Liebe zu mir, der Bewegungsgrund dazu sey? - - Weder ihre Tugend noch ihre Liebe kann an- ders, als durch eine völlige Probe, durch die äu- ßerste Probe, befestiget werden - - Bleibt aber ihr Widerstand und ihr Unwillen so, wie ich bis- her Ursache zu vermuthen habe; und finde ich in dem Unwillen weniger Haß gegen mich als ge- gen die That: so soll sie auf die Art, wie sie es selbst wünschet, die meinige seyn. Alsdenn will ich sie heyrathen: so verhaßt mir auch das Le- ben in Fesseln ist.
Wohlan, mein Herr, ich kann nichts mehr sagen, als daß ich nur wie eines Töpfers Tohn in ihren Händen bin, alles aus mir zu bilden, was ihnen beliebt. Aber wenn, wie ich zuvor gesagt - -
Nichts von eurem zuvor gesagten. Jch weiß noch alles, was du gesagt hast. Jch weiß auch alles, was du ferner sagen kannst. Du willst nur, wie Pontius Pilatus, deine Hände waschen; kenne ich dich nicht? damit du et- was haben mögest, dein Gewissen zu stillen; in- dem du alle Schuld auf mich ladest. Wir sind schon zu weit gegangen, daß wir wieder zurück- ziehen könnten. Sind nicht alle unsere Trieb- werke in Bereitschaft? Trockne deine traurigen Augen ab. Laß die Gleichgültigkeit und Ge- müthsruhe deine feyerliche Bildung wieder bele- ben. Du hast deine Person bisher ausnehmend wohl gespielet. Beschäme deine vergangene Aufführung nicht durch die künftige: es wartet
eine
Fünfter Theil. F f
Liebe zu mir, der Bewegungsgrund dazu ſey? ‒ ‒ Weder ihre Tugend noch ihre Liebe kann an- ders, als durch eine voͤllige Probe, durch die aͤu- ßerſte Probe, befeſtiget werden ‒ ‒ Bleibt aber ihr Widerſtand und ihr Unwillen ſo, wie ich bis- her Urſache zu vermuthen habe; und finde ich in dem Unwillen weniger Haß gegen mich als ge- gen die That: ſo ſoll ſie auf die Art, wie ſie es ſelbſt wuͤnſchet, die meinige ſeyn. Alsdenn will ich ſie heyrathen: ſo verhaßt mir auch das Le- ben in Feſſeln iſt.
Wohlan, mein Herr, ich kann nichts mehr ſagen, als daß ich nur wie eines Toͤpfers Tohn in ihren Haͤnden bin, alles aus mir zu bilden, was ihnen beliebt. Aber wenn, wie ich zuvor geſagt ‒ ‒
Nichts von eurem zuvor geſagten. Jch weiß noch alles, was du geſagt haſt. Jch weiß auch alles, was du ferner ſagen kannſt. Du willſt nur, wie Pontius Pilatus, deine Haͤnde waſchen; kenne ich dich nicht? damit du et- was haben moͤgeſt, dein Gewiſſen zu ſtillen; in- dem du alle Schuld auf mich ladeſt. Wir ſind ſchon zu weit gegangen, daß wir wieder zuruͤck- ziehen koͤnnten. Sind nicht alle unſere Trieb- werke in Bereitſchaft? Trockne deine traurigen Augen ab. Laß die Gleichguͤltigkeit und Ge- muͤthsruhe deine feyerliche Bildung wieder bele- ben. Du haſt deine Perſon bisher ausnehmend wohl geſpielet. Beſchaͤme deine vergangene Auffuͤhrung nicht durch die kuͤnftige: es wartet
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Fuͤnfter Theil. F f
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Liebe zu mir, der Bewegungsgrund dazu ſey?
‒ ‒ Weder ihre Tugend noch ihre Liebe kann an-
ders, als durch eine voͤllige Probe, durch die aͤu-
ßerſte Probe, befeſtiget werden ‒ ‒ Bleibt aber
ihr Widerſtand und ihr Unwillen ſo, wie ich bis-
her Urſache zu vermuthen habe; und finde ich in
dem Unwillen weniger Haß gegen mich als ge-
gen die That: ſo ſoll ſie auf die Art, wie ſie es
ſelbſt wuͤnſchet, die meinige ſeyn. Alsdenn will
ich ſie heyrathen: ſo verhaßt mir auch das Le-
ben in Feſſeln iſt.
Wohlan, mein Herr, ich kann nichts mehr
ſagen, als daß ich nur wie eines Toͤpfers Tohn
in ihren Haͤnden bin, alles aus mir zu bilden,
was ihnen beliebt. Aber wenn, wie ich zuvor
geſagt ‒ ‒
Nichts von eurem zuvor geſagten. Jch
weiß noch alles, was du geſagt haſt. Jch weiß
auch alles, was du ferner ſagen kannſt. Du
willſt nur, wie Pontius Pilatus, deine Haͤnde
waſchen; kenne ich dich nicht? damit du et-
was haben moͤgeſt, dein Gewiſſen zu ſtillen; in-
dem du alle Schuld auf mich ladeſt. Wir ſind
ſchon zu weit gegangen, daß wir wieder zuruͤck-
ziehen koͤnnten. Sind nicht alle unſere Trieb-
werke in Bereitſchaft? Trockne deine traurigen
Augen ab. Laß die Gleichguͤltigkeit und Ge-
muͤthsruhe deine feyerliche Bildung wieder bele-
ben. Du haſt deine Perſon bisher ausnehmend
wohl geſpielet. Beſchaͤme deine vergangene
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/455>, abgerufen am 23.11.2024.
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