Seite verändert und mich zu dem Entschlusse ge- bracht hat, alle reizende Hoffnung, wovon er schwa- tzet, aufzugeben, und alle Gefahr zu wagen, da- mit ich mich nur von seiner Gewalt frey mache.
O meine Allerliebste! wie glücklich würde es für uns beyde gewesen seyn: wenn ich diese Nei- gung auf meine Seite, wie sie es gütigst nen- nen, unter solchen Zurückhaltungen, als wohl nie eine Mannsperson bey einem Frauenzimmer an- getroffen hat, zu entdecken geschickt gewesen wäre.
Er hat sie wirklich entdecket, Herr Capitain. Er hat mich mehr als einmal dahin gebracht, sie zu gestehen. Er hat mich, um so viel mehr ohne Noth, dahin gebracht: da ich sagen darf, daß ihm seine Eitelkeit keine Ursache gelassen, daran zu zweifeln; und da ich keinen andern Grund gehabt, warum ich mich nicht übereilet habe, sie zu bekennen, als weil ich nur allzu billig besorgt gewesen bin, daß es ihm an edelmüthiger Gesinnung fehle. Mit einem Wort, Herr Ca- pitain, ich würde mir selbst verächtlich gewesen seyn; das trage ich itzo desto weniger Bedenken zu sagen, da ich meine Maaßregeln vollkommen gefaßt habe: wenn ich gefunden hätte, daß ich im Stande wäre, gegen diejenige Mannsperson, wel- che ich zu heyrathen gesonnen, eine gezwungene Sprödigkeit oder Tyranney zu beweisen. Jch habe allezeit einen Fehler von dieser Art an mei- ner liebsten Freundinn in der Welt getadelt. Mit einem Wort - -
Lovel.
Seite veraͤndert und mich zu dem Entſchluſſe ge- bracht hat, alle reizende Hoffnung, wovon er ſchwa- tzet, aufzugeben, und alle Gefahr zu wagen, da- mit ich mich nur von ſeiner Gewalt frey mache.
O meine Allerliebſte! wie gluͤcklich wuͤrde es fuͤr uns beyde geweſen ſeyn: wenn ich dieſe Nei- gung auf meine Seite, wie ſie es guͤtigſt nen- nen, unter ſolchen Zuruͤckhaltungen, als wohl nie eine Mannsperſon bey einem Frauenzimmer an- getroffen hat, zu entdecken geſchickt geweſen waͤre.
Er hat ſie wirklich entdecket, Herr Capitain. Er hat mich mehr als einmal dahin gebracht, ſie zu geſtehen. Er hat mich, um ſo viel mehr ohne Noth, dahin gebracht: da ich ſagen darf, daß ihm ſeine Eitelkeit keine Urſache gelaſſen, daran zu zweifeln; und da ich keinen andern Grund gehabt, warum ich mich nicht uͤbereilet habe, ſie zu bekennen, als weil ich nur allzu billig beſorgt geweſen bin, daß es ihm an edelmuͤthiger Geſinnung fehle. Mit einem Wort, Herr Ca- pitain, ich wuͤrde mir ſelbſt veraͤchtlich geweſen ſeyn; das trage ich itzo deſto weniger Bedenken zu ſagen, da ich meine Maaßregeln vollkommen gefaßt habe: wenn ich gefunden haͤtte, daß ich im Stande waͤre, gegen diejenige Mannsperſon, wel- che ich zu heyrathen geſonnen, eine gezwungene Sproͤdigkeit oder Tyranney zu beweiſen. Jch habe allezeit einen Fehler von dieſer Art an mei- ner liebſten Freundinn in der Welt getadelt. Mit einem Wort ‒ ‒
Lovel.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0420"n="414"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Seite veraͤndert und mich zu dem Entſchluſſe ge-<lb/>
bracht hat, alle reizende Hoffnung, wovon er ſchwa-<lb/>
tzet, aufzugeben, und alle Gefahr zu wagen, da-<lb/>
mit ich mich nur von ſeiner Gewalt frey mache.</p><lb/><p>O meine Allerliebſte! wie gluͤcklich wuͤrde es<lb/>
fuͤr uns beyde geweſen ſeyn: wenn ich <hirendition="#fr">dieſe Nei-<lb/>
gung auf meine Seite,</hi> wie ſie es guͤtigſt nen-<lb/>
nen, unter ſolchen Zuruͤckhaltungen, als wohl nie<lb/>
eine Mannsperſon bey einem Frauenzimmer an-<lb/>
getroffen hat, zu <hirendition="#fr">entdecken</hi> geſchickt geweſen<lb/>
waͤre.</p><lb/><p>Er hat ſie wirklich <hirendition="#fr">entdecket,</hi> Herr Capitain.<lb/>
Er hat mich <hirendition="#fr">mehr als einmal</hi> dahin gebracht,<lb/>ſie zu <hirendition="#fr">geſtehen.</hi> Er hat mich, um ſo viel mehr<lb/>
ohne Noth, dahin gebracht: da ich ſagen darf,<lb/>
daß ihm ſeine <hirendition="#fr">Eitelkeit keine Urſache</hi> gelaſſen,<lb/><hirendition="#fr">daran zu zweifeln;</hi> und da ich keinen andern<lb/>
Grund gehabt, warum ich mich nicht <hirendition="#fr">uͤbereilet</hi><lb/>
habe, ſie zu bekennen, als weil ich nur allzu billig<lb/>
beſorgt geweſen bin, daß es ihm an edelmuͤthiger<lb/>
Geſinnung fehle. Mit einem Wort, Herr Ca-<lb/>
pitain, ich wuͤrde mir ſelbſt veraͤchtlich geweſen<lb/>ſeyn; das trage ich itzo deſto weniger Bedenken<lb/>
zu ſagen, da ich meine Maaßregeln vollkommen<lb/>
gefaßt habe: wenn ich gefunden haͤtte, daß ich im<lb/>
Stande waͤre, gegen diejenige Mannsperſon, wel-<lb/>
che ich zu heyrathen geſonnen, eine gezwungene<lb/>
Sproͤdigkeit oder Tyranney zu beweiſen. Jch<lb/>
habe allezeit einen Fehler von dieſer Art an mei-<lb/>
ner liebſten Freundinn in der Welt getadelt. Mit<lb/>
einem Wort ‒‒</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Lovel.</hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[414/0420]
Seite veraͤndert und mich zu dem Entſchluſſe ge-
bracht hat, alle reizende Hoffnung, wovon er ſchwa-
tzet, aufzugeben, und alle Gefahr zu wagen, da-
mit ich mich nur von ſeiner Gewalt frey mache.
O meine Allerliebſte! wie gluͤcklich wuͤrde es
fuͤr uns beyde geweſen ſeyn: wenn ich dieſe Nei-
gung auf meine Seite, wie ſie es guͤtigſt nen-
nen, unter ſolchen Zuruͤckhaltungen, als wohl nie
eine Mannsperſon bey einem Frauenzimmer an-
getroffen hat, zu entdecken geſchickt geweſen
waͤre.
Er hat ſie wirklich entdecket, Herr Capitain.
Er hat mich mehr als einmal dahin gebracht,
ſie zu geſtehen. Er hat mich, um ſo viel mehr
ohne Noth, dahin gebracht: da ich ſagen darf,
daß ihm ſeine Eitelkeit keine Urſache gelaſſen,
daran zu zweifeln; und da ich keinen andern
Grund gehabt, warum ich mich nicht uͤbereilet
habe, ſie zu bekennen, als weil ich nur allzu billig
beſorgt geweſen bin, daß es ihm an edelmuͤthiger
Geſinnung fehle. Mit einem Wort, Herr Ca-
pitain, ich wuͤrde mir ſelbſt veraͤchtlich geweſen
ſeyn; das trage ich itzo deſto weniger Bedenken
zu ſagen, da ich meine Maaßregeln vollkommen
gefaßt habe: wenn ich gefunden haͤtte, daß ich im
Stande waͤre, gegen diejenige Mannsperſon, wel-
che ich zu heyrathen geſonnen, eine gezwungene
Sproͤdigkeit oder Tyranney zu beweiſen. Jch
habe allezeit einen Fehler von dieſer Art an mei-
ner liebſten Freundinn in der Welt getadelt. Mit
einem Wort ‒ ‒
Lovel.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/420>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.