Es gefiel den Weibsleuten sehr wohl, daß ich mit dem alten Grimes nicht zu sprechen such- te; ob ich gleich vor ihren Ohren gewünscht hat- te, daß ich den Jnhalt dessen, was er zurück brächte, erfahren möchte. Es gefiel ihnen, daß ich vielmehr verlangte, sie möchten meiner Ge- mahlinn den Augenblick die Wiederkunft ihres Boten ansagen. Diese eilte wie in vollem Flu- ge herunter: so heftige Kopfschmerzen sie auch hatte.
O wie sehr wünschte ich eine bequeme Gele- genheit, wegen der ihres Onkels Freunde un- dankbar verursachten Beschwerde, an ihr gerä- chet zu werden!
Sie nahm den Brief von dem alten Grimes mit ihren eignen Händen an, und begab sich in einen Saal weiter hinten im Hause, denselben zu lesen.
Bald hernach kam sie wieder zu dem Kerl heraus, der viele Mühe hatte, auf seinem Pferde zu sitzen. - - Hier ist euer Geld, guter Freund. Jhr habt mir die Zeit etwas lang gemacht. Aber wie bekomme ich jemand, der alsobald für mich zur Stadt reite? denn ich sehe wohl, ihr könnet nicht.
Der alte Grimes nahm sein Geld, ließ sei- nen Hut fallen, indem er ihn abzog, bekam ihn wiedergegeben und ritte fort. Seine Augen wa- ren wie Spiegelstein und stunden starre in seinem Kopfe. Das sahe ich durch das Fenster. Ge- wissermaßen war er gar sprachlos: indem alle
seine
Es gefiel den Weibsleuten ſehr wohl, daß ich mit dem alten Grimes nicht zu ſprechen ſuch- te; ob ich gleich vor ihren Ohren gewuͤnſcht hat- te, daß ich den Jnhalt deſſen, was er zuruͤck braͤchte, erfahren moͤchte. Es gefiel ihnen, daß ich vielmehr verlangte, ſie moͤchten meiner Ge- mahlinn den Augenblick die Wiederkunft ihres Boten anſagen. Dieſe eilte wie in vollem Flu- ge herunter: ſo heftige Kopfſchmerzen ſie auch hatte.
O wie ſehr wuͤnſchte ich eine bequeme Gele- genheit, wegen der ihres Onkels Freunde un- dankbar verurſachten Beſchwerde, an ihr geraͤ- chet zu werden!
Sie nahm den Brief von dem alten Grimes mit ihren eignen Haͤnden an, und begab ſich in einen Saal weiter hinten im Hauſe, denſelben zu leſen.
Bald hernach kam ſie wieder zu dem Kerl heraus, der viele Muͤhe hatte, auf ſeinem Pferde zu ſitzen. ‒ ‒ Hier iſt euer Geld, guter Freund. Jhr habt mir die Zeit etwas lang gemacht. Aber wie bekomme ich jemand, der alſobald fuͤr mich zur Stadt reite? denn ich ſehe wohl, ihr koͤnnet nicht.
Der alte Grimes nahm ſein Geld, ließ ſei- nen Hut fallen, indem er ihn abzog, bekam ihn wiedergegeben und ritte fort. Seine Augen wa- ren wie Spiegelſtein und ſtunden ſtarre in ſeinem Kopfe. Das ſahe ich durch das Fenſter. Ge- wiſſermaßen war er gar ſprachlos: indem alle
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Es gefiel den Weibsleuten ſehr wohl, daß
ich mit dem alten Grimes nicht zu ſprechen ſuch-
te; ob ich gleich vor ihren Ohren gewuͤnſcht hat-
te, daß ich den Jnhalt deſſen, was er zuruͤck
braͤchte, erfahren moͤchte. Es gefiel ihnen, daß
ich vielmehr verlangte, ſie moͤchten meiner Ge-
mahlinn den Augenblick die Wiederkunft ihres
Boten anſagen. Dieſe eilte wie in vollem Flu-
ge herunter: ſo heftige Kopfſchmerzen ſie auch
hatte.
O wie ſehr wuͤnſchte ich eine bequeme Gele-
genheit, wegen der ihres Onkels Freunde un-
dankbar verurſachten Beſchwerde, an ihr geraͤ-
chet zu werden!
Sie nahm den Brief von dem alten Grimes
mit ihren eignen Haͤnden an, und begab ſich in
einen Saal weiter hinten im Hauſe, denſelben
zu leſen.
Bald hernach kam ſie wieder zu dem Kerl
heraus, der viele Muͤhe hatte, auf ſeinem Pferde
zu ſitzen. ‒ ‒ Hier iſt euer Geld, guter Freund.
Jhr habt mir die Zeit etwas lang gemacht.
Aber wie bekomme ich jemand, der alſobald fuͤr
mich zur Stadt reite? denn ich ſehe wohl, ihr
koͤnnet nicht.
Der alte Grimes nahm ſein Geld, ließ ſei-
nen Hut fallen, indem er ihn abzog, bekam ihn
wiedergegeben und ritte fort. Seine Augen wa-
ren wie Spiegelſtein und ſtunden ſtarre in ſeinem
Kopfe. Das ſahe ich durch das Fenſter. Ge-
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ſeine
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/356>, abgerufen am 23.11.2024.
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