Das ist die erste Weibsperson, dachte ich, die jemals so von mir geredet oder gedacht hat: das ist mein Trost. - - Aber meine Allerliebste, da dieß hinter meinem Rücken zu dem Freunde deines Onkels gesprochen ist: so hilft es dein schon mehr als zu volles Maaß noch weiter aufhäufen. - - Es ist in meiner Schreibtafel niederge- schrieben.
Cl. Wenn ich auf sein ganzes Bezeigen ge- gen ein armes junges Frauenzimmer; ich bin ja noch sehr jung, zurücksehe; so kann ich ihn von dem Vorwurfe entweder einer großen Thorheit; oder durchtriebener Ränke nicht frey sprechen - - - Und verwichene Mittwoche - - Dabey hielte sie inne, und kehrte, wie ich vermuthe, ihr Gesicht weg. Jch wundere mich, daß sie sich nicht schämte, von dem, was sie für so schämens- würdig hielte, einen Wink zu geben; und zwar gegen eine Mannsperson, die noch dazu allei- ne mit ihr war.
Capit. Es sey ferne von mir, gnädige Fräu- lein, daß ich um eine so bedenkliche Sache allzu genau zu wissen verlangen sollte. Er gestehet, daß sie Ursache haben, über ihn misvergnügt zu seyn. Aber er spricht sich gegen mich so feyerlich von aller vorsetzlichen Beleidigung frey - -
Cl. Er kann sich nicht freysprechen, Herr Tomlinson. Die Leute von dem Hause müssen eben so wohl, als er, von recht ehrenloser Gesin- nung seyn. Jch bin überzeugt, daß ein gottloses
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Das iſt die erſte Weibsperſon, dachte ich, die jemals ſo von mir geredet oder gedacht hat: das iſt mein Troſt. ‒ ‒ Aber meine Allerliebſte, da dieß hinter meinem Ruͤcken zu dem Freunde deines Onkels geſprochen iſt: ſo hilft es dein ſchon mehr als zu volles Maaß noch weiter aufhaͤufen. ‒ ‒ Es iſt in meiner Schreibtafel niederge- ſchrieben.
Cl. Wenn ich auf ſein ganzes Bezeigen ge- gen ein armes junges Frauenzimmer; ich bin ja noch ſehr jung, zuruͤckſehe; ſo kann ich ihn von dem Vorwurfe entweder einer großen Thorheit; oder durchtriebener Raͤnke nicht frey ſprechen ‒ ‒ ‒ Und verwichene Mittwoche ‒ ‒ Dabey hielte ſie inne, und kehrte, wie ich vermuthe, ihr Geſicht weg. Jch wundere mich, daß ſie ſich nicht ſchaͤmte, von dem, was ſie fuͤr ſo ſchaͤmens- wuͤrdig hielte, einen Wink zu geben; und zwar gegen eine Mannsperſon, die noch dazu allei- ne mit ihr war.
Capit. Es ſey ferne von mir, gnaͤdige Fraͤu- lein, daß ich um eine ſo bedenkliche Sache allzu genau zu wiſſen verlangen ſollte. Er geſtehet, daß ſie Urſache haben, uͤber ihn misvergnuͤgt zu ſeyn. Aber er ſpricht ſich gegen mich ſo feyerlich von aller vorſetzlichen Beleidigung frey ‒ ‒
Cl. Er kann ſich nicht freyſprechen, Herr Tomlinſon. Die Leute von dem Hauſe muͤſſen eben ſo wohl, als er, von recht ehrenloſer Geſin- nung ſeyn. Jch bin uͤberzeugt, daß ein gottloſes
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Das iſt die erſte Weibsperſon, dachte ich,
die jemals ſo von mir geredet oder gedacht hat:
das iſt mein Troſt. ‒ ‒ Aber meine Allerliebſte,
da dieß hinter meinem Ruͤcken zu dem Freunde
deines Onkels geſprochen iſt: ſo hilft es dein ſchon
mehr als zu volles Maaß noch weiter aufhaͤufen.
‒ ‒ Es iſt in meiner Schreibtafel niederge-
ſchrieben.
Cl. Wenn ich auf ſein ganzes Bezeigen ge-
gen ein armes junges Frauenzimmer; ich bin ja
noch ſehr jung, zuruͤckſehe; ſo kann ich ihn von
dem Vorwurfe entweder einer großen Thorheit;
oder durchtriebener Raͤnke nicht frey ſprechen ‒
‒ ‒ Und verwichene Mittwoche ‒ ‒ Dabey
hielte ſie inne, und kehrte, wie ich vermuthe, ihr
Geſicht weg. Jch wundere mich, daß ſie ſich
nicht ſchaͤmte, von dem, was ſie fuͤr ſo ſchaͤmens-
wuͤrdig hielte, einen Wink zu geben; und zwar
gegen eine Mannsperſon, die noch dazu allei-
ne mit ihr war.
Capit. Es ſey ferne von mir, gnaͤdige Fraͤu-
lein, daß ich um eine ſo bedenkliche Sache allzu
genau zu wiſſen verlangen ſollte. Er geſtehet,
daß ſie Urſache haben, uͤber ihn misvergnuͤgt zu
ſeyn. Aber er ſpricht ſich gegen mich ſo feyerlich
von aller vorſetzlichen Beleidigung frey ‒ ‒
Cl. Er kann ſich nicht freyſprechen, Herr
Tomlinſon. Die Leute von dem Hauſe muͤſſen
eben ſo wohl, als er, von recht ehrenloſer Geſin-
nung ſeyn. Jch bin uͤberzeugt, daß ein gottloſes
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/409>, abgerufen am 23.11.2024.
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