Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



leiten würde. Dennoch hätte sie wohl wissen
können, daß ein Jrrthum oft viele erzeuget. Herr
Lovelace hätte gemacht, daß sie die Wahrheit dieser
Anmerkung bey mehr als einer Gelegenheit em-
pfunden: und es wäre eine Anmerkung, die er,
der Capitain, selbst in einem von denen Briefen,
die ihr gestern gezeigt wären, beygebracht hätte.

Er hoffete, daß sie kein Mistrauen gegen ihn
haben, daß sie an seiner Ehre nicht zweifeln
würde. Halten sie mich für verdächtig, Jhro
Gnaden - - Glauben sie, daß ich im Stande
bin - - Was für ein Mann - - Gott sey mir
gnädig! - - Was für ein Mann muß ich in ih-
ren Augen seyn!

Jch hoffe, daß kein Mann in der Welt seyn
kann, der in einem solchen Fall, wie dieser ist,
für verdächtig gehalten zu werden verdienen könn-
te. Jch halte sie nicht für verdächtig. Wäre
es möglich, daß es einen solchen Menschen geben
könnte: so bin ich versichert, Herr Capitain Tom-
linson, ein Vater, der selbst Kinder hat, ein Mann
bey Jahren, von Verstande und Erfahrung,
kann der Mann nicht seyn.

Er hat mir erzählet, daß ihm damals eben
nicht anders zu Muthe gewesen, als wenn er ei-
nen plötzlichen Blitz von ihrem Auge, einen Au-
genstrahl,
wie er es nannte, gefühlet hätte, der
als ein Pfeil durch seine bebende Nieren gegan-
gen wäre: er hätte zittern müssen.

Das ist des Hundes eignes Gewissen, Bru-
der! Nichts anders! - - Jch habe wohl ein

halb



leiten wuͤrde. Dennoch haͤtte ſie wohl wiſſen
koͤnnen, daß ein Jrrthum oft viele erzeuget. Herr
Lovelace haͤtte gemacht, daß ſie die Wahrheit dieſer
Anmerkung bey mehr als einer Gelegenheit em-
pfunden: und es waͤre eine Anmerkung, die er,
der Capitain, ſelbſt in einem von denen Briefen,
die ihr geſtern gezeigt waͤren, beygebracht haͤtte.

Er hoffete, daß ſie kein Mistrauen gegen ihn
haben, daß ſie an ſeiner Ehre nicht zweifeln
wuͤrde. Halten ſie mich fuͤr verdaͤchtig, Jhro
Gnaden ‒ ‒ Glauben ſie, daß ich im Stande
bin ‒ ‒ Was fuͤr ein Mann ‒ ‒ Gott ſey mir
gnaͤdig! ‒ ‒ Was fuͤr ein Mann muß ich in ih-
ren Augen ſeyn!

Jch hoffe, daß kein Mann in der Welt ſeyn
kann, der in einem ſolchen Fall, wie dieſer iſt,
fuͤr verdaͤchtig gehalten zu werden verdienen koͤnn-
te. Jch halte ſie nicht fuͤr verdaͤchtig. Waͤre
es moͤglich, daß es einen ſolchen Menſchen geben
koͤnnte: ſo bin ich verſichert, Herr Capitain Tom-
linſon, ein Vater, der ſelbſt Kinder hat, ein Mann
bey Jahren, von Verſtande und Erfahrung,
kann der Mann nicht ſeyn.

Er hat mir erzaͤhlet, daß ihm damals eben
nicht anders zu Muthe geweſen, als wenn er ei-
nen ploͤtzlichen Blitz von ihrem Auge, einen Au-
genſtrahl,
wie er es nannte, gefuͤhlet haͤtte, der
als ein Pfeil durch ſeine bebende Nieren gegan-
gen waͤre: er haͤtte zittern muͤſſen.

Das iſt des Hundes eignes Gewiſſen, Bru-
der! Nichts anders! ‒ ‒ Jch habe wohl ein

halb
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0405" n="399"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
leiten wu&#x0364;rde. Dennoch ha&#x0364;tte &#x017F;ie wohl wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ko&#x0364;nnen, daß ein Jrrthum oft viele erzeuget. Herr<lb/>
Lovelace ha&#x0364;tte gemacht, daß &#x017F;ie die Wahrheit die&#x017F;er<lb/>
Anmerkung bey mehr als einer Gelegenheit em-<lb/>
pfunden: und es wa&#x0364;re eine Anmerkung, die er,<lb/>
der Capitain, &#x017F;elb&#x017F;t in einem von denen Briefen,<lb/>
die ihr ge&#x017F;tern gezeigt wa&#x0364;ren, beygebracht ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Er hoffete, daß &#x017F;ie kein Mistrauen gegen ihn<lb/>
haben, daß &#x017F;ie an <hi rendition="#fr">&#x017F;einer Ehre</hi> nicht zweifeln<lb/>
wu&#x0364;rde. Halten &#x017F;ie mich fu&#x0364;r verda&#x0364;chtig, Jhro<lb/>
Gnaden &#x2012; &#x2012; Glauben &#x017F;ie, daß ich im Stande<lb/>
bin &#x2012; &#x2012; Was fu&#x0364;r ein Mann &#x2012; &#x2012; Gott &#x017F;ey mir<lb/>
gna&#x0364;dig! &#x2012; &#x2012; Was fu&#x0364;r ein Mann muß ich in ih-<lb/>
ren Augen &#x017F;eyn!</p><lb/>
          <p>Jch hoffe, daß kein Mann in der Welt &#x017F;eyn<lb/>
kann, der in einem &#x017F;olchen Fall, wie die&#x017F;er i&#x017F;t,<lb/>
fu&#x0364;r verda&#x0364;chtig gehalten zu werden verdienen ko&#x0364;nn-<lb/>
te. Jch halte &#x017F;ie <hi rendition="#fr">nicht</hi> fu&#x0364;r verda&#x0364;chtig. Wa&#x0364;re<lb/>
es mo&#x0364;glich, daß es <hi rendition="#fr">einen</hi> &#x017F;olchen Men&#x017F;chen geben<lb/>
ko&#x0364;nnte: &#x017F;o bin ich ver&#x017F;ichert, Herr Capitain Tom-<lb/>
lin&#x017F;on, ein Vater, der &#x017F;elb&#x017F;t Kinder hat, ein Mann<lb/>
bey Jahren, von Ver&#x017F;tande und Erfahrung,<lb/>
kann der Mann nicht &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Er hat mir erza&#x0364;hlet, daß ihm damals eben<lb/>
nicht anders zu Muthe gewe&#x017F;en, als wenn er ei-<lb/>
nen plo&#x0364;tzlichen Blitz von ihrem Auge, einen <hi rendition="#fr">Au-<lb/>
gen&#x017F;trahl,</hi> wie er es nannte, gefu&#x0364;hlet ha&#x0364;tte, der<lb/>
als ein Pfeil durch &#x017F;eine bebende Nieren gegan-<lb/>
gen wa&#x0364;re: er ha&#x0364;tte zittern mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t des Hundes eignes Gewi&#x017F;&#x017F;en, Bru-<lb/>
der! Nichts anders! &#x2012; &#x2012; Jch habe wohl ein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">halb</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[399/0405] leiten wuͤrde. Dennoch haͤtte ſie wohl wiſſen koͤnnen, daß ein Jrrthum oft viele erzeuget. Herr Lovelace haͤtte gemacht, daß ſie die Wahrheit dieſer Anmerkung bey mehr als einer Gelegenheit em- pfunden: und es waͤre eine Anmerkung, die er, der Capitain, ſelbſt in einem von denen Briefen, die ihr geſtern gezeigt waͤren, beygebracht haͤtte. Er hoffete, daß ſie kein Mistrauen gegen ihn haben, daß ſie an ſeiner Ehre nicht zweifeln wuͤrde. Halten ſie mich fuͤr verdaͤchtig, Jhro Gnaden ‒ ‒ Glauben ſie, daß ich im Stande bin ‒ ‒ Was fuͤr ein Mann ‒ ‒ Gott ſey mir gnaͤdig! ‒ ‒ Was fuͤr ein Mann muß ich in ih- ren Augen ſeyn! Jch hoffe, daß kein Mann in der Welt ſeyn kann, der in einem ſolchen Fall, wie dieſer iſt, fuͤr verdaͤchtig gehalten zu werden verdienen koͤnn- te. Jch halte ſie nicht fuͤr verdaͤchtig. Waͤre es moͤglich, daß es einen ſolchen Menſchen geben koͤnnte: ſo bin ich verſichert, Herr Capitain Tom- linſon, ein Vater, der ſelbſt Kinder hat, ein Mann bey Jahren, von Verſtande und Erfahrung, kann der Mann nicht ſeyn. Er hat mir erzaͤhlet, daß ihm damals eben nicht anders zu Muthe geweſen, als wenn er ei- nen ploͤtzlichen Blitz von ihrem Auge, einen Au- genſtrahl, wie er es nannte, gefuͤhlet haͤtte, der als ein Pfeil durch ſeine bebende Nieren gegan- gen waͤre: er haͤtte zittern muͤſſen. Das iſt des Hundes eignes Gewiſſen, Bru- der! Nichts anders! ‒ ‒ Jch habe wohl ein halb

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/405
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/405>, abgerufen am 23.11.2024.