ne Hände zu bekommen suchen. Allein sie hätte dießfalls ganz ruhig seyn können. Jedoch wür- de sie es vielleicht nicht gewesen seyn: wenn sie gewußt hätte, daß der würdige Capitain Tomlin- son, der eher, als ihr Bote, in der Stadt seyn wird, den wichtigen Brief daselbst abzugeben hat; welcher hoffentlich sie zufrieden zu stellen, und mit mir auszusöhnen helfen wird.
O Bruder, Bruder! Meynst du, daß ich mir umsonst alle diese Mühe mit Ränken geben werde, daß ich umsonst so oft ein Bösewicht hei- ßen will?
Jedoch zielt diese Mühe nicht dahin, daß ich das schönste Kind von der Welt, nicht bloß auf einen verfliegenden Augenblick, sondern auf Lebenszeit bekomme? - - Nur kann ich mit mir selber nicht einig werden, ob ich sie auf mei- ne eigne, oder auf ihre Weise haben soll!
Nun, weiß ich, wirst du aus Furcht für mich allen deinen Witz verlieren - - Was, Lovelace! willst du ihr einen Brief in die Hände kommen lassen, der unfehlbar dich, die alte Mutter und alle ihre Töchter völlig verrathen wird! und dich dennoch nicht entschließen, besser zu werden und zu heyrathen.
Geduld, einfältiger Knabe! Kannst du es nicht auf deinen Meister ankommen lassen?
Der
ne Haͤnde zu bekommen ſuchen. Allein ſie haͤtte dießfalls ganz ruhig ſeyn koͤnnen. Jedoch wuͤr- de ſie es vielleicht nicht geweſen ſeyn: wenn ſie gewußt haͤtte, daß der wuͤrdige Capitain Tomlin- ſon, der eher, als ihr Bote, in der Stadt ſeyn wird, den wichtigen Brief daſelbſt abzugeben hat; welcher hoffentlich ſie zufrieden zu ſtellen, und mit mir auszuſoͤhnen helfen wird.
O Bruder, Bruder! Meynſt du, daß ich mir umſonſt alle dieſe Muͤhe mit Raͤnken geben werde, daß ich umſonſt ſo oft ein Boͤſewicht hei- ßen will?
Jedoch zielt dieſe Muͤhe nicht dahin, daß ich das ſchoͤnſte Kind von der Welt, nicht bloß auf einen verfliegenden Augenblick, ſondern auf Lebenszeit bekomme? ‒ ‒ Nur kann ich mit mir ſelber nicht einig werden, ob ich ſie auf mei- ne eigne, oder auf ihre Weiſe haben ſoll!
Nun, weiß ich, wirſt du aus Furcht fuͤr mich allen deinen Witz verlieren ‒ ‒ Was, Lovelace! willſt du ihr einen Brief in die Haͤnde kommen laſſen, der unfehlbar dich, die alte Mutter und alle ihre Toͤchter voͤllig verrathen wird! und dich dennoch nicht entſchließen, beſſer zu werden und zu heyrathen.
Geduld, einfaͤltiger Knabe! Kannſt du es nicht auf deinen Meiſter ankommen laſſen?
Der
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ne Haͤnde zu bekommen ſuchen. Allein ſie haͤtte
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de ſie es vielleicht nicht geweſen ſeyn: wenn ſie
gewußt haͤtte, daß der wuͤrdige Capitain Tomlin-
ſon, der eher, als ihr Bote, in der Stadt ſeyn
wird, den wichtigen Brief daſelbſt abzugeben hat;
welcher hoffentlich ſie zufrieden zu ſtellen, und
mit mir auszuſoͤhnen helfen wird.
O Bruder, Bruder! Meynſt du, daß ich
mir umſonſt alle dieſe Muͤhe mit Raͤnken geben
werde, daß ich umſonſt ſo oft ein Boͤſewicht hei-
ßen will?
Jedoch zielt dieſe Muͤhe nicht dahin, daß ich
das ſchoͤnſte Kind von der Welt, nicht bloß auf
einen verfliegenden Augenblick, ſondern auf
Lebenszeit bekomme? ‒ ‒ Nur kann ich mit
mir ſelber nicht einig werden, ob ich ſie auf mei-
ne eigne, oder auf ihre Weiſe haben ſoll!
Nun, weiß ich, wirſt du aus Furcht fuͤr mich
allen deinen Witz verlieren ‒ ‒ Was, Lovelace!
willſt du ihr einen Brief in die Haͤnde kommen
laſſen, der unfehlbar dich, die alte Mutter und
alle ihre Toͤchter voͤllig verrathen wird! und dich
dennoch nicht entſchließen, beſſer zu werden und
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Geduld, einfaͤltiger Knabe! Kannſt du es
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/358>, abgerufen am 24.11.2024.
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