vater noch Mutter!
Der Capitain kehrte ſich um und wiſchte die Augen ab.
O mein Herr! ſie haben noch ein menſchli- ches Herz ‒ ‒ Sie weinte ſo gar ‒ ‒ Es ſind doch noch Leute in der Welt, dem Himmel ſey Dank, die geruͤhret werden koͤnnen. O mein Herr, ich habe mit ſteinernen Herzen und zwar ſelbſt in meiner eignen Familie zu thun gehabt ‒ ‒ Sonnſt koͤnnte ich nicht ſo ungluͤcklich ſeyn, als ich bin ‒ ‒ Jch mache noch dazu einen jeden ungluͤcklich!
Jch vermuthe, daß ihm hierbey die Augen uͤberliefen.
Theureſte! Goͤttliche Fraͤulein! ‒ ‒ wer kann ‒ ‒ wer kann ‒ ‒ ‒ ſo ſtotterte der Hund mit aufgeblaſenen Wangen, vor Weinen, wie er mir ſelbſt geſtanden hat. Jch hoͤrte auch in der That eines und das andere, das vorkam: ob ſie gleich beyde leiſer redeten, als ich wuͤnſchte.
Denn
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0469"n="463"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Er waͤre verſichert, hieß die Antwort, daß ich<lb/>
dazu keine Hoffnung haͤtte.</p><lb/><p>Stehn ſie denn wirklich in den Gedanken,<lb/>
daß die Lady Eliſabeth mich beſuchen will?</p><lb/><p>Daran habe ich gar keinen Zweifel.</p><lb/><p>Aber, mein Herr! aber, Herr Capitain Tom-<lb/>
linſon ‒‒ Sie wandte ſich voll Ungeduld von<lb/>
ihm und wieder zu ihm ‒‒ Jch weiß nicht, was<lb/>
ich thun ſoll ‒‒ Allein wenn <hirendition="#fr">ich ihre</hi> Tochter<lb/>
waͤre, mein Herr ‒‒ Wenn <hirendition="#fr">ſie</hi> mein Vater<lb/>
waͤren ‒‒ Ach, mein Herr, ich habe weder Vater<lb/>
noch Mutter!</p><lb/><p>Der Capitain kehrte ſich um und wiſchte die<lb/>
Augen ab.</p><lb/><p>O mein Herr! ſie haben noch ein menſchli-<lb/>
ches Herz ‒‒ Sie weinte ſo gar ‒‒ Es ſind<lb/>
doch noch Leute in der Welt, dem Himmel ſey<lb/>
Dank, die geruͤhret werden <hirendition="#fr">koͤnnen.</hi> O mein<lb/>
Herr, ich habe mit ſteinernen Herzen und zwar<lb/>ſelbſt in meiner eignen Familie zu thun gehabt<lb/>‒‒ Sonnſt koͤnnte ich nicht ſo ungluͤcklich ſeyn,<lb/>
als ich bin ‒‒ Jch mache noch dazu einen jeden<lb/>
ungluͤcklich!</p><lb/><p>Jch vermuthe, daß ihm hierbey die Augen<lb/>
uͤberliefen.</p><lb/><p>Theureſte! Goͤttliche Fraͤulein! ‒‒ wer<lb/>
kann ‒‒ wer kann ‒‒‒ſo ſtotterte der<lb/>
Hund mit aufgeblaſenen Wangen, vor Weinen,<lb/>
wie er mir ſelbſt geſtanden hat. Jch hoͤrte auch<lb/>
in der That eines und das andere, das vorkam:<lb/>
ob <hirendition="#fr">ſie</hi> gleich <hirendition="#fr">beyde</hi> leiſer redeten, als ich wuͤnſchte.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Denn</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[463/0469]
Er waͤre verſichert, hieß die Antwort, daß ich
dazu keine Hoffnung haͤtte.
Stehn ſie denn wirklich in den Gedanken,
daß die Lady Eliſabeth mich beſuchen will?
Daran habe ich gar keinen Zweifel.
Aber, mein Herr! aber, Herr Capitain Tom-
linſon ‒ ‒ Sie wandte ſich voll Ungeduld von
ihm und wieder zu ihm ‒ ‒ Jch weiß nicht, was
ich thun ſoll ‒ ‒ Allein wenn ich ihre Tochter
waͤre, mein Herr ‒ ‒ Wenn ſie mein Vater
waͤren ‒ ‒ Ach, mein Herr, ich habe weder Vater
noch Mutter!
Der Capitain kehrte ſich um und wiſchte die
Augen ab.
O mein Herr! ſie haben noch ein menſchli-
ches Herz ‒ ‒ Sie weinte ſo gar ‒ ‒ Es ſind
doch noch Leute in der Welt, dem Himmel ſey
Dank, die geruͤhret werden koͤnnen. O mein
Herr, ich habe mit ſteinernen Herzen und zwar
ſelbſt in meiner eignen Familie zu thun gehabt
‒ ‒ Sonnſt koͤnnte ich nicht ſo ungluͤcklich ſeyn,
als ich bin ‒ ‒ Jch mache noch dazu einen jeden
ungluͤcklich!
Jch vermuthe, daß ihm hierbey die Augen
uͤberliefen.
Theureſte! Goͤttliche Fraͤulein! ‒ ‒ wer
kann ‒ ‒ wer kann ‒ ‒ ‒ ſo ſtotterte der
Hund mit aufgeblaſenen Wangen, vor Weinen,
wie er mir ſelbſt geſtanden hat. Jch hoͤrte auch
in der That eines und das andere, das vorkam:
ob ſie gleich beyde leiſer redeten, als ich wuͤnſchte.
Denn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/469>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.