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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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den zärtlichsten Gemüthern, mehr an Zeit, Ort
und Gelegenheit gebunden, als diese Gemüther

es
denselben und auch nach Tomlinson erkundigen, und,
wo Jhnen Jhr Herz zulässet, meinen Rath zu fol-
gen, Jhnen alsbald eine sichere Zuflucht vor ihm
bey der Frau Townsend verschaffen.

Allein warum setze ich Sie nun, da Sie auf ei-
nem so guten Wege zu seyn schienen, durch meine
Betrachtungen über die vergangenen Umstände in
Unruhe und Verwirrung? Vielleicht können sie
Jhnen Dienste thun: wenn von seiner Seite etwa
ein Aufschub vorfallen sollte.

Jedoch das, denke ich, kann nicht wohl seyn.
Was Sie daber itzo zu thun haben, ist dieses, daß
Sie durch Jhre Aufführung gegen den stolzen Kerl
aus seinem Gemüthe das Andenken
der vergange-
nen Beleidigungen zu verbannen suchen, und ihn in
seinem Bezeigen als einen mit Jhnen verlobten
Freyer ansehen. Sie werden sich den Vorwurf ei-
ner gezwungenen Sprödigkeit und eines angenom-
menen Wesens zuziehen: wo Sie ihm länger eben
den fremden Umgang auflegen, den Sie ihm bisher
aufgeleget haben.
Seine plötzliche Uebelkeit, die
eben so plötzlich wieder vorüberging, als sie gekom-
men war, hat ihm eine bequeme Gelegenheit gege-
ben, zu entdecken, daß Sie ihn lieben. Ach! meine
Wertheste, ich wußte es schon, daß Sie ihn liebten.
Er hat, wie es geschienen seine Natur geändert und
ist die Liebe und Leutseligkeit selbst. Janken Sie nun
nicht mehr, das bitte ich Sie.

Nichts desto weniger bin ich sehr böse auf ihn,
daß er sich so riele Freyheiten gegen Jhre Person
herausgenommen hat.
(*) Jch halte einige Wach-
sam-
(*) Siehe den II. Brief dieses Theils.


den zaͤrtlichſten Gemuͤthern, mehr an Zeit, Ort
und Gelegenheit gebunden, als dieſe Gemuͤther

es
denſelben und auch nach Tomlinſon erkundigen, und,
wo Jhnen Jhr Herz zulaͤſſet, meinen Rath zu fol-
gen, Jhnen alsbald eine ſichere Zuflucht vor ihm
bey der Frau Townsend verſchaffen.

Allein warum ſetze ich Sie nun, da Sie auf ei-
nem ſo guten Wege zu ſeyn ſchienen, durch meine
Betrachtungen uͤber die vergangenen Umſtaͤnde in
Unruhe und Verwirrung? Vielleicht koͤnnen ſie
Jhnen Dienſte thun: wenn von ſeiner Seite etwa
ein Aufſchub vorfallen ſollte.

Jedoch das, denke ich, kann nicht wohl ſeyn.
Was Sie daber itzo zu thun haben, iſt dieſes, daß
Sie durch Jhre Auffuͤhrung gegen den ſtolzen Kerl
aus ſeinem Gemuͤthe das Andenken
der vergange-
nen Beleidigungen zu verbannen ſuchen, und ihn in
ſeinem Bezeigen als einen mit Jhnen verlobten
Freyer anſehen. Sie werden ſich den Vorwurf ei-
ner gezwungenen Sproͤdigkeit und eines angenom-
menen Weſens zuziehen: wo Sie ihm laͤnger eben
den fremden Umgang auflegen, den Sie ihm bisher
aufgeleget haben.
Seine ploͤtzliche Uebelkeit, die
eben ſo ploͤtzlich wieder voruͤberging, als ſie gekom-
men war, hat ihm eine bequeme Gelegenheit gege-
ben, zu entdecken, daß Sie ihn lieben. Ach! meine
Wertheſte, ich wußte es ſchon, daß Sie ihn liebten.
Er hat, wie es geſchienen ſeine Natur geaͤndert und
iſt die Liebe und Leutſeligkeit ſelbſt. Janken Sie nun
nicht mehr, das bitte ich Sie.

Nichts deſto weniger bin ich ſehr boͤſe auf ihn,
daß er ſich ſo riele Freyheiten gegen Jhre Perſon
herausgenommen hat.
(*) Jch halte einige Wach-
ſam-
(*) Siehe den II. Brief dieſes Theils.
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[364/0370] den zaͤrtlichſten Gemuͤthern, mehr an Zeit, Ort und Gelegenheit gebunden, als dieſe Gemuͤther es denſelben und auch nach Tomlinſon erkundigen, und, wo Jhnen Jhr Herz zulaͤſſet, meinen Rath zu fol- gen, Jhnen alsbald eine ſichere Zuflucht vor ihm bey der Frau Townsend verſchaffen. Allein warum ſetze ich Sie nun, da Sie auf ei- nem ſo guten Wege zu ſeyn ſchienen, durch meine Betrachtungen uͤber die vergangenen Umſtaͤnde in Unruhe und Verwirrung? Vielleicht koͤnnen ſie Jhnen Dienſte thun: wenn von ſeiner Seite etwa ein Aufſchub vorfallen ſollte. Jedoch das, denke ich, kann nicht wohl ſeyn. Was Sie daber itzo zu thun haben, iſt dieſes, daß Sie durch Jhre Auffuͤhrung gegen den ſtolzen Kerl aus ſeinem Gemuͤthe das Andenken der vergange- nen Beleidigungen zu verbannen ſuchen, und ihn in ſeinem Bezeigen als einen mit Jhnen verlobten Freyer anſehen. Sie werden ſich den Vorwurf ei- ner gezwungenen Sproͤdigkeit und eines angenom- menen Weſens zuziehen: wo Sie ihm laͤnger eben den fremden Umgang auflegen, den Sie ihm bisher aufgeleget haben. Seine ploͤtzliche Uebelkeit, die eben ſo ploͤtzlich wieder voruͤberging, als ſie gekom- men war, hat ihm eine bequeme Gelegenheit gege- ben, zu entdecken, daß Sie ihn lieben. Ach! meine Wertheſte, ich wußte es ſchon, daß Sie ihn liebten. Er hat, wie es geſchienen ſeine Natur geaͤndert und iſt die Liebe und Leutſeligkeit ſelbſt. Janken Sie nun nicht mehr, das bitte ich Sie. Nichts deſto weniger bin ich ſehr boͤſe auf ihn, daß er ſich ſo riele Freyheiten gegen Jhre Perſon herausgenommen hat. (*) Jch halte einige Wach- ſam- (*) Siehe den II. Brief dieſes Theils.

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/370>, abgerufen am 24.11.2024.