Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



nem schamhaftigen Manne nicht an, in solche
Geheimnisse zu schauen, die ein schamhafter
Mann nicht aufdecken kann.

Jch ward wirklich nicht roth, Bruder: doch
lehnte ich das Compliment nicht von mir ab, son-
dern schlug die Augen nieder. Den Weibsper-
sonen schien meine Schamhaftigkeit zu gefallen:
nur die Witwe Bevis war mehr geneigt mich
auszulachen, als mich deswegen zu loben.

Capit. Es mag die Ursache von diesem ge-
wagten Schritte seyn, was es will; ich will es
nicht wieder ein Entlaufen nennen, mein Herr,
weil dieß harte Wort ihre Zärtlichkeit verletzet:
so muß ich doch nothwendig meine Bestürzung
darüber bezeugen; wenn ich an ihr zärtliches Be-
tragen gegen einander gedenke, wovon ich Zeuge
war, als ich ihnen das letzte mal meine Aufwar-
tung machte. Ueber-Liebe denke ich, mein
Herr, sagten sie einmal - - Allein Ueber-Lie-
be;
dabey lächelte er; erlauben sie mir zu sagen,
ist eine seltsame Ursache zum Zank. - - Wenige
Frauenzimmer - -

Lovel. Werther Herr Capitain! - Und
hiemit versuchte ich roth zu werden.

Die Weibsleute versuchten es auch: und
weil sie mehr dazu gewöhnt waren, kamen sie
besser damit fort - - Frau Bevis hat wirklich
eine Feuerfarbe im Gesichte, und ist immer
roth.

Jungf. R. Es ist nicht nöthig, die Sache
so genau zu untersuchen: sondern nur zu beden-

ken,



nem ſchamhaftigen Manne nicht an, in ſolche
Geheimniſſe zu ſchauen, die ein ſchamhafter
Mann nicht aufdecken kann.

Jch ward wirklich nicht roth, Bruder: doch
lehnte ich das Compliment nicht von mir ab, ſon-
dern ſchlug die Augen nieder. Den Weibsper-
ſonen ſchien meine Schamhaftigkeit zu gefallen:
nur die Witwe Bevis war mehr geneigt mich
auszulachen, als mich deswegen zu loben.

Capit. Es mag die Urſache von dieſem ge-
wagten Schritte ſeyn, was es will; ich will es
nicht wieder ein Entlaufen nennen, mein Herr,
weil dieß harte Wort ihre Zaͤrtlichkeit verletzet:
ſo muß ich doch nothwendig meine Beſtuͤrzung
daruͤber bezeugen; wenn ich an ihr zaͤrtliches Be-
tragen gegen einander gedenke, wovon ich Zeuge
war, als ich ihnen das letzte mal meine Aufwar-
tung machte. Ueber-Liebe denke ich, mein
Herr, ſagten ſie einmal ‒ ‒ Allein Ueber-Lie-
be;
dabey laͤchelte er; erlauben ſie mir zu ſagen,
iſt eine ſeltſame Urſache zum Zank. ‒ ‒ Wenige
Frauenzimmer ‒ ‒

Lovel. Werther Herr Capitain! ‒ Und
hiemit verſuchte ich roth zu werden.

Die Weibsleute verſuchten es auch: und
weil ſie mehr dazu gewoͤhnt waren, kamen ſie
beſſer damit fort ‒ ‒ Frau Bevis hat wirklich
eine Feuerfarbe im Geſichte, und iſt immer
roth.

Jungf. R. Es iſt nicht noͤthig, die Sache
ſo genau zu unterſuchen: ſondern nur zu beden-

ken,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0342" n="336"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
nem &#x017F;chamhaftigen Manne nicht an, in &#x017F;olche<lb/>
Geheimni&#x017F;&#x017F;e zu &#x017F;chauen, die ein &#x017F;chamhafter<lb/>
Mann nicht aufdecken kann.</p><lb/>
          <p>Jch ward wirklich nicht roth, Bruder: doch<lb/>
lehnte ich das Compliment nicht von mir ab, &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;chlug die Augen nieder. Den Weibsper-<lb/>
&#x017F;onen &#x017F;chien meine Schamhaftigkeit zu gefallen:<lb/>
nur die Witwe Bevis war mehr geneigt mich<lb/>
auszulachen, als mich deswegen zu loben.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Capit.</hi> Es mag die Ur&#x017F;ache von die&#x017F;em ge-<lb/>
wagten Schritte &#x017F;eyn, was es will; ich will es<lb/>
nicht wieder ein <hi rendition="#fr">Entlaufen</hi> nennen, mein Herr,<lb/>
weil dieß harte Wort ihre Za&#x0364;rtlichkeit verletzet:<lb/>
&#x017F;o muß ich doch nothwendig meine Be&#x017F;tu&#x0364;rzung<lb/>
daru&#x0364;ber bezeugen; wenn ich an ihr za&#x0364;rtliches Be-<lb/>
tragen gegen einander gedenke, wovon ich Zeuge<lb/>
war, als ich ihnen das letzte mal meine Aufwar-<lb/>
tung machte. <hi rendition="#fr">Ueber-Liebe</hi> denke ich, mein<lb/>
Herr, &#x017F;agten &#x017F;ie einmal &#x2012; &#x2012; Allein <hi rendition="#fr">Ueber-Lie-<lb/>
be;</hi> dabey la&#x0364;chelte er; erlauben &#x017F;ie mir zu &#x017F;agen,<lb/>
i&#x017F;t eine &#x017F;elt&#x017F;ame Ur&#x017F;ache zum Zank. &#x2012; &#x2012; Wenige<lb/>
Frauenzimmer &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Lovel.</hi> Werther Herr Capitain! &#x2012; Und<lb/>
hiemit ver&#x017F;uchte ich roth zu werden.</p><lb/>
          <p>Die Weibsleute ver&#x017F;uchten es auch: und<lb/>
weil &#x017F;ie mehr dazu gewo&#x0364;hnt waren, kamen &#x017F;ie<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er damit fort &#x2012; &#x2012; Frau Bevis hat wirklich<lb/>
eine Feuerfarbe im Ge&#x017F;ichte, und i&#x017F;t immer<lb/>
roth.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Jungf. R.</hi> Es i&#x017F;t nicht no&#x0364;thig, die Sache<lb/>
&#x017F;o genau zu unter&#x017F;uchen: &#x017F;ondern nur zu beden-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ken,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0342] nem ſchamhaftigen Manne nicht an, in ſolche Geheimniſſe zu ſchauen, die ein ſchamhafter Mann nicht aufdecken kann. Jch ward wirklich nicht roth, Bruder: doch lehnte ich das Compliment nicht von mir ab, ſon- dern ſchlug die Augen nieder. Den Weibsper- ſonen ſchien meine Schamhaftigkeit zu gefallen: nur die Witwe Bevis war mehr geneigt mich auszulachen, als mich deswegen zu loben. Capit. Es mag die Urſache von dieſem ge- wagten Schritte ſeyn, was es will; ich will es nicht wieder ein Entlaufen nennen, mein Herr, weil dieß harte Wort ihre Zaͤrtlichkeit verletzet: ſo muß ich doch nothwendig meine Beſtuͤrzung daruͤber bezeugen; wenn ich an ihr zaͤrtliches Be- tragen gegen einander gedenke, wovon ich Zeuge war, als ich ihnen das letzte mal meine Aufwar- tung machte. Ueber-Liebe denke ich, mein Herr, ſagten ſie einmal ‒ ‒ Allein Ueber-Lie- be; dabey laͤchelte er; erlauben ſie mir zu ſagen, iſt eine ſeltſame Urſache zum Zank. ‒ ‒ Wenige Frauenzimmer ‒ ‒ Lovel. Werther Herr Capitain! ‒ Und hiemit verſuchte ich roth zu werden. Die Weibsleute verſuchten es auch: und weil ſie mehr dazu gewoͤhnt waren, kamen ſie beſſer damit fort ‒ ‒ Frau Bevis hat wirklich eine Feuerfarbe im Geſichte, und iſt immer roth. Jungf. R. Es iſt nicht noͤthig, die Sache ſo genau zu unterſuchen: ſondern nur zu beden- ken,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/342
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/342>, abgerufen am 29.09.2024.