"krämer unter allen Geschöpfen in den Kopf se- "tzen, als wenn sie unter denselben diejenigen We- "sen wären, auf die am meisten ankäme - - "Maria, komm herauf! wie ich die gute Frau "Sorlings zu ihren Mägden habe sagen hören, "wenn sie mit ihnen theils aus Zorn theils aus "Verachtung gescholten.
Wenn ich alles überlege: so deucht mich, es wäre wohl einmal für mich nöthig, daß diese We- hen; du siehst, wie voll mir der Kopf von Wei- bern und ihren Worten ist; vorüber, glücklich vorüber wären, damit ich in Ruhe sitzen, und der Gefahr, die ich ausgestanden, und den Beschwer- den, die ich erduldet habe, nachdenken könnte. Jch habe einen nachdenkenden Kopf, wie du weißt: aber das Wort selbst schließet schon ein, daß alles überstanden sey.
Jn was für Hecken und Dornen läuft der elende Mensch; ein zerkratztes Gesicht und zer- rissene Kleider, sind die unvermeidlichen Folgen; der mit aller Gewalt einen neuen Weg durch ei- nen überwachsenen jungen Wald bahnen will, und den Pfad, welchen andere, die vor ihm eben die Straße gereiset sind, für ihn ausgetreten ha- ben, verlässet!
Jch habe einen Besuch von der Witwe Be- vis in meinem eignen Zimmer gehabt. Sie hat mir erzählet, daß meine Gemahlinn verwichene Nacht, als ich zu meiner Wohnung gegangen
war,
„kraͤmer unter allen Geſchoͤpfen in den Kopf ſe- „tzen, als wenn ſie unter denſelben diejenigen We- „ſen waͤren, auf die am meiſten ankaͤme ‒ ‒ „Maria, komm herauf! wie ich die gute Frau „Sorlings zu ihren Maͤgden habe ſagen hoͤren, „wenn ſie mit ihnen theils aus Zorn theils aus „Verachtung geſcholten.
Wenn ich alles uͤberlege: ſo deucht mich, es waͤre wohl einmal fuͤr mich noͤthig, daß dieſe We- hen; du ſiehſt, wie voll mir der Kopf von Wei- bern und ihren Worten iſt; voruͤber, gluͤcklich voruͤber waͤren, damit ich in Ruhe ſitzen, und der Gefahr, die ich ausgeſtanden, und den Beſchwer- den, die ich erduldet habe, nachdenken koͤnnte. Jch habe einen nachdenkenden Kopf, wie du weißt: aber das Wort ſelbſt ſchließet ſchon ein, daß alles uͤberſtanden ſey.
Jn was fuͤr Hecken und Dornen laͤuft der elende Menſch; ein zerkratztes Geſicht und zer- riſſene Kleider, ſind die unvermeidlichen Folgen; der mit aller Gewalt einen neuen Weg durch ei- nen uͤberwachſenen jungen Wald bahnen will, und den Pfad, welchen andere, die vor ihm eben die Straße gereiſet ſind, fuͤr ihn ausgetreten ha- ben, verlaͤſſet!
Jch habe einen Beſuch von der Witwe Be- vis in meinem eignen Zimmer gehabt. Sie hat mir erzaͤhlet, daß meine Gemahlinn verwichene Nacht, als ich zu meiner Wohnung gegangen
war,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0387"n="381"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>„kraͤmer unter allen Geſchoͤpfen in den Kopf ſe-<lb/>„tzen, als wenn ſie unter denſelben diejenigen We-<lb/>„ſen waͤren, auf die am meiſten ankaͤme ‒‒<lb/>„<hirendition="#fr">Maria, komm herauf!</hi> wie ich die gute Frau<lb/>„Sorlings zu ihren Maͤgden habe ſagen hoͤren,<lb/>„wenn ſie mit ihnen theils aus Zorn theils aus<lb/>„Verachtung geſcholten.</p><lb/><p>Wenn ich alles uͤberlege: ſo deucht mich, es<lb/>
waͤre wohl einmal fuͤr mich noͤthig, daß dieſe <hirendition="#fr">We-<lb/>
hen;</hi> du ſiehſt, wie voll mir der Kopf von Wei-<lb/>
bern und ihren Worten iſt; voruͤber, <hirendition="#fr">gluͤcklich</hi><lb/>
voruͤber waͤren, damit ich in Ruhe ſitzen, und der<lb/>
Gefahr, die ich ausgeſtanden, und den Beſchwer-<lb/>
den, die ich erduldet habe, nachdenken koͤnnte.<lb/>
Jch habe einen <hirendition="#fr">nachdenkenden</hi> Kopf, wie du<lb/>
weißt: aber das Wort ſelbſt ſchließet ſchon ein,<lb/>
daß <hirendition="#fr">alles uͤberſtanden ſey.</hi></p><lb/><p>Jn was fuͤr Hecken und Dornen laͤuft der<lb/>
elende Menſch; ein zerkratztes Geſicht und zer-<lb/>
riſſene Kleider, ſind die unvermeidlichen Folgen;<lb/>
der mit aller Gewalt einen neuen Weg durch ei-<lb/>
nen uͤberwachſenen jungen Wald bahnen will,<lb/>
und den Pfad, welchen andere, die vor ihm eben<lb/>
die Straße gereiſet ſind, fuͤr ihn ausgetreten ha-<lb/>
ben, verlaͤſſet!</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Jch habe einen Beſuch von der Witwe Be-<lb/>
vis in meinem eignen Zimmer gehabt. Sie hat<lb/>
mir erzaͤhlet, daß meine Gemahlinn verwichene<lb/>
Nacht, als ich zu meiner Wohnung gegangen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">war,</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[381/0387]
„kraͤmer unter allen Geſchoͤpfen in den Kopf ſe-
„tzen, als wenn ſie unter denſelben diejenigen We-
„ſen waͤren, auf die am meiſten ankaͤme ‒ ‒
„Maria, komm herauf! wie ich die gute Frau
„Sorlings zu ihren Maͤgden habe ſagen hoͤren,
„wenn ſie mit ihnen theils aus Zorn theils aus
„Verachtung geſcholten.
Wenn ich alles uͤberlege: ſo deucht mich, es
waͤre wohl einmal fuͤr mich noͤthig, daß dieſe We-
hen; du ſiehſt, wie voll mir der Kopf von Wei-
bern und ihren Worten iſt; voruͤber, gluͤcklich
voruͤber waͤren, damit ich in Ruhe ſitzen, und der
Gefahr, die ich ausgeſtanden, und den Beſchwer-
den, die ich erduldet habe, nachdenken koͤnnte.
Jch habe einen nachdenkenden Kopf, wie du
weißt: aber das Wort ſelbſt ſchließet ſchon ein,
daß alles uͤberſtanden ſey.
Jn was fuͤr Hecken und Dornen laͤuft der
elende Menſch; ein zerkratztes Geſicht und zer-
riſſene Kleider, ſind die unvermeidlichen Folgen;
der mit aller Gewalt einen neuen Weg durch ei-
nen uͤberwachſenen jungen Wald bahnen will,
und den Pfad, welchen andere, die vor ihm eben
die Straße gereiſet ſind, fuͤr ihn ausgetreten ha-
ben, verlaͤſſet!
Jch habe einen Beſuch von der Witwe Be-
vis in meinem eignen Zimmer gehabt. Sie hat
mir erzaͤhlet, daß meine Gemahlinn verwichene
Nacht, als ich zu meiner Wohnung gegangen
war,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/387>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.