und die Ueberzeugung von demselben, als unsere schändliche Unwürdigkeit erblicken.
O Lovelace! wie groß war damals selbst in meinen Augen und wie groß ist noch bey wieder- holter Ueberlegung der Sieg einer ächten Beschei- denheit, eines ächten Witzes, einer ächten Höflich- keit über aufgeblasenen Scherz, lachende Unver- schämtheit und eine selbst in den Augen der schul- digen so schämenswürdige Unflätherey, daß sie nicht anders als mit zweydeutigen Worten dar- auf weisen mögen.
Alle ihre Bestrafungen, wie du auch einmal bemerket hast, entdeckte sie durch ihr Auge. Sie that es aber nicht auf eine so armselige Weise, wie es der gemeine Haufe von ihrem Geschlechte zu thun pflegte. Sie nahm nicht etwa eine über- triebene Einfalt an, als wenn sie den Verstand der Worte, die offenbar keiner Erklärung bedurf- ten, nicht einsähe. Nein, ihr Auge ließ so viele Empfindlichkeit blicken, daß es einer jeden unver- schämten Person, die sich zu lachen unterstand, das Aergerniß deutlich vorhielte, welches einem reinen Herzen gegeben und von diesem gefühlet worden; einem Herzen, daß sich nur unwissend auf seinem Wege verirret hätte, da es in eine sol- che Gesellschaft gerathen wäre.
So ist das Frauenzimmer, so ist der Engel beschaffen, den du mit List in deine Gewalt gezo- gen hast, den du zu betriegen und ins Unglück zu stürzen gedenkest. - - O die liebenswürdige Schöne. Wüßte sie nur, das dachte ich damals
so-
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und die Ueberzeugung von demſelben, als unſere ſchaͤndliche Unwuͤrdigkeit erblicken.
O Lovelace! wie groß war damals ſelbſt in meinen Augen und wie groß iſt noch bey wieder- holter Ueberlegung der Sieg einer aͤchten Beſchei- denheit, eines aͤchten Witzes, einer aͤchten Hoͤflich- keit uͤber aufgeblaſenen Scherz, lachende Unver- ſchaͤmtheit und eine ſelbſt in den Augen der ſchul- digen ſo ſchaͤmenswuͤrdige Unflaͤtherey, daß ſie nicht anders als mit zweydeutigen Worten dar- auf weiſen moͤgen.
Alle ihre Beſtrafungen, wie du auch einmal bemerket haſt, entdeckte ſie durch ihr Auge. Sie that es aber nicht auf eine ſo armſelige Weiſe, wie es der gemeine Haufe von ihrem Geſchlechte zu thun pflegte. Sie nahm nicht etwa eine uͤber- triebene Einfalt an, als wenn ſie den Verſtand der Worte, die offenbar keiner Erklaͤrung bedurf- ten, nicht einſaͤhe. Nein, ihr Auge ließ ſo viele Empfindlichkeit blicken, daß es einer jeden unver- ſchaͤmten Perſon, die ſich zu lachen unterſtand, das Aergerniß deutlich vorhielte, welches einem reinen Herzen gegeben und von dieſem gefuͤhlet worden; einem Herzen, daß ſich nur unwiſſend auf ſeinem Wege verirret haͤtte, da es in eine ſol- che Geſellſchaft gerathen waͤre.
So iſt das Frauenzimmer, ſo iſt der Engel beſchaffen, den du mit Liſt in deine Gewalt gezo- gen haſt, den du zu betriegen und ins Ungluͤck zu ſtuͤrzen gedenkeſt. ‒ ‒ O die liebenswuͤrdige Schoͤne. Wuͤßte ſie nur, das dachte ich damals
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und die Ueberzeugung von demſelben, als unſere
ſchaͤndliche Unwuͤrdigkeit erblicken.
O Lovelace! wie groß war damals ſelbſt in
meinen Augen und wie groß iſt noch bey wieder-
holter Ueberlegung der Sieg einer aͤchten Beſchei-
denheit, eines aͤchten Witzes, einer aͤchten Hoͤflich-
keit uͤber aufgeblaſenen Scherz, lachende Unver-
ſchaͤmtheit und eine ſelbſt in den Augen der ſchul-
digen ſo ſchaͤmenswuͤrdige Unflaͤtherey, daß ſie
nicht anders als mit zweydeutigen Worten dar-
auf weiſen moͤgen.
Alle ihre Beſtrafungen, wie du auch einmal
bemerket haſt, entdeckte ſie durch ihr Auge. Sie
that es aber nicht auf eine ſo armſelige Weiſe,
wie es der gemeine Haufe von ihrem Geſchlechte
zu thun pflegte. Sie nahm nicht etwa eine uͤber-
triebene Einfalt an, als wenn ſie den Verſtand
der Worte, die offenbar keiner Erklaͤrung bedurf-
ten, nicht einſaͤhe. Nein, ihr Auge ließ ſo viele
Empfindlichkeit blicken, daß es einer jeden unver-
ſchaͤmten Perſon, die ſich zu lachen unterſtand,
das Aergerniß deutlich vorhielte, welches einem
reinen Herzen gegeben und von dieſem gefuͤhlet
worden; einem Herzen, daß ſich nur unwiſſend
auf ſeinem Wege verirret haͤtte, da es in eine ſol-
che Geſellſchaft gerathen waͤre.
So iſt das Frauenzimmer, ſo iſt der Engel
beſchaffen, den du mit Liſt in deine Gewalt gezo-
gen haſt, den du zu betriegen und ins Ungluͤck
zu ſtuͤrzen gedenkeſt. ‒ ‒ O die liebenswuͤrdige
Schoͤne. Wuͤßte ſie nur, das dachte ich damals
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/43>, abgerufen am 23.11.2024.
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