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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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aller liederlichen und ausschweifend freyer Leute,
mit denen ich jemals umgegangen bin, von dem
ansehnlichen Ränkeschmieder Lovelace an bis auf
den kleinen Hänschen Hartop, den Hurenjäger,
größtentheils darinn bestehe, schämenswürdige
und anstößige Dinge mit einer solchen Dreistig-
keit herauszusagen, daß bescheidne Leute davor
erröthen, unverschämte darüber lachen und uner-
fahrne dabey starre sehen.

Du denkest wohl, warum ich doch diese Dinge
so zur Unzeit, wie es scheinen möchte, berühre?
Jch will es dir sagen. Jch thue es bloß, um nur ein
Beyspiel unter vielen, die mir eben diese Abendge-
sellschaftan die Hand geben könnte, von dem Vorzu-
ge dieser Fräulein in solchen Gaben, welche die Na-
tur adelten und ihr Geschlecht verehrungswürdig
machen, anzuführen. Den Vorzug mußte nicht
allein ein jeder von uns, die den Anstoß gaben,
sondern auch die schlaue Partington und die nicht
so feine, aber trefflich heuchelnde Sinclair voll-
kommen einsehen. Alle sahen ihn ja überzeu-
gend in dem strafenden Auge, in der uns nieder-
schlagenden Röthe, welche mit eben so viel Mis-
vergnügen als Bescheidenheit vermenget war.
Und bisweilen, wie es die Gelegenheit erforder-
te, da einige von uns so verhärtet waren, daß
sie einen feinen Verweis nicht empfinden konnten,
zeigte er sich auch offenbar in der großmüthigen
Verachtung, die mit einer gewissen Art eines ge-
ringschätzenden Mitleidens vermischet war. Aus
diesem ließ sich zugleich sowohl ihr eigner Werth

und



aller liederlichen und ausſchweifend freyer Leute,
mit denen ich jemals umgegangen bin, von dem
anſehnlichen Raͤnkeſchmieder Lovelace an bis auf
den kleinen Haͤnschen Hartop, den Hurenjaͤger,
groͤßtentheils darinn beſtehe, ſchaͤmenswuͤrdige
und anſtoͤßige Dinge mit einer ſolchen Dreiſtig-
keit herauszuſagen, daß beſcheidne Leute davor
erroͤthen, unverſchaͤmte daruͤber lachen und uner-
fahrne dabey ſtarre ſehen.

Du denkeſt wohl, warum ich doch dieſe Dinge
ſo zur Unzeit, wie es ſcheinen moͤchte, beruͤhre?
Jch will es dir ſagen. Jch thue es bloß, um nur ein
Beyſpiel unter vielen, die mir eben dieſe Abendge-
ſellſchaftan die Hand geben koͤnnte, von dem Vorzu-
ge dieſer Fraͤulein in ſolchen Gaben, welche die Na-
tur adelten und ihr Geſchlecht verehrungswuͤrdig
machen, anzufuͤhren. Den Vorzug mußte nicht
allein ein jeder von uns, die den Anſtoß gaben,
ſondern auch die ſchlaue Partington und die nicht
ſo feine, aber trefflich heuchelnde Sinclair voll-
kommen einſehen. Alle ſahen ihn ja uͤberzeu-
gend in dem ſtrafenden Auge, in der uns nieder-
ſchlagenden Roͤthe, welche mit eben ſo viel Mis-
vergnuͤgen als Beſcheidenheit vermenget war.
Und bisweilen, wie es die Gelegenheit erforder-
te, da einige von uns ſo verhaͤrtet waren, daß
ſie einen feinen Verweis nicht empfinden konnten,
zeigte er ſich auch offenbar in der großmuͤthigen
Verachtung, die mit einer gewiſſen Art eines ge-
ringſchaͤtzenden Mitleidens vermiſchet war. Aus
dieſem ließ ſich zugleich ſowohl ihr eigner Werth

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[36/0042] aller liederlichen und ausſchweifend freyer Leute, mit denen ich jemals umgegangen bin, von dem anſehnlichen Raͤnkeſchmieder Lovelace an bis auf den kleinen Haͤnschen Hartop, den Hurenjaͤger, groͤßtentheils darinn beſtehe, ſchaͤmenswuͤrdige und anſtoͤßige Dinge mit einer ſolchen Dreiſtig- keit herauszuſagen, daß beſcheidne Leute davor erroͤthen, unverſchaͤmte daruͤber lachen und uner- fahrne dabey ſtarre ſehen. Du denkeſt wohl, warum ich doch dieſe Dinge ſo zur Unzeit, wie es ſcheinen moͤchte, beruͤhre? Jch will es dir ſagen. Jch thue es bloß, um nur ein Beyſpiel unter vielen, die mir eben dieſe Abendge- ſellſchaftan die Hand geben koͤnnte, von dem Vorzu- ge dieſer Fraͤulein in ſolchen Gaben, welche die Na- tur adelten und ihr Geſchlecht verehrungswuͤrdig machen, anzufuͤhren. Den Vorzug mußte nicht allein ein jeder von uns, die den Anſtoß gaben, ſondern auch die ſchlaue Partington und die nicht ſo feine, aber trefflich heuchelnde Sinclair voll- kommen einſehen. Alle ſahen ihn ja uͤberzeu- gend in dem ſtrafenden Auge, in der uns nieder- ſchlagenden Roͤthe, welche mit eben ſo viel Mis- vergnuͤgen als Beſcheidenheit vermenget war. Und bisweilen, wie es die Gelegenheit erforder- te, da einige von uns ſo verhaͤrtet waren, daß ſie einen feinen Verweis nicht empfinden konnten, zeigte er ſich auch offenbar in der großmuͤthigen Verachtung, die mit einer gewiſſen Art eines ge- ringſchaͤtzenden Mitleidens vermiſchet war. Aus dieſem ließ ſich zugleich ſowohl ihr eigner Werth und

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/42>, abgerufen am 23.11.2024.