Capit. Jch muß in der That gestehen, mein Herr, sie haben nicht wohl daran gethan, daß sie die Furcht eines schon vorher in Schrecken gesetz- ten Frauenzimmers noch vermehret haben.
Sie versuchte hierauf neben mir wegzugehen. Jch stellte mich aber mit dem Rücken an die Thür und bat sie, noch einige Augenblicke bey uns zu bleiben. Jch würde nicht einmal so viel ge- saget haben, meine Allerliebste: wenn ich es nicht ihrentwegen so wohl als um mein selbst willen ge- than hätte, damit der Capitain Tomlinson nicht denken möchte, daß ich schändlicher gehandelt hätte, als wirklich geschehen ist. Jch will auch kein Wort mehr von der Sache reden, sondern nur theils ihnen selbst zu bedenken anheimstellen, ob es nicht nöthig gewesen ist, so viel zu sagen, theils mich auf den eignen Ausspruch des Capi- tains berufen, ob er nicht sonst mit einer weit är- gern Meynung von mir, weggegangen wäre, wenn er die von mir geschehene Beleidigung nach der Heftigkeit ihres Unwillens beurtheilet hätte.
Capit. Das würde ich allerdings gethan haben. Jch muß es gestehen. Es ist mir lieb, Herr Lovelace, daß sie im Stande sind, sich so weit zu vertheidigen.
Cl. Eine Sache, wobey der Beleidiger mit dem Richter auf einer Bank sitzet, muß wohl ge- prüfet werden - - Jch lasse den Ausspruch über meine Sache nicht auf Mannspersonen ankom-
men
Capit. Jch muß in der That geſtehen, mein Herr, ſie haben nicht wohl daran gethan, daß ſie die Furcht eines ſchon vorher in Schrecken geſetz- ten Frauenzimmers noch vermehret haben.
Sie verſuchte hierauf neben mir wegzugehen. Jch ſtellte mich aber mit dem Ruͤcken an die Thuͤr und bat ſie, noch einige Augenblicke bey uns zu bleiben. Jch wuͤrde nicht einmal ſo viel ge- ſaget haben, meine Allerliebſte: wenn ich es nicht ihrentwegen ſo wohl als um mein ſelbſt willen ge- than haͤtte, damit der Capitain Tomlinſon nicht denken moͤchte, daß ich ſchaͤndlicher gehandelt haͤtte, als wirklich geſchehen iſt. Jch will auch kein Wort mehr von der Sache reden, ſondern nur theils ihnen ſelbſt zu bedenken anheimſtellen, ob es nicht noͤthig geweſen iſt, ſo viel zu ſagen, theils mich auf den eignen Ausſpruch des Capi- tains berufen, ob er nicht ſonſt mit einer weit aͤr- gern Meynung von mir, weggegangen waͤre, wenn er die von mir geſchehene Beleidigung nach der Heftigkeit ihres Unwillens beurtheilet haͤtte.
Capit. Das wuͤrde ich allerdings gethan haben. Jch muß es geſtehen. Es iſt mir lieb, Herr Lovelace, daß ſie im Stande ſind, ſich ſo weit zu vertheidigen.
Cl. Eine Sache, wobey der Beleidiger mit dem Richter auf einer Bank ſitzet, muß wohl ge- pruͤfet werden ‒ ‒ Jch laſſe den Ausſpruch uͤber meine Sache nicht auf Mannsperſonen ankom-
men
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Capit. Jch muß in der That geſtehen, mein
Herr, ſie haben nicht wohl daran gethan, daß ſie
die Furcht eines ſchon vorher in Schrecken geſetz-
ten Frauenzimmers noch vermehret haben.
Sie verſuchte hierauf neben mir wegzugehen.
Jch ſtellte mich aber mit dem Ruͤcken an die
Thuͤr und bat ſie, noch einige Augenblicke bey uns
zu bleiben. Jch wuͤrde nicht einmal ſo viel ge-
ſaget haben, meine Allerliebſte: wenn ich es nicht
ihrentwegen ſo wohl als um mein ſelbſt willen ge-
than haͤtte, damit der Capitain Tomlinſon nicht
denken moͤchte, daß ich ſchaͤndlicher gehandelt
haͤtte, als wirklich geſchehen iſt. Jch will auch
kein Wort mehr von der Sache reden, ſondern
nur theils ihnen ſelbſt zu bedenken anheimſtellen,
ob es nicht noͤthig geweſen iſt, ſo viel zu ſagen,
theils mich auf den eignen Ausſpruch des Capi-
tains berufen, ob er nicht ſonſt mit einer weit aͤr-
gern Meynung von mir, weggegangen waͤre,
wenn er die von mir geſchehene Beleidigung nach
der Heftigkeit ihres Unwillens beurtheilet haͤtte.
Capit. Das wuͤrde ich allerdings gethan
haben. Jch muß es geſtehen. Es iſt mir
lieb, Herr Lovelace, daß ſie im Stande ſind, ſich
ſo weit zu vertheidigen.
Cl. Eine Sache, wobey der Beleidiger mit
dem Richter auf einer Bank ſitzet, muß wohl ge-
pruͤfet werden ‒ ‒ Jch laſſe den Ausſpruch uͤber
meine Sache nicht auf Mannsperſonen ankom-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/416>, abgerufen am 23.11.2024.
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