Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



Liebe zu mir, der Bewegungsgrund dazu sey?
- - Weder ihre Tugend noch ihre Liebe kann an-
ders, als durch eine völlige Probe, durch die äu-
ßerste
Probe, befestiget werden - - Bleibt aber
ihr Widerstand und ihr Unwillen so, wie ich bis-
her Ursache zu vermuthen habe; und finde ich in
dem Unwillen weniger Haß gegen mich als ge-
gen die That: so soll sie auf die Art, wie sie es
selbst wünschet, die meinige seyn. Alsdenn will
ich sie heyrathen: so verhaßt mir auch das Le-
ben in Fesseln
ist.

Wohlan, mein Herr, ich kann nichts mehr
sagen, als daß ich nur wie eines Töpfers Tohn
in ihren Händen bin, alles aus mir zu bilden,
was ihnen beliebt. Aber wenn, wie ich zuvor
gesagt - -

Nichts von eurem zuvor gesagten. Jch
weiß noch alles, was du gesagt hast. Jch weiß
auch alles, was du ferner sagen kannst. Du
willst nur, wie Pontius Pilatus, deine Hände
waschen; kenne ich dich nicht? damit du et-
was haben mögest, dein Gewissen zu stillen; in-
dem du alle Schuld auf mich ladest. Wir sind
schon zu weit gegangen, daß wir wieder zurück-
ziehen könnten. Sind nicht alle unsere Trieb-
werke in Bereitschaft? Trockne deine traurigen
Augen ab. Laß die Gleichgültigkeit und Ge-
müthsruhe deine feyerliche Bildung wieder bele-
ben. Du hast deine Person bisher ausnehmend
wohl gespielet. Beschäme deine vergangene
Aufführung nicht durch die künftige: es wartet

eine
Fünfter Theil. F f



Liebe zu mir, der Bewegungsgrund dazu ſey?
‒ ‒ Weder ihre Tugend noch ihre Liebe kann an-
ders, als durch eine voͤllige Probe, durch die aͤu-
ßerſte
Probe, befeſtiget werden ‒ ‒ Bleibt aber
ihr Widerſtand und ihr Unwillen ſo, wie ich bis-
her Urſache zu vermuthen habe; und finde ich in
dem Unwillen weniger Haß gegen mich als ge-
gen die That: ſo ſoll ſie auf die Art, wie ſie es
ſelbſt wuͤnſchet, die meinige ſeyn. Alsdenn will
ich ſie heyrathen: ſo verhaßt mir auch das Le-
ben in Feſſeln
iſt.

Wohlan, mein Herr, ich kann nichts mehr
ſagen, als daß ich nur wie eines Toͤpfers Tohn
in ihren Haͤnden bin, alles aus mir zu bilden,
was ihnen beliebt. Aber wenn, wie ich zuvor
geſagt ‒ ‒

Nichts von eurem zuvor geſagten. Jch
weiß noch alles, was du geſagt haſt. Jch weiß
auch alles, was du ferner ſagen kannſt. Du
willſt nur, wie Pontius Pilatus, deine Haͤnde
waſchen; kenne ich dich nicht? damit du et-
was haben moͤgeſt, dein Gewiſſen zu ſtillen; in-
dem du alle Schuld auf mich ladeſt. Wir ſind
ſchon zu weit gegangen, daß wir wieder zuruͤck-
ziehen koͤnnten. Sind nicht alle unſere Trieb-
werke in Bereitſchaft? Trockne deine traurigen
Augen ab. Laß die Gleichguͤltigkeit und Ge-
muͤthsruhe deine feyerliche Bildung wieder bele-
ben. Du haſt deine Perſon bisher ausnehmend
wohl geſpielet. Beſchaͤme deine vergangene
Auffuͤhrung nicht durch die kuͤnftige: es wartet

eine
Fuͤnfter Theil. F f
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0455" n="449"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#fr">Liebe</hi> zu <hi rendition="#fr">mir,</hi> der Bewegungsgrund dazu &#x017F;ey?<lb/>
&#x2012; &#x2012; Weder ihre Tugend noch ihre Liebe kann an-<lb/>
ders, als durch eine vo&#x0364;llige Probe, durch die <hi rendition="#fr">a&#x0364;u-<lb/>
ßer&#x017F;te</hi> Probe, befe&#x017F;tiget werden &#x2012; &#x2012; Bleibt aber<lb/>
ihr Wider&#x017F;tand und ihr Unwillen &#x017F;o, wie ich bis-<lb/>
her Ur&#x017F;ache zu vermuthen habe; und finde ich in<lb/>
dem Unwillen weniger Haß gegen <hi rendition="#fr">mich</hi> als ge-<lb/>
gen die <hi rendition="#fr">That:</hi> &#x017F;o &#x017F;oll &#x017F;ie auf die Art, wie &#x017F;ie es<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wu&#x0364;n&#x017F;chet, die meinige &#x017F;eyn. Alsdenn will<lb/>
ich <hi rendition="#fr">&#x017F;ie heyrathen:</hi> &#x017F;o verhaßt mir auch das <hi rendition="#fr">Le-<lb/>
ben in Fe&#x017F;&#x017F;eln</hi> i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Wohlan, mein Herr, ich kann nichts mehr<lb/>
&#x017F;agen, als daß ich nur wie eines To&#x0364;pfers Tohn<lb/>
in ihren Ha&#x0364;nden bin, alles aus mir zu bilden,<lb/>
was ihnen beliebt. Aber wenn, wie ich zuvor<lb/>
ge&#x017F;agt &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Nichts von eurem <hi rendition="#fr">zuvor ge&#x017F;agten.</hi> Jch<lb/>
weiß noch alles, was du ge&#x017F;agt ha&#x017F;t. Jch weiß<lb/>
auch alles, was du <hi rendition="#fr">ferner</hi> &#x017F;agen kann&#x017F;t. Du<lb/>
will&#x017F;t nur, wie Pontius Pilatus, deine Ha&#x0364;nde<lb/>
wa&#x017F;chen; <hi rendition="#fr">kenne ich dich nicht?</hi> damit du et-<lb/>
was haben mo&#x0364;ge&#x017F;t, dein Gewi&#x017F;&#x017F;en zu &#x017F;tillen; in-<lb/>
dem du alle Schuld auf mich lade&#x017F;t. Wir &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;chon zu weit gegangen, daß wir wieder zuru&#x0364;ck-<lb/>
ziehen ko&#x0364;nnten. Sind nicht alle un&#x017F;ere Trieb-<lb/>
werke in Bereit&#x017F;chaft? Trockne deine traurigen<lb/>
Augen ab. Laß die Gleichgu&#x0364;ltigkeit und Ge-<lb/>
mu&#x0364;thsruhe deine feyerliche Bildung wieder bele-<lb/>
ben. Du ha&#x017F;t deine Per&#x017F;on bisher ausnehmend<lb/>
wohl ge&#x017F;pielet. Be&#x017F;cha&#x0364;me deine vergangene<lb/>
Auffu&#x0364;hrung nicht durch die ku&#x0364;nftige: es wartet<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Fu&#x0364;nfter Theil.</hi> F f</fw><fw place="bottom" type="catch">eine</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[449/0455] Liebe zu mir, der Bewegungsgrund dazu ſey? ‒ ‒ Weder ihre Tugend noch ihre Liebe kann an- ders, als durch eine voͤllige Probe, durch die aͤu- ßerſte Probe, befeſtiget werden ‒ ‒ Bleibt aber ihr Widerſtand und ihr Unwillen ſo, wie ich bis- her Urſache zu vermuthen habe; und finde ich in dem Unwillen weniger Haß gegen mich als ge- gen die That: ſo ſoll ſie auf die Art, wie ſie es ſelbſt wuͤnſchet, die meinige ſeyn. Alsdenn will ich ſie heyrathen: ſo verhaßt mir auch das Le- ben in Feſſeln iſt. Wohlan, mein Herr, ich kann nichts mehr ſagen, als daß ich nur wie eines Toͤpfers Tohn in ihren Haͤnden bin, alles aus mir zu bilden, was ihnen beliebt. Aber wenn, wie ich zuvor geſagt ‒ ‒ Nichts von eurem zuvor geſagten. Jch weiß noch alles, was du geſagt haſt. Jch weiß auch alles, was du ferner ſagen kannſt. Du willſt nur, wie Pontius Pilatus, deine Haͤnde waſchen; kenne ich dich nicht? damit du et- was haben moͤgeſt, dein Gewiſſen zu ſtillen; in- dem du alle Schuld auf mich ladeſt. Wir ſind ſchon zu weit gegangen, daß wir wieder zuruͤck- ziehen koͤnnten. Sind nicht alle unſere Trieb- werke in Bereitſchaft? Trockne deine traurigen Augen ab. Laß die Gleichguͤltigkeit und Ge- muͤthsruhe deine feyerliche Bildung wieder bele- ben. Du haſt deine Perſon bisher ausnehmend wohl geſpielet. Beſchaͤme deine vergangene Auffuͤhrung nicht durch die kuͤnftige: es wartet eine Fuͤnfter Theil. F f

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/455
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/455>, abgerufen am 23.11.2024.