"Herz und nicht mehr so bebende Finger haben "wird: erwähnet aber, daß etwas vorgefallen sey; "sie meynet ihre Entdeckung; das ihr sehr "starkes Herzklopfen, große Verwirrung und "Furcht verursachet habe; wovon sie inzwischen "den Ausgang erwarten wolle; einige Hoff- "nung für mich, Bruder! ehe sie ihr neue "Unruhe und Sorge ihrentwegen machte. - - "Sie bezeiget, mit wie vieler Ungeduld sie ihr "nächstes Schreiben erwarten werde u. s. w.
Nun dachte ich, Belford, es wäre eine schul- dige Pflicht der Liebe, daß ich der Fräulein Ho- we die Unruhe ersparete, welche ihr diese Winke verursachen konnten. Denn bey einem solchen Gemüthe müßte die Neubegierde dadurch auf eine erstaunliche Weise erreget worden seyn. Da ich also eine so gute Abschrift zur Nachahmung hatte: so schrieb ich, nahm das Schreiben von meiner Geliebten heraus und schob unter eben den Umschlag folgendes kurze Briefchen ein; wovon die ersten und letzten Zeilen mit ihren eignen Worten abgefasset sind.
Hampstead, Freytags Abends.
Meine ewig liebe Fräulein Howe.
Sie bekommen itzo nur einige wenige Zeilen, bis mir ein ruhigeres Gemüth und festere Finger gegönnet werden, und bis ich die Bestürzung, welche mir Jhre Nachricht zuwege gebracht hat, überwinden kann. - - Jch will Jhnen nur mel- den, daß Jhr freundliches langes Schreiben
vom
„Herz und nicht mehr ſo bebende Finger haben „wird: erwaͤhnet aber, daß etwas vorgefallen ſey; „ſie meynet ihre Entdeckung; das ihr ſehr „ſtarkes Herzklopfen, große Verwirrung und „Furcht verurſachet habe; wovon ſie inzwiſchen „den Ausgang erwarten wolle; einige Hoff- „nung fuͤr mich, Bruder! ehe ſie ihr neue „Unruhe und Sorge ihrentwegen machte. ‒ ‒ „Sie bezeiget, mit wie vieler Ungeduld ſie ihr „naͤchſtes Schreiben erwarten werde u. ſ. w.
Nun dachte ich, Belford, es waͤre eine ſchul- dige Pflicht der Liebe, daß ich der Fraͤulein Ho- we die Unruhe erſparete, welche ihr dieſe Winke verurſachen konnten. Denn bey einem ſolchen Gemuͤthe muͤßte die Neubegierde dadurch auf eine erſtaunliche Weiſe erreget worden ſeyn. Da ich alſo eine ſo gute Abſchrift zur Nachahmung hatte: ſo ſchrieb ich, nahm das Schreiben von meiner Geliebten heraus und ſchob unter eben den Umſchlag folgendes kurze Briefchen ein; wovon die erſten und letzten Zeilen mit ihren eignen Worten abgefaſſet ſind.
Hampſtead, Freytags Abends.
Meine ewig liebe Fraͤulein Howe.
Sie bekommen itzo nur einige wenige Zeilen, bis mir ein ruhigeres Gemuͤth und feſtere Finger gegoͤnnet werden, und bis ich die Beſtuͤrzung, welche mir Jhre Nachricht zuwege gebracht hat, uͤberwinden kann. ‒ ‒ Jch will Jhnen nur mel- den, daß Jhr freundliches langes Schreiben
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„Herz und nicht mehr ſo bebende Finger haben
„wird: erwaͤhnet aber, daß etwas vorgefallen ſey;
„ſie meynet ihre Entdeckung; das ihr ſehr
„ſtarkes Herzklopfen, große Verwirrung und
„Furcht verurſachet habe; wovon ſie inzwiſchen
„den Ausgang erwarten wolle; einige Hoff-
„nung fuͤr mich, Bruder! ehe ſie ihr neue
„Unruhe und Sorge ihrentwegen machte. ‒ ‒
„Sie bezeiget, mit wie vieler Ungeduld ſie ihr
„naͤchſtes Schreiben erwarten werde u. ſ. w.
Nun dachte ich, Belford, es waͤre eine ſchul-
dige Pflicht der Liebe, daß ich der Fraͤulein Ho-
we die Unruhe erſparete, welche ihr dieſe Winke
verurſachen konnten. Denn bey einem ſolchen
Gemuͤthe muͤßte die Neubegierde dadurch auf
eine erſtaunliche Weiſe erreget worden ſeyn. Da
ich alſo eine ſo gute Abſchrift zur Nachahmung
hatte: ſo ſchrieb ich, nahm das Schreiben von
meiner Geliebten heraus und ſchob unter eben
den Umſchlag folgendes kurze Briefchen ein;
wovon die erſten und letzten Zeilen mit ihren eignen
Worten abgefaſſet ſind.
Hampſtead, Freytags Abends.
Meine ewig liebe Fraͤulein Howe.
Sie bekommen itzo nur einige wenige Zeilen, bis
mir ein ruhigeres Gemuͤth und feſtere Finger
gegoͤnnet werden, und bis ich die Beſtuͤrzung,
welche mir Jhre Nachricht zuwege gebracht hat,
uͤberwinden kann. ‒ ‒ Jch will Jhnen nur mel-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/376>, abgerufen am 24.11.2024.
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