künftig zu seyn, erscheinen konnte! - - Aber nun- mehr mögen sie meinem Onkel sagen, wo es ih- nen beliebt, daß ich mir zu seiner Vermittelung keine Hoffnung machen kann. Sagen sie ihm, daß mein strafbares Vergehen, da ich diesem Menschen Gelegenheit gegeben habe, mich von meinen geprüften, meinen versuchten, meinen natürlichen Freunden, so hart sie auch mit mir umgegangen sind, listigerweise wegzuziehen, mir täglich mehr und mehr in die Augen falle; und das um so viel mehr, weil mein Schicksal sich ei- ner entscheidenden Veränderung, nach dem Fluche meines beleidigten Vaters, zu nähern scheinet.
Hierauf zerflossen ihre Augen in Thränen: und dadurch ward auch so gar der Hund gerüh- ret, welcher eben deswegen hergebracht war, daß er mich dreiste machen und reizen sollte, nun aber selbst ganz zu einem veränderten Belford ge- worden war.
Die Weibsleute, welche nach Art ihres Ge- schlechtes eben so gewohnt sind, ohne Trauren zu weinen, als ohne Ursache zu lachen, bloß weil andere weinen oder lachen; der Hen- ker hole ihre Gewohnheiten! mußten nothwen- dig ihre Schnupftücher herausziehen. Jedoch war es dießmal desto weniger Wunder: da ich mich selbst zwischen Verwirrung, Bestürzung und Kummer kaum halten konnte.
Wozu nützt ein zärtliches Herze! - Wer kann glücklich seyn, wenn er ein empfindliches Herz hat? - - Und gleichwohl wirst du sagen,
daß
kuͤnftig zu ſeyn, erſcheinen konnte! ‒ ‒ Aber nun- mehr moͤgen ſie meinem Onkel ſagen, wo es ih- nen beliebt, daß ich mir zu ſeiner Vermittelung keine Hoffnung machen kann. Sagen ſie ihm, daß mein ſtrafbares Vergehen, da ich dieſem Menſchen Gelegenheit gegeben habe, mich von meinen gepruͤften, meinen verſuchten, meinen natuͤrlichen Freunden, ſo hart ſie auch mit mir umgegangen ſind, liſtigerweiſe wegzuziehen, mir taͤglich mehr und mehr in die Augen falle; und das um ſo viel mehr, weil mein Schickſal ſich ei- ner entſcheidenden Veraͤnderung, nach dem Fluche meines beleidigten Vaters, zu naͤhern ſcheinet.
Hierauf zerfloſſen ihre Augen in Thraͤnen: und dadurch ward auch ſo gar der Hund geruͤh- ret, welcher eben deswegen hergebracht war, daß er mich dreiſte machen und reizen ſollte, nun aber ſelbſt ganz zu einem veraͤnderten Belford ge- worden war.
Die Weibsleute, welche nach Art ihres Ge- ſchlechtes eben ſo gewohnt ſind, ohne Trauren zu weinen, als ohne Urſache zu lachen, bloß weil andere weinen oder lachen; der Hen- ker hole ihre Gewohnheiten! mußten nothwen- dig ihre Schnupftuͤcher herausziehen. Jedoch war es dießmal deſto weniger Wunder: da ich mich ſelbſt zwiſchen Verwirrung, Beſtuͤrzung und Kummer kaum halten konnte.
Wozu nuͤtzt ein zaͤrtliches Herze! ‒ Wer kann gluͤcklich ſeyn, wenn er ein empfindliches Herz hat? ‒ ‒ Und gleichwohl wirſt du ſagen,
daß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0402"n="396"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
kuͤnftig zu ſeyn, erſcheinen konnte! ‒‒ Aber nun-<lb/>
mehr moͤgen ſie meinem Onkel ſagen, wo es ih-<lb/>
nen beliebt, daß ich mir zu ſeiner Vermittelung<lb/>
keine Hoffnung machen kann. Sagen ſie ihm,<lb/>
daß mein ſtrafbares Vergehen, da ich dieſem<lb/>
Menſchen Gelegenheit gegeben habe, mich von<lb/>
meinen <hirendition="#fr">gepruͤften,</hi> meinen <hirendition="#fr">verſuchten,</hi> meinen<lb/><hirendition="#fr">natuͤrlichen</hi> Freunden, ſo hart ſie auch mit mir<lb/>
umgegangen ſind, liſtigerweiſe wegzuziehen, mir<lb/>
taͤglich mehr und mehr in die Augen falle; und<lb/>
das um ſo viel mehr, weil mein Schickſal ſich ei-<lb/>
ner entſcheidenden Veraͤnderung, nach dem Fluche<lb/>
meines beleidigten Vaters, zu naͤhern ſcheinet.</p><lb/><p>Hierauf zerfloſſen ihre Augen in Thraͤnen:<lb/>
und dadurch ward auch ſo gar <hirendition="#fr">der</hi> Hund geruͤh-<lb/>
ret, welcher eben deswegen hergebracht war, daß<lb/>
er mich dreiſte machen und reizen ſollte, nun aber<lb/>ſelbſt ganz <hirendition="#fr">zu einem veraͤnderten Belford ge-<lb/>
worden war.</hi></p><lb/><p>Die Weibsleute, welche nach Art ihres Ge-<lb/>ſchlechtes eben ſo gewohnt ſind, ohne Trauren zu<lb/>
weinen, als ohne Urſache zu lachen, bloß<lb/>
weil andere weinen oder lachen; der Hen-<lb/>
ker hole ihre Gewohnheiten! mußten nothwen-<lb/>
dig ihre Schnupftuͤcher herausziehen. Jedoch<lb/>
war es dießmal deſto weniger Wunder: da ich<lb/>
mich ſelbſt zwiſchen Verwirrung, Beſtuͤrzung<lb/>
und Kummer kaum halten konnte.</p><lb/><p>Wozu nuͤtzt ein zaͤrtliches Herze! ‒ Wer<lb/>
kann gluͤcklich ſeyn, wenn er ein <hirendition="#fr">empfindliches</hi><lb/>
Herz hat? ‒‒ Und gleichwohl wirſt du ſagen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">daß</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[396/0402]
kuͤnftig zu ſeyn, erſcheinen konnte! ‒ ‒ Aber nun-
mehr moͤgen ſie meinem Onkel ſagen, wo es ih-
nen beliebt, daß ich mir zu ſeiner Vermittelung
keine Hoffnung machen kann. Sagen ſie ihm,
daß mein ſtrafbares Vergehen, da ich dieſem
Menſchen Gelegenheit gegeben habe, mich von
meinen gepruͤften, meinen verſuchten, meinen
natuͤrlichen Freunden, ſo hart ſie auch mit mir
umgegangen ſind, liſtigerweiſe wegzuziehen, mir
taͤglich mehr und mehr in die Augen falle; und
das um ſo viel mehr, weil mein Schickſal ſich ei-
ner entſcheidenden Veraͤnderung, nach dem Fluche
meines beleidigten Vaters, zu naͤhern ſcheinet.
Hierauf zerfloſſen ihre Augen in Thraͤnen:
und dadurch ward auch ſo gar der Hund geruͤh-
ret, welcher eben deswegen hergebracht war, daß
er mich dreiſte machen und reizen ſollte, nun aber
ſelbſt ganz zu einem veraͤnderten Belford ge-
worden war.
Die Weibsleute, welche nach Art ihres Ge-
ſchlechtes eben ſo gewohnt ſind, ohne Trauren zu
weinen, als ohne Urſache zu lachen, bloß
weil andere weinen oder lachen; der Hen-
ker hole ihre Gewohnheiten! mußten nothwen-
dig ihre Schnupftuͤcher herausziehen. Jedoch
war es dießmal deſto weniger Wunder: da ich
mich ſelbſt zwiſchen Verwirrung, Beſtuͤrzung
und Kummer kaum halten konnte.
Wozu nuͤtzt ein zaͤrtliches Herze! ‒ Wer
kann gluͤcklich ſeyn, wenn er ein empfindliches
Herz hat? ‒ ‒ Und gleichwohl wirſt du ſagen,
daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/402>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.