Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Hiernächst erzählte er ihr, daß ihr Onkel
schon einige Schritte zu einer allgemeinen Aus-
söhnung gethan hätte. Den Augenblick, Jhro
Gnaden, wenn er erfähret, daß sie wirklich ver-
mählet sind, wird er sich mit ihrem Vater darü-
ber in Unterhandlung einlassen: indem er sein
Verlangen, mit ihnen, mit ihrer Frau Mut-
ter,
ausgesöhnet zu seyn, ausdrücklich bezeu-
get hat.

Was sagte denn meine Mutter, mein Herr?
Was sagte meine liebe Muter? Dieß fragte sie
mit großer Bewegung, und hielte ihr anmuth-
reiches Gesicht, wie sie mir der Capitain be-
schrieben hat, mit der sorgfältigsten Aufmerksam-
keit hervor, als wenn sie den Weg, welchen
seine Worte zu ihrem Herzen nehmen sollten,
verkürzen wollte.

Jhre Frau Mutter, gnädige Fräulein, ge-
rieth darüber in Thränen, und ihr Onckel wur-
de durch die zärtliche Liebe derselben so gerüh-
ret, daß er die Unterredung von der Sache nicht
weiter fortsetzen konnte. Er ist aber gesonnen,
sich eigentlich darüber mit ihr einzulassen: so
bald er höret, daß die Trauung geschehen ist.

Nach dem Tone von ihrer Stimme zu ur-
theilen, weinte sie. Das liebe Kind, dachte
ich, fänget an nachzugeben. Jch beneidete dem
Buben seine Beredsamkeit. Kaum war mir
der Gedanke erträglich, daß eine lebendige Seele
unter den Mannspersonen das Vermögen haben
sollte, das ich verlohren hatte, diese stolze Fräu-

lein
Fünfter Theil. C c


Hiernaͤchſt erzaͤhlte er ihr, daß ihr Onkel
ſchon einige Schritte zu einer allgemeinen Aus-
ſoͤhnung gethan haͤtte. Den Augenblick, Jhro
Gnaden, wenn er erfaͤhret, daß ſie wirklich ver-
maͤhlet ſind, wird er ſich mit ihrem Vater daruͤ-
ber in Unterhandlung einlaſſen: indem er ſein
Verlangen, mit ihnen, mit ihrer Frau Mut-
ter,
ausgeſoͤhnet zu ſeyn, ausdruͤcklich bezeu-
get hat.

Was ſagte denn meine Mutter, mein Herr?
Was ſagte meine liebe Muter? Dieß fragte ſie
mit großer Bewegung, und hielte ihr anmuth-
reiches Geſicht, wie ſie mir der Capitain be-
ſchrieben hat, mit der ſorgfaͤltigſten Aufmerkſam-
keit hervor, als wenn ſie den Weg, welchen
ſeine Worte zu ihrem Herzen nehmen ſollten,
verkuͤrzen wollte.

Jhre Frau Mutter, gnaͤdige Fraͤulein, ge-
rieth daruͤber in Thraͤnen, und ihr Onckel wur-
de durch die zaͤrtliche Liebe derſelben ſo geruͤh-
ret, daß er die Unterredung von der Sache nicht
weiter fortſetzen konnte. Er iſt aber geſonnen,
ſich eigentlich daruͤber mit ihr einzulaſſen: ſo
bald er hoͤret, daß die Trauung geſchehen iſt.

Nach dem Tone von ihrer Stimme zu ur-
theilen, weinte ſie. Das liebe Kind, dachte
ich, faͤnget an nachzugeben. Jch beneidete dem
Buben ſeine Beredſamkeit. Kaum war mir
der Gedanke ertraͤglich, daß eine lebendige Seele
unter den Mannsperſonen das Vermoͤgen haben
ſollte, das ich verlohren hatte, dieſe ſtolze Fraͤu-

lein
Fuͤnfter Theil. C c
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0407" n="401"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Hierna&#x0364;ch&#x017F;t erza&#x0364;hlte er ihr, daß ihr Onkel<lb/>
&#x017F;chon einige Schritte zu einer allgemeinen Aus-<lb/>
&#x017F;o&#x0364;hnung gethan ha&#x0364;tte. Den Augenblick, Jhro<lb/>
Gnaden, wenn er erfa&#x0364;hret, daß &#x017F;ie wirklich ver-<lb/>
ma&#x0364;hlet &#x017F;ind, wird er &#x017F;ich mit ihrem Vater daru&#x0364;-<lb/>
ber in Unterhandlung einla&#x017F;&#x017F;en: indem er &#x017F;ein<lb/>
Verlangen, mit ihnen, mit ihrer <hi rendition="#fr">Frau Mut-<lb/>
ter,</hi> ausge&#x017F;o&#x0364;hnet zu &#x017F;eyn, ausdru&#x0364;cklich bezeu-<lb/>
get hat.</p><lb/>
          <p>Was &#x017F;agte denn meine Mutter, mein Herr?<lb/>
Was &#x017F;agte meine <hi rendition="#fr">liebe</hi> Muter? Dieß fragte &#x017F;ie<lb/>
mit großer Bewegung, und hielte ihr anmuth-<lb/>
reiches Ge&#x017F;icht, wie &#x017F;ie mir der Capitain be-<lb/>
&#x017F;chrieben hat, mit der &#x017F;orgfa&#x0364;ltig&#x017F;ten Aufmerk&#x017F;am-<lb/>
keit hervor, als wenn &#x017F;ie den Weg, welchen<lb/>
&#x017F;eine Worte zu ihrem Herzen nehmen &#x017F;ollten,<lb/>
verku&#x0364;rzen wollte.</p><lb/>
          <p>Jhre Frau Mutter, gna&#x0364;dige Fra&#x0364;ulein, ge-<lb/>
rieth daru&#x0364;ber in Thra&#x0364;nen, und ihr Onckel wur-<lb/>
de durch die za&#x0364;rtliche Liebe <hi rendition="#fr">der&#x017F;elben</hi> &#x017F;o geru&#x0364;h-<lb/>
ret, daß er die Unterredung von der Sache nicht<lb/>
weiter fort&#x017F;etzen konnte. Er i&#x017F;t aber ge&#x017F;onnen,<lb/>
&#x017F;ich eigentlich daru&#x0364;ber mit ihr einzula&#x017F;&#x017F;en: &#x017F;o<lb/>
bald er ho&#x0364;ret, daß die Trauung ge&#x017F;chehen i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Nach dem Tone von ihrer Stimme zu ur-<lb/>
theilen, weinte &#x017F;ie. Das liebe Kind, dachte<lb/>
ich, fa&#x0364;nget an nachzugeben. Jch beneidete dem<lb/>
Buben &#x017F;eine Bered&#x017F;amkeit. Kaum war mir<lb/>
der Gedanke ertra&#x0364;glich, daß eine lebendige Seele<lb/>
unter den Mannsper&#x017F;onen das Vermo&#x0364;gen haben<lb/>
&#x017F;ollte, das ich verlohren hatte, die&#x017F;e &#x017F;tolze Fra&#x0364;u-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Fu&#x0364;nfter Theil.</hi> C c</fw><fw place="bottom" type="catch">lein</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[401/0407] Hiernaͤchſt erzaͤhlte er ihr, daß ihr Onkel ſchon einige Schritte zu einer allgemeinen Aus- ſoͤhnung gethan haͤtte. Den Augenblick, Jhro Gnaden, wenn er erfaͤhret, daß ſie wirklich ver- maͤhlet ſind, wird er ſich mit ihrem Vater daruͤ- ber in Unterhandlung einlaſſen: indem er ſein Verlangen, mit ihnen, mit ihrer Frau Mut- ter, ausgeſoͤhnet zu ſeyn, ausdruͤcklich bezeu- get hat. Was ſagte denn meine Mutter, mein Herr? Was ſagte meine liebe Muter? Dieß fragte ſie mit großer Bewegung, und hielte ihr anmuth- reiches Geſicht, wie ſie mir der Capitain be- ſchrieben hat, mit der ſorgfaͤltigſten Aufmerkſam- keit hervor, als wenn ſie den Weg, welchen ſeine Worte zu ihrem Herzen nehmen ſollten, verkuͤrzen wollte. Jhre Frau Mutter, gnaͤdige Fraͤulein, ge- rieth daruͤber in Thraͤnen, und ihr Onckel wur- de durch die zaͤrtliche Liebe derſelben ſo geruͤh- ret, daß er die Unterredung von der Sache nicht weiter fortſetzen konnte. Er iſt aber geſonnen, ſich eigentlich daruͤber mit ihr einzulaſſen: ſo bald er hoͤret, daß die Trauung geſchehen iſt. Nach dem Tone von ihrer Stimme zu ur- theilen, weinte ſie. Das liebe Kind, dachte ich, faͤnget an nachzugeben. Jch beneidete dem Buben ſeine Beredſamkeit. Kaum war mir der Gedanke ertraͤglich, daß eine lebendige Seele unter den Mannsperſonen das Vermoͤgen haben ſollte, das ich verlohren hatte, dieſe ſtolze Fraͤu- lein Fuͤnfter Theil. C c

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/407
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/407>, abgerufen am 26.11.2024.