sich nicht scheuen, daß jemand in dasselbe hinein- schaue - - Was für Zweifel dieser Mensch, der selbst an meinen Fehlern schuld ist, und, nach dem Fluch meines strengen Vaters, selbst die von ihm verursachten Fehler an mir bestrafet, auch immer gegen mich und gegen meine Ehre gehabt haben möchte: so wollte ich ihm vergeben haben; wenn er sie mir frey entdecket hätte. Denn er möchte vielleicht an der künftigen Aufführung eines Frauenzimmers, das er hatte verleiten können, gegen das Verbot ihrer Eltern und ihre eigne Ueberzeugung, mit ihm Briefwechsel und Gemein- schaft zu unterhalten, einige Zweifel geheget ha- ben. Hätte er mir sie nur als ein rechtschaffener Mann und Cavallier eröffnet: so würde ich mich gefreuet haben, daß ich eine bequeme Gelegenheit bekommen, meine Absichten in ihrer Unschuld dar- zustellen, und das Recht, warum er eine gute Meynung von mir haben müßte, zu zeigen. - - Und ich hoffe, sie, mein Herr - -
Capit. Jch bin bereit, gnädige Fräulein, alle ihre Zweifel zu hören und zu heben - -
Cl. Jch kann es ihnen, mein Herr, bloß auf ihr Gewissen und auf ihre Ehre anheimstel- len - -
Der Hund konnte nicht ruhig sitzen; er rück- te beständig mit den Füßen. Sie hatte ihr Au- ge unverwandt auf ihn gerichtet: er fürchtete sich daher, nachdem er einmal angelaufen war, mich anzusehen und meine Bewegungen zu bemerken. Bald wandte er seine Augen zu mir; bald von
mir:
ſich nicht ſcheuen, daß jemand in daſſelbe hinein- ſchaue ‒ ‒ Was fuͤr Zweifel dieſer Menſch, der ſelbſt an meinen Fehlern ſchuld iſt, und, nach dem Fluch meines ſtrengen Vaters, ſelbſt die von ihm verurſachten Fehler an mir beſtrafet, auch immer gegen mich und gegen meine Ehre gehabt haben moͤchte: ſo wollte ich ihm vergeben haben; wenn er ſie mir frey entdecket haͤtte. Denn er moͤchte vielleicht an der kuͤnftigen Auffuͤhrung eines Frauenzimmers, das er hatte verleiten koͤnnen, gegen das Verbot ihrer Eltern und ihre eigne Ueberzeugung, mit ihm Briefwechſel und Gemein- ſchaft zu unterhalten, einige Zweifel geheget ha- ben. Haͤtte er mir ſie nur als ein rechtſchaffener Mann und Cavallier eroͤffnet: ſo wuͤrde ich mich gefreuet haben, daß ich eine bequeme Gelegenheit bekommen, meine Abſichten in ihrer Unſchuld dar- zuſtellen, und das Recht, warum er eine gute Meynung von mir haben muͤßte, zu zeigen. ‒ ‒ Und ich hoffe, ſie, mein Herr ‒ ‒
Capit. Jch bin bereit, gnaͤdige Fraͤulein, alle ihre Zweifel zu hoͤren und zu heben ‒ ‒
Cl. Jch kann es ihnen, mein Herr, bloß auf ihr Gewiſſen und auf ihre Ehre anheimſtel- len ‒ ‒
Der Hund konnte nicht ruhig ſitzen; er ruͤck- te beſtaͤndig mit den Fuͤßen. Sie hatte ihr Au- ge unverwandt auf ihn gerichtet: er fuͤrchtete ſich daher, nachdem er einmal angelaufen war, mich anzuſehen und meine Bewegungen zu bemerken. Bald wandte er ſeine Augen zu mir; bald von
mir:
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ſich nicht ſcheuen, daß jemand in daſſelbe hinein-
ſchaue ‒ ‒ Was fuͤr Zweifel dieſer Menſch, der
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Fluch meines ſtrengen Vaters, ſelbſt die von ihm
verurſachten Fehler an mir beſtrafet, auch immer
gegen mich und gegen meine Ehre gehabt haben
moͤchte: ſo wollte ich ihm vergeben haben; wenn
er ſie mir frey entdecket haͤtte. Denn er moͤchte
vielleicht an der kuͤnftigen Auffuͤhrung eines
Frauenzimmers, das er hatte verleiten koͤnnen,
gegen das Verbot ihrer Eltern und ihre eigne
Ueberzeugung, mit ihm Briefwechſel und Gemein-
ſchaft zu unterhalten, einige Zweifel geheget ha-
ben. Haͤtte er mir ſie nur als ein rechtſchaffener
Mann und Cavallier eroͤffnet: ſo wuͤrde ich mich
gefreuet haben, daß ich eine bequeme Gelegenheit
bekommen, meine Abſichten in ihrer Unſchuld dar-
zuſtellen, und das Recht, warum er eine gute
Meynung von mir haben muͤßte, zu zeigen. ‒ ‒
Und ich hoffe, ſie, mein Herr ‒ ‒
Capit. Jch bin bereit, gnaͤdige Fraͤulein,
alle ihre Zweifel zu hoͤren und zu heben ‒ ‒
Cl. Jch kann es ihnen, mein Herr, bloß auf
ihr Gewiſſen und auf ihre Ehre anheimſtel-
len ‒ ‒
Der Hund konnte nicht ruhig ſitzen; er ruͤck-
te beſtaͤndig mit den Fuͤßen. Sie hatte ihr Au-
ge unverwandt auf ihn gerichtet: er fuͤrchtete ſich
daher, nachdem er einmal angelaufen war, mich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/440>, abgerufen am 23.11.2024.
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