die Seite, von welcher ich nicht nur den Frauen- zimmern von ihrer Familie, sondern auch der ganzen Welt in die Augen fallen muß? - - - Glauben sie, mein Herr, unter diesen Umstän- den, oder wenn ich auch in dem glücklichsten Stande gewesen wäre, daß mich die Vorstellung eines unverdienten Vorzugs rühren könnte? - - Sie kennen das Gemüth von Clarissa Harlowe gar noch nicht: wenn sie ihr einem so elenden und so ungebührlichen Stolz zutrauen!
Sie entfernte sich hierauf von uns in die an- dere Ecke des Zimmers.
Der Capitain war wiederum gerühret. Jch nannte sie eine unvergleichliche Fräulein, näher- te mich ihr mit großer Ehrerbiethung und trieb die Vorstellung, welche ich kurz zuvor gethan hatte, etwas weiter.
Es ist noch nicht lange, waren meine Worte, daß mir die Meynungen meiner Verwandten von mir, sie mochten gut oder böse seyn, mehr als gleichgültig gewesen sind. Es geschiehet mehr um ihrentwillen, als um mein selbst willen, daß ich itzo mit meiner ganzen Familie wohl zu stehen wünsche. Die vornehmste Ur- sache, warum die Lady Elisabeth herauf kommt, ist, Geschenke für die ganze Familie einzukaufen, welche bey der glücklichen Gelegenheit gemacht werden sollen.
Jch weiß wohl, wandte ich mich zu dem Capitain, daß diese Vorstellung bey einem so edelmüthigen Frauenzimmer kein Gewicht ha-
ben
F f 5
die Seite, von welcher ich nicht nur den Frauen- zimmern von ihrer Familie, ſondern auch der ganzen Welt in die Augen fallen muß? ‒ ‒ ‒ Glauben ſie, mein Herr, unter dieſen Umſtaͤn- den, oder wenn ich auch in dem gluͤcklichſten Stande geweſen waͤre, daß mich die Vorſtellung eines unverdienten Vorzugs ruͤhren koͤnnte? ‒ ‒ Sie kennen das Gemuͤth von Clariſſa Harlowe gar noch nicht: wenn ſie ihr einem ſo elenden und ſo ungebuͤhrlichen Stolz zutrauen!
Sie entfernte ſich hierauf von uns in die an- dere Ecke des Zimmers.
Der Capitain war wiederum geruͤhret. Jch nannte ſie eine unvergleichliche Fraͤulein, naͤher- te mich ihr mit großer Ehrerbiethung und trieb die Vorſtellung, welche ich kurz zuvor gethan hatte, etwas weiter.
Es iſt noch nicht lange, waren meine Worte, daß mir die Meynungen meiner Verwandten von mir, ſie mochten gut oder boͤſe ſeyn, mehr als gleichguͤltig geweſen ſind. Es geſchiehet mehr um ihrentwillen, als um mein ſelbſt willen, daß ich itzo mit meiner ganzen Familie wohl zu ſtehen wuͤnſche. Die vornehmſte Ur- ſache, warum die Lady Eliſabeth herauf kommt, iſt, Geſchenke fuͤr die ganze Familie einzukaufen, welche bey der gluͤcklichen Gelegenheit gemacht werden ſollen.
Jch weiß wohl, wandte ich mich zu dem Capitain, daß dieſe Vorſtellung bey einem ſo edelmuͤthigen Frauenzimmer kein Gewicht ha-
ben
F f 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0463"n="457"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
die Seite, von welcher ich nicht nur den Frauen-<lb/>
zimmern von ihrer Familie, ſondern auch der<lb/>
ganzen Welt in die Augen fallen muß? ‒‒‒<lb/>
Glauben ſie, mein Herr, unter dieſen Umſtaͤn-<lb/>
den, oder wenn ich auch in dem <hirendition="#fr">gluͤcklichſten</hi><lb/>
Stande geweſen waͤre, daß mich die Vorſtellung<lb/>
eines unverdienten Vorzugs ruͤhren koͤnnte? ‒‒<lb/>
Sie kennen das Gemuͤth von Clariſſa Harlowe<lb/>
gar noch nicht: wenn ſie ihr einem ſo elenden<lb/>
und ſo <hirendition="#fr">ungebuͤhrlichen</hi> Stolz zutrauen!</p><lb/><p>Sie entfernte ſich hierauf von uns in die an-<lb/>
dere Ecke des Zimmers.</p><lb/><p>Der Capitain war wiederum geruͤhret. Jch<lb/>
nannte ſie eine unvergleichliche Fraͤulein, naͤher-<lb/>
te mich ihr mit großer Ehrerbiethung und trieb<lb/>
die Vorſtellung, welche ich kurz zuvor gethan<lb/>
hatte, etwas weiter.</p><lb/><p>Es iſt noch nicht lange, waren meine Worte,<lb/>
daß mir die Meynungen meiner Verwandten von<lb/>
mir, ſie mochten gut oder boͤſe ſeyn, mehr als<lb/>
gleichguͤltig geweſen ſind. Es geſchiehet mehr<lb/>
um <hirendition="#fr">ihrentwillen,</hi> als um <hirendition="#fr">mein ſelbſt</hi> willen,<lb/>
daß ich itzo mit meiner ganzen Familie<lb/>
wohl zu ſtehen wuͤnſche. Die vornehmſte Ur-<lb/>ſache, warum die Lady Eliſabeth herauf kommt,<lb/>
iſt, Geſchenke fuͤr die ganze Familie einzukaufen,<lb/>
welche bey der gluͤcklichen Gelegenheit gemacht<lb/>
werden ſollen.</p><lb/><p>Jch weiß wohl, wandte ich mich zu dem<lb/>
Capitain, daß dieſe Vorſtellung bey einem ſo<lb/>
edelmuͤthigen Frauenzimmer kein Gewicht ha-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F f 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">ben</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[457/0463]
die Seite, von welcher ich nicht nur den Frauen-
zimmern von ihrer Familie, ſondern auch der
ganzen Welt in die Augen fallen muß? ‒ ‒ ‒
Glauben ſie, mein Herr, unter dieſen Umſtaͤn-
den, oder wenn ich auch in dem gluͤcklichſten
Stande geweſen waͤre, daß mich die Vorſtellung
eines unverdienten Vorzugs ruͤhren koͤnnte? ‒ ‒
Sie kennen das Gemuͤth von Clariſſa Harlowe
gar noch nicht: wenn ſie ihr einem ſo elenden
und ſo ungebuͤhrlichen Stolz zutrauen!
Sie entfernte ſich hierauf von uns in die an-
dere Ecke des Zimmers.
Der Capitain war wiederum geruͤhret. Jch
nannte ſie eine unvergleichliche Fraͤulein, naͤher-
te mich ihr mit großer Ehrerbiethung und trieb
die Vorſtellung, welche ich kurz zuvor gethan
hatte, etwas weiter.
Es iſt noch nicht lange, waren meine Worte,
daß mir die Meynungen meiner Verwandten von
mir, ſie mochten gut oder boͤſe ſeyn, mehr als
gleichguͤltig geweſen ſind. Es geſchiehet mehr
um ihrentwillen, als um mein ſelbſt willen,
daß ich itzo mit meiner ganzen Familie
wohl zu ſtehen wuͤnſche. Die vornehmſte Ur-
ſache, warum die Lady Eliſabeth herauf kommt,
iſt, Geſchenke fuͤr die ganze Familie einzukaufen,
welche bey der gluͤcklichen Gelegenheit gemacht
werden ſollen.
Jch weiß wohl, wandte ich mich zu dem
Capitain, daß dieſe Vorſtellung bey einem ſo
edelmuͤthigen Frauenzimmer kein Gewicht ha-
ben
F f 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/463>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.