Mein Bruder mag mich finden. Jch bin kein so elendes Mägdchen, daß ich vor dem Anblicke desjenigen Bruders, der mir Unrecht gethan hat, furchtsam seyn sollte.
Capit. Kämen sie und ihr Bruder nur al- lein zusammen, sich mit einander zu besprechen, sich einander ihre Beschwerden vorzuhalten, die Schwierigkeiten zu heben: so wäre es eine ande- re Sache. Aber was für einen Ausgang, gnä- dige Fräulein, können sie sich von einer Zusam- menkunft, in Gesellschaft des Herrn Solmes, vorstellen: wenn er sie unverheyrathet findet, und entschlossen, den Herrn Lovelace nimmermehr zu nehmen; gesetzt auch, daß Herr Lovelace sich nicht darein mengte; welches nicht zu vermu- then ist?
Cl. Jch kann nur sagen, daß ich sehr un- glücklich daran sey - - Jch muß mich dem Wil- len der Fürsehung unterwerfen, und unter den Uebeln, welche mich dieselbe nicht vermeiden lassen will, geduldig seyn. Jnzwischen habe ich meine Maaßregeln genommen. Herr Lovelace kann mich niemals glücklich machen: ich ihn auch nicht. Jch warte hier nur auf einen Brief von der Fräulein Howe. Der muß mich schlüs- sig machen. - -
Schlüßig in Absicht auf Herrn Lovelace, gnädige Fräulein? fiel ihr der Capitain in die Rede.
Cl. Jn Absicht auf denselben bin ich schon schlüßig.
Capit.
Mein Bruder mag mich finden. Jch bin kein ſo elendes Maͤgdchen, daß ich vor dem Anblicke desjenigen Bruders, der mir Unrecht gethan hat, furchtſam ſeyn ſollte.
Capit. Kaͤmen ſie und ihr Bruder nur al- lein zuſammen, ſich mit einander zu beſprechen, ſich einander ihre Beſchwerden vorzuhalten, die Schwierigkeiten zu heben: ſo waͤre es eine ande- re Sache. Aber was fuͤr einen Ausgang, gnaͤ- dige Fraͤulein, koͤnnen ſie ſich von einer Zuſam- menkunft, in Geſellſchaft des Herrn Solmes, vorſtellen: wenn er ſie unverheyrathet findet, und entſchloſſen, den Herrn Lovelace nimmermehr zu nehmen; geſetzt auch, daß Herr Lovelace ſich nicht darein mengte; welches nicht zu vermu- then iſt?
Cl. Jch kann nur ſagen, daß ich ſehr un- gluͤcklich daran ſey ‒ ‒ Jch muß mich dem Wil- len der Fuͤrſehung unterwerfen, und unter den Uebeln, welche mich dieſelbe nicht vermeiden laſſen will, geduldig ſeyn. Jnzwiſchen habe ich meine Maaßregeln genommen. Herr Lovelace kann mich niemals gluͤcklich machen: ich ihn auch nicht. Jch warte hier nur auf einen Brief von der Fraͤulein Howe. Der muß mich ſchluͤſ- ſig machen. ‒ ‒
Schluͤßig in Abſicht auf Herrn Lovelace, gnaͤdige Fraͤulein? fiel ihr der Capitain in die Rede.
Cl. Jn Abſicht auf denſelben bin ich ſchon ſchluͤßig.
Capit.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0412"n="406"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Mein Bruder mag mich finden. Jch bin kein<lb/>ſo elendes Maͤgdchen, daß ich vor dem Anblicke<lb/>
desjenigen Bruders, der mir Unrecht gethan hat,<lb/>
furchtſam ſeyn ſollte.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Capit.</hi> Kaͤmen ſie und ihr Bruder nur al-<lb/>
lein zuſammen, ſich mit einander zu beſprechen,<lb/>ſich einander ihre Beſchwerden vorzuhalten, die<lb/>
Schwierigkeiten zu heben: ſo waͤre es eine ande-<lb/>
re Sache. Aber was fuͤr einen Ausgang, gnaͤ-<lb/>
dige Fraͤulein, koͤnnen ſie ſich von einer Zuſam-<lb/>
menkunft, in Geſellſchaft des Herrn Solmes,<lb/>
vorſtellen: wenn er ſie <hirendition="#fr">unverheyrathet</hi> findet,<lb/>
und entſchloſſen, den Herrn Lovelace nimmermehr<lb/>
zu nehmen; geſetzt auch, daß Herr Lovelace ſich<lb/>
nicht darein mengte; welches nicht zu vermu-<lb/>
then iſt?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Cl.</hi> Jch kann nur ſagen, daß ich ſehr un-<lb/>
gluͤcklich daran ſey ‒‒ Jch muß mich dem Wil-<lb/>
len der Fuͤrſehung unterwerfen, und unter den<lb/>
Uebeln, welche mich <hirendition="#fr">dieſelbe</hi> nicht vermeiden<lb/>
laſſen will, geduldig ſeyn. Jnzwiſchen habe ich<lb/>
meine Maaßregeln genommen. Herr Lovelace<lb/>
kann <hirendition="#fr">mich</hi> niemals gluͤcklich machen: ich <hirendition="#fr">ihn</hi><lb/>
auch nicht. Jch warte hier nur auf einen Brief<lb/>
von der Fraͤulein Howe. Der muß mich ſchluͤſ-<lb/>ſig machen. ‒‒</p><lb/><p>Schluͤßig in Abſicht auf Herrn Lovelace,<lb/>
gnaͤdige Fraͤulein? fiel ihr der Capitain in die<lb/>
Rede.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Cl.</hi> Jn Abſicht auf denſelben bin ich ſchon<lb/>ſchluͤßig.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Capit.</hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[406/0412]
Mein Bruder mag mich finden. Jch bin kein
ſo elendes Maͤgdchen, daß ich vor dem Anblicke
desjenigen Bruders, der mir Unrecht gethan hat,
furchtſam ſeyn ſollte.
Capit. Kaͤmen ſie und ihr Bruder nur al-
lein zuſammen, ſich mit einander zu beſprechen,
ſich einander ihre Beſchwerden vorzuhalten, die
Schwierigkeiten zu heben: ſo waͤre es eine ande-
re Sache. Aber was fuͤr einen Ausgang, gnaͤ-
dige Fraͤulein, koͤnnen ſie ſich von einer Zuſam-
menkunft, in Geſellſchaft des Herrn Solmes,
vorſtellen: wenn er ſie unverheyrathet findet,
und entſchloſſen, den Herrn Lovelace nimmermehr
zu nehmen; geſetzt auch, daß Herr Lovelace ſich
nicht darein mengte; welches nicht zu vermu-
then iſt?
Cl. Jch kann nur ſagen, daß ich ſehr un-
gluͤcklich daran ſey ‒ ‒ Jch muß mich dem Wil-
len der Fuͤrſehung unterwerfen, und unter den
Uebeln, welche mich dieſelbe nicht vermeiden
laſſen will, geduldig ſeyn. Jnzwiſchen habe ich
meine Maaßregeln genommen. Herr Lovelace
kann mich niemals gluͤcklich machen: ich ihn
auch nicht. Jch warte hier nur auf einen Brief
von der Fraͤulein Howe. Der muß mich ſchluͤſ-
ſig machen. ‒ ‒
Schluͤßig in Abſicht auf Herrn Lovelace,
gnaͤdige Fraͤulein? fiel ihr der Capitain in die
Rede.
Cl. Jn Abſicht auf denſelben bin ich ſchon
ſchluͤßig.
Capit.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/412>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.