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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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Wir machten ihnen von allem, was vorgegangen
war, eine solche Vorstellung, daß dadurch ent-
weder ein verdeckter oder offenbarer Vorwurf der
Härte und üllertriebenen Bedenklichkeit auf die
verkehrte Schöne fallen mußte.

Die Witwe Bevis insonderheit steckte die ei-
ne Lippe aus, warf den Kopf in die Höhe, zog
Runzeln an der Stirne, und machte solche Be-
wegungen mit ihren bald aufgehobenen bald nie-
dergeschlagenen Augen, welche zu erkennen ga-
ben, daß sie dachte, die Fräulein hätte nicht we-
nig verkehrtes und gezwungenes an sich. Bis-
weilen verwandelte sie ihre tadelsüchtigen Blicke
in mitleidige Blicke gegen mich - - Allein sie
möchte nicht gern etwas ärger machen, wie sie
sagte. - - Eine klägliche Sache, leyder Got-
tes!
- Hierzu zuckte sie die Achseln - Eine kläg-
liche Sache, daß man einen solchen Umschweif
machet! - Jhre Augen lachten herzlich - -
Gelindigkeit und Nachsicht wäre eine gute Sa-
che! Liebe wäre eine gute Sache. - - Aber zu
viel wäre zu viel.

Jungfer Rawlins nannte inzwischen die
Witwe Bevis mit einem spröden Lächeln eine
Frau, die zu Lustspielen aufgelegt wäre.
Sie bezeugte, daß bey unsern Begebenheiten et-
was seyn müßte, das sie nicht ergründen könnte,
ging von uns in eine Ecke und setzte sich nieder,
voll Verdruß, wie es schien, daß sie es nicht
konnte.

Der



Wir machten ihnen von allem, was vorgegangen
war, eine ſolche Vorſtellung, daß dadurch ent-
weder ein verdeckter oder offenbarer Vorwurf der
Haͤrte und uͤllertriebenen Bedenklichkeit auf die
verkehrte Schoͤne fallen mußte.

Die Witwe Bevis inſonderheit ſteckte die ei-
ne Lippe aus, warf den Kopf in die Hoͤhe, zog
Runzeln an der Stirne, und machte ſolche Be-
wegungen mit ihren bald aufgehobenen bald nie-
dergeſchlagenen Augen, welche zu erkennen ga-
ben, daß ſie dachte, die Fraͤulein haͤtte nicht we-
nig verkehrtes und gezwungenes an ſich. Bis-
weilen verwandelte ſie ihre tadelſuͤchtigen Blicke
in mitleidige Blicke gegen mich ‒ ‒ Allein ſie
moͤchte nicht gern etwas aͤrger machen, wie ſie
ſagte. ‒ ‒ Eine klaͤgliche Sache, leyder Got-
tes!
‒ Hierzu zuckte ſie die Achſeln ‒ Eine klaͤg-
liche Sache, daß man einen ſolchen Umſchweif
machet! ‒ Jhre Augen lachten herzlich ‒ ‒
Gelindigkeit und Nachſicht waͤre eine gute Sa-
che! Liebe waͤre eine gute Sache. ‒ ‒ Aber zu
viel waͤre zu viel.

Jungfer Rawlins nannte inzwiſchen die
Witwe Bevis mit einem ſproͤden Laͤcheln eine
Frau, die zu Luſtſpielen aufgelegt waͤre.
Sie bezeugte, daß bey unſern Begebenheiten et-
was ſeyn muͤßte, das ſie nicht ergruͤnden koͤnnte,
ging von uns in eine Ecke und ſetzte ſich nieder,
voll Verdruß, wie es ſchien, daß ſie es nicht
konnte.

Der
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[426/0432] Wir machten ihnen von allem, was vorgegangen war, eine ſolche Vorſtellung, daß dadurch ent- weder ein verdeckter oder offenbarer Vorwurf der Haͤrte und uͤllertriebenen Bedenklichkeit auf die verkehrte Schoͤne fallen mußte. Die Witwe Bevis inſonderheit ſteckte die ei- ne Lippe aus, warf den Kopf in die Hoͤhe, zog Runzeln an der Stirne, und machte ſolche Be- wegungen mit ihren bald aufgehobenen bald nie- dergeſchlagenen Augen, welche zu erkennen ga- ben, daß ſie dachte, die Fraͤulein haͤtte nicht we- nig verkehrtes und gezwungenes an ſich. Bis- weilen verwandelte ſie ihre tadelſuͤchtigen Blicke in mitleidige Blicke gegen mich ‒ ‒ Allein ſie moͤchte nicht gern etwas aͤrger machen, wie ſie ſagte. ‒ ‒ Eine klaͤgliche Sache, leyder Got- tes! ‒ Hierzu zuckte ſie die Achſeln ‒ Eine klaͤg- liche Sache, daß man einen ſolchen Umſchweif machet! ‒ Jhre Augen lachten herzlich ‒ ‒ Gelindigkeit und Nachſicht waͤre eine gute Sa- che! Liebe waͤre eine gute Sache. ‒ ‒ Aber zu viel waͤre zu viel. Jungfer Rawlins nannte inzwiſchen die Witwe Bevis mit einem ſproͤden Laͤcheln eine Frau, die zu Luſtſpielen aufgelegt waͤre. Sie bezeugte, daß bey unſern Begebenheiten et- was ſeyn muͤßte, das ſie nicht ergruͤnden koͤnnte, ging von uns in eine Ecke und ſetzte ſich nieder, voll Verdruß, wie es ſchien, daß ſie es nicht konnte. Der

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/432>, abgerufen am 23.11.2024.